Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

Meine Damen und Herren, die Förderung über Steuertatbestände ist bei uns gang und gäbe. Wenn Sie auf der rechten Seite dieses Hauses, CDU und FDP, aber auch die SPD, diesen Antrag heute ablehnen, dann müssen Sie uns schon erklären, warum eine solche Förderung für gesellschaftspolitisch positive Bürgerbusvereine ordnungspolitisches Teufelswerk ist,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das machen wir!)

aber Umsatzsteuergeschenke für private Hoteliers ein Segen für die Menschheit sind und warum Hundesportvereine eine größere Lobby und größere Unterstützung haben als diese Bürgerbusvereine.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das werden wir Ihnen gleich erklären!)

Das können Sie niemandem erklären.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Hilbers von der CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Warum genau es Sinn macht, das anders zu handhaben, möchte ich Ihnen jetzt erläutern. Wir haben das ja auch schon ausführlich im Ausschuss diskutiert.

Zu Beginn möchte ich aber unterstreichen, dass uns die Arbeit der Bürgerbusvereine wichtig ist, dass wir ihre Bedeutung hoch einschätzen und dass wir das große ehrenamtliche Engagement würdigen, das die Fahrerinnen und Fahrer, aber auch die Mitglieder der Bürgerbusvereine leisten. Die Bürgerbusvereine ergänzen den ÖPNV - sie ersetzen ihn nicht - und sind gerade für die Fläche ein wichtiger Faktor, um Mobilität sicherzustellen. Das ist damals auch in der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ umfangreich diskutiert worden.

Die Frage ist aber, ob das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, nämlich die Anerkennung der Gemeinnützigkeit, das richtige Instrument ist, um dieses Engagement zu fördern. Schließlicht gibt es viele Tätigkeiten, die mit ehrenamtlichem Engagement verbunden und in der Gesellschaft außerordentlich wichtig, wenn nicht sogar unverzichtbar sind, die aber gleichwohl steuerlich nicht begünstigt werden.

Es geht also darum, ob diese Vereine tatsächlich im steuerlichen Sinne gemeinnützig tätig sind und ob die Anerkennung der Gemeinnützigkeit mit Blick auf die Systematik des Steuerrechts vernünftig wäre.

Wenn eine Gemeinnützigkeit vorliegt, dann ist damit die Freistellung von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer verbunden. Nach der Abgabenordnung kann ein gemeinnütziger Verein Spendenquittungen ausstellen.

Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist, dass Vereine ausschließlich und unmittelbar selbstlos kirchliche, mildtätige oder gemeinnützige Zwecke verfolgen. Dazu zählt die Beförderung von Personen jedoch nicht. Hier kommt es nämlich auf die tatsächliche Geschäftsausübung an. Selbst bei Vorliegen der Gemeinnützigkeit in anderen Vereinen wäre die Beförderung von Personen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der von gemeinnützigen Organisationen nur deshalb toleriert würde, weil er untergeordnet und eben nicht übergeordnet wäre.

Die Beförderung von Personen ist eine wirtschaftliche, nicht hoheitliche Aufgabe, die der Daseinsvorsorge dient. Wie wir wissen, ist aber nicht per se alles steuerfrei, was der Daseinsvorsorge dient.

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besteht in der Regel dann, wenn man im Wettbewerb steht. Um dieses Kriterium des Wettbewerbs zu beleuchten, hat der Ausschuss Stellungnahmen verschiedener Verbände eingeholt. Schließlich geht es darum, zu

verhindern, dass steuerrechtliche Tatbestände geschaffen werden, die den einen Anbieter auf dem Markt diskriminieren oder beeinträchtigen und dem anderen eine bessere Wettbewerbsposition verschaffen.

Ich habe es zu Beginn gesagt: Die Bürgerbusse ergänzen den ÖPNV, sie ersetzen ihn nicht. Sicherlich treten sie aber hier und da auch in Konkurrenz zu anderen Beförderungsunternehmen und -leistungen in der Fläche. Die Bürgerbusvereine betätigen sich eigenwirtschaftlich. Das ist keine ideologische Bewertung nach dem Motto „Es muss so viel wie möglich privatisiert werden“, sondern eine Bewertung der tatsächlichen Situation. Um Privatisierung geht es bei diesem Thema ausdrücklich nicht.

Ihr Antrag, Herr Klein, zielt in keinster Weise auf die Realität ab. Sie haben z. B. den ermäßigten Umsatzsteuersatz angesprochen. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz wird auf Beförderungsleistungen wie die, die die Bürgerbusvereine erbringen, aber bereits in aller Regel erhoben. Ich jedenfalls kenne keinen Bürgerbusverein, dessen Leistungen nicht ohnehin schon mit einem Umsatzsteuersatz von 7 % besteuert würden.

Die meisten Bürgerbusunternehmen fallen im Übrigen unter die Kleinstunternehmerregelung. Das heißt, sie müssen keine Umsatzsteuer zahlen, wenn der Umsatz im vorausgegangenen Jahr 17 500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Jahr 50 000 Euro nicht übersteigt. Die Landesnahverkehrsgesellschaft hat uns geschrieben, dass nur 30 bis 40 % der laufenden Kosten der Bürgerbusvereine durch die Fahrgeldeinnahmen gedeckt werden. Folglich macht kein Bürgerbusverein Gewinne - und hat deswegen auch überhaupt keine Körperschaft- und Gewerbesteuer zu zahlen.

Sie, Herr Klein, wollen hier den Eindruck erwecken, Sie würden mit dieser Maßnahme einen besonderen Beitrag zur Sicherung des ÖPNV oder der Bürgerbusse in der Fläche leisten. Das, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, hätte aber überhaupt keine Auswirkungen in der Fläche, dadurch würde sich nichts ändern.

