Protokoll der Sitzung vom 21.01.2011

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Vielleicht hören Sie mal auf Ihre Kollegen in Schleswig-Holstein. Da sagen Ihnen doch einige relativ deutlich, wo die FDP langsam hinwandert.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ulf Thiele [CDU]: Das fällt Ihnen erst ein, wenn Sie in der Opposition sind! - Christian Dürr [FDP]: Können Sie mal aufhören, so laut zu schreien?)

Ich frage einmal den Kollegen Bode - Herr McAllister hat sich ja schon verabschiedet -: Herr Bode, seit über einem halben Jahr liegt ein Antrag von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und des DEHOGA vor, die fordern, eine Allgemeinverbindlichkeit für die unteren Entgeltgruppen zu erklären, um den freien Fall der Löhne zu stoppen und den Wettbewerbsverzerrungen in der Branche entgegenzuwirken.

Erklären Sie diesem Haus doch bitte einmal - auch mit Blick auf den 1. Mai, aber auch mit Blick auf die immer weiter sinkenden Löhne in dieser Branche -, warum Sie nicht in der Lage sind, endlich zu handeln, sondern dass Sie diesen Antrag einfach liegen lassen und ignorieren! Ist das Ihre Politik für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen?

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch einiges zu unserem Antrag sagen, der - wir haben das gerade in der Diskussion gehört - Ihnen heute bewusst in einer gestuften Form vorgelegt worden ist. Denn ich bin überzeugt, dass es nicht hilft, wenn wir uns hier streiten - das machen Sie ja gerne.

(Ulf Thiele [CDU]: Das zeigen Sie ge- rade sehr deutlich!)

Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass den Menschen geholfen wird. Deswegen sieht unser Antrag in einem allerersten Schritt vor, den Tarifvertrag der Leiharbeitsbranche für allgemein verbindlich zu erklären, um die schlimmen Bedingungen vor allem im Leiharbeitsbereich in Deutschland, der besonders von Dumpinglöhnen bedroht ist - weil diejenigen, die hierher kommen, für wenig Geld arbeiten würden -, zu verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Schritt ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für alle Branchen. Dies ist dringend erforderlich.

Wenn wir das geschafft haben - ich hoffe, dass das in diesem Hause als ein Signal aus Niedersachsen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen gelingt -, dann werden wir uns weiter über das Thema - Herr Thümler und Herr Toepffer haben es ja angesprochen - „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ unterhalten und darüber,

dass die Branchenmindestlöhne, die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, anerkannt und Grundlage für Beschäftigung werden. Dann werden wir dafür sorgen, dass es ein Umdenken und ein Umsteuern in der Arbeitswelt in Deutschland gibt.

Das Motto muss sein: Guter Lohn für gute Arbeit! Die Arbeit darf nicht zur Ramschware gemacht werden. Das wird passieren, wenn Sie nicht handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von der CDU.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf Herrn Kollegen Lies hat Herr Kollege Rickert von der FDP-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

(Zuruf von der SPD: Wir wollen den Riese hören!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist außerordentlich schwierig, auf diese sehr emotional vorgetragenen und polemischen Äußerungen - zum Teil auch Unterstellungen -

(Widerspruch bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Das ist immer das Gleiche!)

in Richtung meiner Partei zu antworten. Ich tue es trotzdem, auch wenn die zur Verfügung stehende Zeit von anderthalb Minuten kaum ausreichen wird, die eine oder andere Unterstellung, die Sie hier offeriert haben, richtigzustellen.

Eine Anmerkung zu dem Thema „Ein Tarif pro Betrieb“. Wir sind nicht dagegen, weil wir das nicht besonders gut finden, sondern weil hier eine Reihe von handfesten verfassungsrechtlichen Bedenken eine Rolle spielt. Das sollten Sie doch bedenken. Wir sind immerhin diejenige Partei, die für die Tarifautonomie steht und die Tarifautonomie über alles stellt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Welche Arbeitnehmer sind denn noch tarifge- bunden?)

