Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Medienwirksam verkaufte Schwerpunkte des letzten Jahres wie Mediation oder die gesamte Opferhilfe weisen kaum oder keine Verbesserungen auf.

Meine Damen und Herren, auch die Regierungsfraktionen - da hätte man ja etwas erwartet - waren mutlos. Lediglich in drei kleinen Punkten wurde etwas nachgebessert. Der zwingenden Notwendigkeit nach mehr Sozialrichterstellen wurde mit zehn Stellen Rechnung getragen. Der Täter-OpferAusgleich wird ein wenig besser ausgestattet, und eine Planstelle für den zahnmedizinischen Dienst der JVA wird angehoben. Das ist alles nicht zu beanstanden, liebe Kollegen. Aber ist das alles, was Sie für die Justiz noch rausschlagen konnten? In meinen Augen ist das viel zu wenig.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mit unseren klar durchfinanzierten Haushaltsvorschlägen wollen wir einige Impulse setzen, maßvoll, aber gezielt. An Herrn Möllring gerichtet: Ihre Vorwürfe von vorgestern gehen nun wirklich ins Leere. Ich glaube, wir sollten gemeinsam in aller Ruhe den Spruch des Staatsgerichtshofs abwarten. Dann werden wir neu miteinander reden.

Meine Damen und Herren, wir wollen beim Einzelplan 20 für die dringende Sanierung von Gerichts- bzw. Justizgebäuden 1 Million Euro zur Verfügung stellen. Für die Akzeptanz bei den Bürgern und Bürgerinnen ist es nämlich auch wichtig, wie Gerichtsgebäude aussehen, und für die Motivation der Mitarbeiter allemal. Das MJ selbst sieht doch einen Sanierungsbedarf bei den Justizgebäuden von ca. 60 Millionen Euro. Es gibt Gebäude, da kann man den Bedarf, die Mängel mit Händen greifen.

(Beifall bei der SPD)

Das wichtigste Kapital unserer Justiz sind aber seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei Justiz mehr ist als nur Richterschaft.

(Beifall bei der SPD)

Vergessen wird nämlich sehr häufig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit den Angestellten das Rückgrat der Justiz sind. Ohne sie wären Vorbereitung und Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen und andere Dienstleistungen überhaupt nicht möglich.

Unter diesem Gesichtspunkt macht es einem dann schon Sorgen, wenn man gerade im Bereich des mittleren Dienstes immer mehr von Verdichtung der Arbeit, Verlagerung von Arbeit, hohen Krankenständen und zunehmenden Burn-out-Fällen hört.

Dringend nötig sind also - vergleichbar mit dem Vollzugsbereich - mehr Beförderungsmöglichkeiten und Stellenhebungen als Leistungsanreize. Es ist nicht motivierend, wenn man derzeit für eine Beförderung fünf bis sieben Jahre, nach A 8 sogar 15 Jahre zu warten hat. Solche Beförderungswartezeiten müssen erheblich verringert werden - wobei wir die Haushaltsmittel für die Anhebung des Eingangsamtes auf A 7 wie für die Beförderung aller A 6er nach A 7 im Haushalt abgebildet haben.

Ebenso sind die Stellenobergrenzen anzupassen und anzuheben. Wir müssen für die Zukunft überlegen, ob wir nicht auch für den mittleren Dienst - ich nenne ihn einmal weiter so - bei besonderen Leistungsprofilen neue Spitzenämter schaffen. Diese Maßnahmen geben Motivation. Wir wissen: Wer motiviert ist, ist letztlich leistungsfähiger.

Schluss sein muss auch mit der Refinanzierung anderer Stellen im Justizbereich durch Abbau im mittleren Bereich.

Meine Damen und Herren, auch für die rund 700 Wachtmeisterinnen und Wachtmeister müssen wir etwas tun. Das Eingangsamt A 3 - Sie hören richtig: A 3 - wird den zunehmenden Anforderungen an den Dienst schon lange nicht mehr gerecht. Der Wachtmeisterdienst ist längst in andere Berufsfelder hineingewachsen. Die Wachtmeisterinnen und Wachtmeister sind es nämlich, die die Sicherheit in den Gerichten garantieren. Sie sind längst qualifizierte Sicherheitsfachkräfte geworden. Die Erhöhung des Eingangsamtes auf A 5 sowie ein Stellenhebungskonzept sind deshalb mehr als notwendig.

(Zustimmung bei der SPD und von Hans-Henning Adler [LINKE])

Ich finde es unzumutbar - das sage ich in aller Deutlichkeit -, dass ein Justizmitarbeiter auf ergänzende Leistungen des Sozialstaates angewiesen

ist und nicht ein ausreichendes Gehalt für seine Arbeit bekommt.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Lassen Sie mich das an Zahlen einmal näher erläutern. Ein Justizwachtmeister - verheiratet, Ehefrau nicht berufstätig - mit zwei minderjährigen Kindern erhält am Anfang seiner Laufbahn bei A 3, Stufe 1 ein Grundgehalt von 1 670 Euro. Plus Familienzulage bedeutet das ein Netto von 1 946 Euro.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Davon gehen noch alle seine privaten Krankenversicherungsbeiträge und sonstigen Versicherungen ab. Ich glaube, Sie alle hier im Hause können sich ausrechnen, was dann für diesen Menschen bei den Mietpreisen im Großraum Hannover überhaupt noch übrig bleibt. Hier müssen wir handeln.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Hartmut Möllring [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Nein, Herr Möllring, bei Ihnen nicht.

