Protokoll der Sitzung vom 08.12.2010

Niedersachsen braucht Ihre Vorschläge nicht. Niedersachsen braucht qualifiziertes und motiviertes Personal bei der Polizei - das hat der Kollege Bachmann schon angesprochen - und keine Überforderung der Polizei wie beim diesjährigen Castor

transport. Es kann nicht sein, dass durch falsche Berechnung der Polizeistärken und die daraus resultierenden viel zu langen Einsatzzeiten für die Beamtinnen und Beamten beim Castortransport möglicherweise ein harter Einsatz der Kräfte produziert wird.

Herr Schünemann, es ist infam, wenn Sie sich darüber beklagen, dass die Polizei im Streifendienst zum Prügelknaben der Nation wird, Sie aber gleichzeitig Polizistinnen und Polizisten auf Doppel- und Dreifachschichten ins Wendland schicken.

Die Gewerkschaft der Polizei hat sich zu Recht über die Einsatzsituation und über die unzureichende Versorgung der Kräfte beschwert und angemahnt,

(Thomas Adasch [CDU]: Selber zu Demos aufrufen und sich dann be- schweren! - Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Oesterhelweg, dass die Polizistinnen und Polizisten nicht ausbaden sollen, was in Berlin mit Billigung aus Hannover in der Atompolitik verbockt worden ist.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Herr Kollege Adasch, wir wissen ja aus den Debatten um das Versammlungsgesetz, dass die Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 des Grundgesetzes in Ihrer Partei nicht besonders gut gelitten ist. Aber das, was der Kollege Biallas hier zu den Verursacherkosten über den Polizeieinsatz im Wendland gesagt hat, setzt dem Ganzen die Krone auf.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Limburg, Sie rufen laufend „Haltet den Dieb“! Das ist lächerlich!)

Herr Kollege Nacke, zu behaupten, dass die hohen Polizeikosten beim Castortransport durch die Demonstranten, die ihr Grundrecht aus Artikel 8 wahrnehmen, verursacht werden und nicht etwa durch die Atomindustrie und die Atomenergie, das wird dem Verfassungsauftrag nicht gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Meine Damen und Herren, mein Kollege Briese hat im vergangenen Jahr seine Rede zum Haushalt 2010 mit den Worten beendet: „Der Verfassungsschutz wurde gepäppelt, gepäppelt und gepäppelt.“ Mit genau diesen Worten kann ich heute

leider fortfahren, weil der Verfassungsschutz erneut mit Personal gepäppelt wird. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass sämtliche Behörden und Ämter in Niedersachsen Stellen abbauen müssen und nur diese eine Institution davon komplett ausgenommen wird.

Herr Kollege Dürr, in einem recht putzigen Beitrag haben Sie neulich behauptet, der Verfassungsschutz sei sozusagen elementarer Bestandteil des Rechtsstaates.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, der Verfas- sungsschutz ist wichtig!)

Herr Professor Dr. Zielke kann Ihnen das ausführlicher erklären. Hier nur so viel: Zu einem Rechtsstaat gehören unabhängige Gerichte, Rechtsanwälte, ein faires Verfahren und sicherlich auch eine Staatsanwaltschaft. Ein Verfassungsschutz ist bei einem Rechtsstaat kein unverzichtbarer Bestandteil.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Da verträten Sie doch eine sehr einsame Mindermeinung, Herr Kollege Dürr.

(Jens Nacke [CDU]: Das hier ist doch kein mündliches Staatsexamen nach dem Motto „Herr Professor, ich weiß was“! - Christian Dürr [FDP]: Wenn Sie den Verfassungsschutz abschaf- fen wollen, dann sagen Sie es! Aber zurück zu Ihren Stellenaufstockungen. Sie schicken den Verfassungsschutz in Schulen. Sie entziehen den dafür vorgesehenen Bildungsinstitu- tionen in der Erwachsenenbildung und in der Kin- der- und Jugendbildung Geld und stecken es in eine Behörde, die ein Inlandsgeheimdienst ist, aber eben keine Bildungsbehörde. (Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich kann nachvollziehen, dass angesichts Ihrer fragwürdigen Extremismusdebatten bei vielen in Niedersachsen, die gegen Nazis aktiv sind, das Vertrauen in eine Behörde fehlt, die z. B. in Celle gegen sogenannte Zecken polemisiert und mehr damit beschäftigt zu sein scheint, den Menschen, die Hilfe in ihrem Engagement gegen Nazis suchen, zu erklären, dass sie sich dabei auf keinen Fall mit Menschen mit bunten Haaren oder gar mit Mitgliedern der Linkspartei verbünden dürfen.

(Jens Nacke [CDU]: Was sind denn „Zecken“?)

Ihr Verfassungsschutz ist angesichts der fragwürdigen Argumentation, die dieses Haus liefert, keine neutrale Behörde, sondern ausführendes Organ Ihres politischen Weltbildes, Herr Schünemann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Warum lassen Sie uns daher die neuen Stellen für den Verfassungsschutz nicht im Datenschutz ansiedeln? - Der kann sie gut gebrauchen.