Das heißt, wir sind daran interessiert, dass außerhalb staatlicher Bürokratie in allen Branchen eine funktionierende Tarifautonomie herrscht.

Vielleicht noch eine Anmerkung zu der aufgeregten Darstellung beim Thema Mindestlöhne usw. Es ist sehr fatal, hier mit solchen Zahlen zu operieren. Ich darf daran erinnern, dass eine gesetzlich verordnete Verteuerung von Arbeit möglicherweise auch dazu führen kann, dass diese Arbeit nicht mehr nachgefragt wird. Unsere Sorge besteht darin, dass es nachher einen gesetzlichen Mindestlohn gibt, aber niemanden mehr, der dafür Arbeit nachfragt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: 2 Euro gehen auch! Wären 2 Euro auch genug?)

Ich bitte um Nachsicht, Frau Flauger, mit einer Zwischenfrage war das etwas schwierig.

Herr Kollege Lies möchte antworten. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

(Zuruf von Roland Riese [FDP])

Das wissen Sie schon vorher, Herr Riese?

(Christian Dürr [FDP]: Ganz in Ruhe! Jetzt nicht so laut schreien!)

- Ich weiß, es ist zu viel. Ich belaste Herrn Dürr mit meinen Worten. Das möchte ich nicht.

(Jens Nacke [CDU]: Mit Ihrem Auftre- ten, Herr Lies! Nicht mit Ihren Wor- ten!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf von Gabriela König [FDP])

- Ich wollte gerne nahe bei Ihnen sein, deswegen rücke ich immer so nah ans Pult, Frau König.

Ich möchte gerne auf das Thema Tarifautonomie eingehen. Herr Rickert, es sind die Gewerkschaften, die mit den Arbeitgebern gemeinsam nach einer Lösung rufen. Es sind die Gewerkschaften, die mit den Arbeitgebern gemeinsam danach rufen, dass die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Und es ist Ihre Partei, die das in Berlin verhindert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich finde es schon eine merkwürdige Aussage von Ihnen, dass Sie für Tarifautonomie sind.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Zurufe von der FDP)

- Ja, ich nehme das zur Kenntnis. Dann erklären Sie mir, warum die Beschäftigten des Wach- und Sicherheitsgewerbes vor wenigen Tagen gemeinsam mit der Gewerkschaft vor die FDP-Zentrale in Berlin gezogen sind und dort dafür demonstriert haben, dass Sie endlich Ihre ablehnende Haltung aufgeben. Dann haben die sich ja wohl scheinbar alle vertan.

(Klaus Rickert [FDP]: Möglicherweise kennen die das Verfassungsgerichts- urteil nicht!)

- Möglicherweise war das die falsche Adresse? - Nein, das ging an die richtige Adresse! Bewegen Sie sich endlich in Berlin, damit sich etwas ändert!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

In aller gebotenen Kürze zum Thema Mindestlohn: Selbst Ihnen müsste doch inzwischen klar sein, dass der Satz „Mindestlohn vernichtet Arbeit“ falsch und unsäglich ist. Erklären Sie mir doch einmal, welche Arbeitsbedingungen für Sie denkbar sind. Eine Bezahlung von 2, 3 oder 5 Euro - sind das für Sie gute Arbeitsbedingungen?

Sorgen Sie doch endlich dafür, dass die Menschen in Deutschland genug Geld verdienen und dass nicht der Steuerzahler dafür aufkommen muss, wenn die Arbeitgeber den Menschen zu niedrige Löhne bezahlen! Diese Situation erleben wir doch.

Sie schützen doch nur die Arbeitgeber, anstatt die Arbeitnehmer im Blick zu haben. Das ist das Problem Ihrer Politik.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin König das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Regulierung des Arbeitsmarktes durch einen gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die Opposition immer wieder fordert, erteilen wir von der FDP eine klare Absage.

(Beifall bei der FDP)