Herr Kollege Haase, einen kleinen Moment bitte! Bevor Sie weitermachen, möchte ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.

Von Herrn Möllring? - Nein.

(Hartmut Möllring [CDU]: Ich habe mich gemeldet, weil es gar keine nach A 3 Besoldeten mehr gibt! Sie erzäh- len hier etwas, was es gar nicht mehr gibt!)

Herr Möllring, er lässt keine Zwischenfrage zu.

(Hartmut Möllring [CDU]: Deshalb muss ich dazwischenrufen!)

Das Eingangsamt ist A 3. Das wissen Sie!

Meine Damen und Herren, wir müssen uns immer wieder vor Augen führen: Ohne gut motiviertes Justizpersonal wird die beste Spruchkammer nicht funktionieren.

Herr Möllring, diese Verbesserungen sind auch deshalb nötig, um zukünftig noch gutes Personal für die Justiz zu gewinnen.

(Hartmut Möllring [CDU] - zur SPD -: Was ist das für eine Truppe? - Gegen- ruf von Johanne Modder [SPD]: Was soll denn das? - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Er hat doch recht!)

Herr Haase, einen kleinen Moment bitte! Ich kann Sie nicht verstehen, weil sich jetzt Dialoge zwischen den Fraktionen entwickeln. - Jetzt können Sie weitermachen.

Wir alle wissen doch von dem zukünftigen Fachkräftemangel. Wie soll angesichts der derzeitigen Besoldung der Justizdienst, aber auch der Richterdienst für die Zukunft attraktiv und konkurrenzfähig sein?

Herr Busemann, gänzlich unverständlich ist uns, dass zurzeit nicht alle Anwärterstellen besetzt werden und dass trotz bestandener Laufbahnprüfung nicht alle Anwärter übernommen werden sollen. Damit wird nicht einmal mehr die Bestandsquote erreicht. So die Auskunft der Berufsverbände! Wie soll, bitte schön, der Justizdienst dauerhaft seine gute Leistung bringen, wenn beim Nachwuchs gespart wird? Hier besteht dringendster Handlungsbedarf.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen sage ich auch: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass diejenigen, die Sie dann möglicherweise doch nicht übernehmen wollen, die aber vielleicht in die freie Wirtschaft gehen wollen, nach der Ausbildung im Justizdienst endlich einen allgemein anerkannten Berufsabschluss bekommen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die nicht streitigen Erledigungen sind in Niedersachsen auf einem guten Weg; das will ich durchaus anerkennen.

Stiefkind ist und bleibt nach dem Willen der Landesregierung leider der Täter-Opfer-Ausgleich bei Erwachsenen durch freie Träger. Trotz landesweit guter Erfahrungen, trotz steigender Fall- und Erledigungszahlen und in dem Wissen, dass dieser Ausgleich nachhaltiger ist als jede streitige Ent

scheidung, wird der erfolgreich begonnene Weg leider nicht weiterentwickelt.

Wir wollen deshalb eine deutliche Erhöhung der Landesförderung, um dieses Institut weiter auszubauen, und zwar - das betone ich - gerecht auszubauen. Es kann doch nicht sein, dass gleichartige Fälle bei verschiedenen Trägern das eine Mal 90 Euro und ein anderes Mal 300 Euro kosten. Hier müssen wir wieder auf den Stand von 2002 kommen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Gucken Sie sich einmal die Zahlen an!)

- Seien Sie ruhig. - Unser Ziel ist und bleibt: Gerade durch diese Formen außergerichtlicher Einigung oder einen Ausgleich sind die Gerichte dauerhaft und nachhaltig zu entlasten und ist ein Mehr an Rechtsfrieden zu gewinnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen, meine Herren, ich beschränke mich heute - auch angesichts der Tageszeit - auf die genannten Forderungen. Leider habe ich wenig Hoffnung, dass Sie unseren Vorschlägen folgen.

(Jens Nacke [CDU]: Sehr richtig!)

Mein Kollege Marco Brunotte wird noch einiges zum Justizvollzug sagen.

Für mich bleibt als Fazit festzuhalten: Erneut wird mit diesem Haushalt eine Chance vertan. Es bleibt dabei: Wir müssen bereit sein, in unsere Justiz zu investieren. Wir müssen bereit sein, eine leistungsfähige Justiz dauerhaft angemessen auszustatten. Vermutlich müssen wir in Niedersachsen bis 2013 warten. Aber okay; wir arbeiten daran.