Zwar hat die Landesregierung - das muss man ausdrücklich würdigen - die Ausstattung des Datenschutzes verbessert. Dafür ein Lob. Meine Damen und Herren, Sie haben nach eigenem Bekunden nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im März dieses Jahres die Fachaufsicht über den Datenschutz nicht mehr ausgeübt. Sie haben aber bislang noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Fachaufsicht tatsächlich streicht. Ich erinnere daran, dass der EuGH und vor ihm schon die Kommission eine völlige Unabhängigkeit gefordert haben. Damit es auch im nächsten Jahr ein Lob an dieser Stelle gibt: Legen Sie einen Gesetzentwurf vor, mit dem das sicher geregelt wird!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ganz offensichtlich sehen die Regierungsfraktionen im kommenden Jahr, im Jahr der Kommunalwahlen, weniger Bedarf für die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Niedersachsen. Sie kürzen 50 000 Euro aus einem Posten, für dessen Einführung Sie vor einigen Jahren durchaus Applaus bekommen haben. Nun scheint aus Ihrer Sicht die Gefahr von Rechts gebannt zu sein. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären, dass Sie die Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus um 50 000 Euro reduzieren.

Ganz infam wird es dann, wenn man sieht, wohin diese Mittel gehen. Sie erhöhen mit diesen 50 000 Euro die Zuschüsse für den Bund der Vertriebenen, der im letzten Jahr mit sehr, sehr fragwürdigen Äußerungen seiner Bundesvorstandsmitglieder Tölg und Saenger von sich reden gemacht hat, indem beide die alleinige Kriegsschuld Deutschlands infrage gestellt haben und Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zuweisen wollten.

Meine Damen und Herren, die CDU/CSUBundestagsfraktion hat dieses Weltbild entschieden zurückgewiesen und scharf kritisiert. Ich würde mir ein ähnliches Bekenntnis von Ihnen wünschen.

Stattdessen erhöhen Sie diesen Haushaltsposten - und das einen Tag nach dem großartigen und bewundernswerten Auftritt unseres Bundespräsidenten in Warschau.

Meine Damen und Herren, der Bund der Vertriebenen muss sich klar und eindeutig zur Kriegsschuld Deutschlands bekennen. Solange das nicht der Fall ist, sollen Sie diese Erhöhung auf keinen Fall vornehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Schon heute Vormittag habe ich ausführlich zum neuen Kommunalverfassungsrecht Stellung bezogen. Ich kann jetzt noch einmal betonen: Mit diesem Gesetz lösen Sie keine Probleme. Sie unterstützen nicht die Kommunen. Sie haben stattdessen weitere Stolperfallen für die kommunale Finanzierung eingebaut.

Kommunale Demokratie - auch das hat der Kollege Bachmann schon ausgeführt - funktioniert nur, wenn auch finanzieller Spielraum da ist, um kommunal zu gestalten. Bei Ihrer Politik bekommt man stattdessen gelegentlich den Eindruck, es sei Ihnen ganz recht, dass so viele Kommunen knapp bei Kasse sind, weil Sie ihnen so über die Kommunalaufsicht in die Haushalte hineinregieren können, Herr Schünemann. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen solide Kommunalfinanzen. Dafür werden wir Grüne weiter streiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Oetjen von der FDP-Fraktion das Wort.

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte hier gleich zu Beginn auf den Kollegen Limburg eingehen, insbesondere auf das, was er zum Thema Verfassungsschutz gesagt hat, weil mir das durchaus etwas schwer im Magen liegt.

Lieber Herr Limburg, wenn Sie der Meinung sind, dass wir den Verfassungsschutz nicht brauchen, wenn Sie der Meinung sind, dass der Verfassungsschutz eine schlechte Arbeit macht, wenn Sie der Meinung sind, dass die Programme des Verfassungsschutzes nicht gebraucht werden,

dann sagen Sie das hier. Aber unterlassen Sie bitte diese pauschalen Unterstellungen in Richtung des Verfassungsschutzes. Aus Sicht von CDU und FDP macht der Verfassungsschutz eine hervorragende Arbeit, die wir weiter unterstützen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ihnen ging es auch um die Frage, ob die Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus tatsächlich bedient werden können. Sie haben die Streichung von 50 000 Euro für ARUG und Weiße Runde angesprochen. Trotz dieser Streichung ist sichergestellt, dass alle Anträge, die gestellt werden, tatsächlich bedient werden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das stimmt!)

- Es ist schön, dass Sie das bestätigen. Herzlichen Dank! Dann sollten Sie hier auch nicht die Kürzung kritisieren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich habe kritisiert, dass die Mittel anderswohin fließen!)

In den vergangenen Jahren sind nicht alle zur Verfügung gestellten Mittel abgeflossen. Ich sage Ihnen: Nicht ein einziger Antrag, der in diesem Bereich gestellt wird, wird in diesem Lande abgelehnt, sondern diese Maßnahmen werden finanziert. Das ist auch richtig; denn der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle zunächst auf den Polizeibereich eingehen, weil er auch von den Kollegen Bachmann und Biallas hier sehr intensiv angesprochen wurde.

Wir haben in den Haushaltsberatungen im letzten Jahr, also vor genau zwölf Monaten, an dieser Stelle schon darüber diskutiert, dass wir auf der einen Seite eine sehr hohe Belastung der Polizei haben, ihre Arbeit auf der anderen Seite, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber auch unterstützen wollen. Wir haben es bedauert, dass wir nicht schon im letzten Jahr ein Stellenhebungsprogramm im Bereich der Polizei auf den Weg bringen konnten. Das sage ich hier sehr deutlich.

In der Zwischenzeit, im Laufe des letzten Jahres, ist ein A-11-Programm auf den Weg gebracht worden, das die Unterstützung der FDP-Fraktion dieses Hauses zu 100 % hat, weil es einem Grund

satz folgt - das möchte ich hier klar sagen -: Es folgt dem Grundsatz, dass diejenigen, die Verantwortung übernehmen, eine höhere Bezahlung verdient haben. - Diesen Grundsatz sollten wir eigentlich in allen Lebensbereichen beherzigen und unterstützen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.