(Beifall bei der CDU)

Stattdessen hätte das, was Sie vorschlagen, zur Folge, dass die Bürgerbusvereine die strengen Regelungen des Gemeinnützigkeitsrechts Buchhaltung, Abfassung der Satzung und Nachweis der Mittelverwendung einhalten müssten.

Eine stichprobenhafte Ermittlung der OFD Niedersachsen zu bereits bestehenden Bürgerbusvereinen hat ergeben, dass in den untersuchten Fällen jeweils ausschließlich Verluste aus dem Betrieb der Bürgerbusse erwirtschaftet wurden. Mithin ist auch keinerlei Gewerbe- und Körperschaftsteuer angefallen.

Insgesamt, Herr Klein, ist Ihr Antrag also nicht zielführend. Er stärkt die Bürgerbusse nicht, sondern ist allenfalls ein Placebo, mit dem Sie vorführen wollen, dass Sie besonders viel für die Bürgerbusse tun. Erreichen werden Sie damit jedoch nichts.

Würden wir die Personenbeförderung in die Gemeinnützigkeit aufnehmen, würden wir eine wirtschaftliche Tätigkeit in die Gemeinnützigkeit aufnehmen. Das aber wäre von der Systematik des Steuerrechts nicht gedeckt. Wirtschaftliche Leistungen sind nun einmal keine selbstlosen mildtätigen Leistungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hinzu kommt, dass eine solche Maßnahme durch die EU genehmigt werden müsste, weil es sich dabei um eine Beihilfe handeln würde. Es ist fraglich, ob das EU-rechtlich überhaupt in Ordnung wäre und in Brüssel durchliefe.

Ich fasse zusammen: Wir sind uns alle einig, dass die Bürgerbusse einen wertvollen Dienst leisten. Ihr Antrag ist aber eher Show, mit dem Sie einzig und allein Aktionismus an den Tag legen. Er führt in der Sache nicht weiter, sondern verwässert bzw. verkompliziert vielmehr das Steuerrecht, obwohl wir doch gerade bemüht sind, es zu vereinfachen.

Ihr Antrag macht keinen Sinn. Er würde keinen der bereits bestehenden Bürgerbusvereine wirtschaftlich besser stellen und auch keinen einzigen neuen Bürgerbusverein ins Leben rufen. Dieser Antrag ist nicht zielführend.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hilbers, ich kann nicht erkennen, dass das Steuerrecht verkompliziert wird, wenn man einer

Liste mit 25 Ausnahmetatbeständen einen 26. hinzufügt.

Ich verstehe aber auch Ihre Logik nicht. Sie sagen auf der einen Seite, eine solche Regelung würde zu einer Wettbewerbsverzerrung und zu Schwierigkeiten für private Konkurrenten führen. Andererseits argumentieren Sie aber ausführlich, dass diese Regelung keinen Einfluss auf die steuerlichen Bedingungen für die Bürgerbusvereine hätte; darauf habe ich ja auch hingewiesen. Worin also soll denn dann die Wettbewerbsverzerrung liegen? - Die gibt es doch dann schlicht und einfach nicht.

Ich habe deutlich gesagt, dass unser Antrag ausschließlich darauf abzielt, steuerbegünstigte Spenden zu ermöglichen. Viele Menschen, insbesondere natürlich die Nutzer der Bürgerbusse, sind durchaus bereit, ein solches Angebot durch Spenden zu unterstützen, und fänden es hilfreich, wenn sie ihre Spenden steuerlich absetzen könnten.

Auch Ihr Argument, das Ganze führe zu viel mehr Bürokratie für die Bürgerbusvereine, kann ich nicht nachvollziehen; denn allein für die Beantragung der Zuschüsse bei der Landesnahverkehrsgesellschaft muss alles das zusammengestellt, ermittelt und nachgewiesen werden, was auch für den Antrag auf Gemeinnützigkeit erforderlich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch dieses Argument von Ihrer Seite zieht also nicht. Ich verstehe Ihre Entscheidung nach wie vor nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Möchte die CDU-Fraktion Stellung nehmen? - Herr Kollege Hilbers, bitte!

Herr Kollege Klein, Ihnen liegt ja auch die Stellungnahme des Finanzministeriums vor, in der das alles deutlich dargestellt wird. Alle Argumente, die ich vorgetragen habe, werden auch durch die Stellungnahmen, die wir eingeholt haben, belegt.

Tatsache ist, dass Sie eine wirtschaftliche Tätigkeit - - -

(Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜNE])

- Lassen Sie mich doch bitte ausreden!

Tatsache ist, dass Sie eine wirtschaftliche Tätigkeit - das Befördern von Personen ist eine wirtschaftliche Tätigkeit - in einen Katalog gemeinnüt

ziger Tätigkeiten aufnehmen wollen. Aber mit welcher Begründung wollen Sie dann andere sinnvolle wirtschaftliche Tätigkeiten zukünftig nicht in diesen Katalog aufnehmen?

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Sind Tierzucht und Pflanzenzucht denn keine wirtschaftlichen Tätigkeiten?)

Das ist eine Frage der Systematik. Nichts anderes habe ich gesagt. Es macht steuersystematisch keinen Sinn, eine Tätigkeit, die auf Eigenwirtschaftlichkeit ausgerichtet ist, in einen Katalog von gemeinnützigen Tätigkeiten aufzunehmen.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Was ist denn mit Tierzucht und Pflanzen- zucht?)