Der letzte Punkt. Sie haben den Vergleich zu anderen Bundesländern gezogen. Ich kenne Ihre Landesregierung sonst nicht so zauderhaft, zu sagen: Na ja, wenn wir ein bisschen besser sind als die anderen, selbst wenn es insgesamt noch schlecht ist, dann bleiben wir dabei. - Seien Sie doch auch in diesem Punkt mutig, und gehen Sie noch weiter voran!
Herr Limburg, in der Tat ist es so, dass wir der Auffassung sind, Gesetze nur dann zu verändern, wenn ein Bedarf da ist. Wir sehen weder Bedarf bei der Frage der Geschlechterrepräsentanz bei den Richterinnen und Richtern am Staatsgerichtshof, noch sehen wir die Notwendigkeit hinsichtlich des Besetzungsverfahrens.
Weil das so ist - deshalb habe ich darauf hingewiesen -, sind für uns alle Richterinnen und Richter am Staatsgerichtshof eindeutig fachlich und sozial geeignet, dieses Amt innezuhaben. Das Besetzungsverfahren hat nicht zu Fehlern geführt. Deshalb sehen wir keine Notwendigkeit, irgendeine Gesetzesänderung herbeizuführen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Niedersächsische Staatsgerichtshof ist das Verfassungsgericht dieses Landes, also das höchste Gericht in Niedersachsen. Wir haben es schon gehört: Es ist mit neun Personen besetzt, davon bisher mindestens drei Frauen. Gewählt werden die Mitglieder des Staatsgerichtshof von einem extra dafür bestehenden Ausschuss des Landtages.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht zwei Änderungen vor: Mindestens vier - statt bisher drei - der neun Mitglieder des Staatsgerichtshofs sollen Frauen sein. Vor der Wahl der Mitglieder soll eine öffentliche Anhörung zur fachlichen Kompetenz, zum beruflichen Lebenslauf und zur juristischen Qualifikation der Kandidierenden im Ausschuss stattfinden, also nicht hinter verschlossenen Türen, so wie es jetzt der Fall ist, sondern unter den Augen der Öffentlichkeit. Gegebenenfalls soll eine zusätzliche, nicht öffentliche Anhörung stattfinden, wenn dass die Ausschussmitglieder wünschen.
Ich wende mich jetzt ausdrücklich an die FDPFraktion. Wir haben heute von Herrn Dürr schon ein Loblied auf die Transparenz gehört, und auch Herr Bode hat hier heute schon für Transparenz
plädiert. Da müssten Sie doch diesen Vorschlag der Grünen für ein bisschen mehr Transparenz bei den Staatsgerichtshofwahlen ausdrücklich begrüßen.
Liebe Grüne, ein Problem löst allerdings auch Ihr Vorschlag leider nicht: die inoffiziellen Absprachen zur Besetzung zwischen einigen, aber nicht allen Landtagsfraktionen - nachzulesen z. B. in der HAZ und hier eben auch von Herrn Dr. Biester dargestellt -, wie sie so ähnlich z. B. auf Bundesebene für das Bundesverfassungsgericht stattfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ein solches Verfahren hinter verschlossenen Türen ist nun wirklich nicht besser als eine öffentliche Debatte darüber, wer in dieses Richteramt gehört.
Herr Dr. Biester, ich finde, Sie haben sich in Ihren Ausführungen ein bisschen widersprochen. Auf der einen Seite haben Sie gesagt, das Ganze findet abseits von parteipolitischen Erwägungen statt, auf der anderen Seite haben Sie ausführlich dargestellt, dass das Ganze nicht öffentlich beschlossen und zwischen der größten Regierungsfraktion und der größten Oppositionsfraktion besprochen wird und dass die Grünen so lange nicht beteiligt würden, wie sie nicht selber an der Regierung oder größte Oppositionsfraktion sind. Also finden sehr wohl parteipolitische Erwägungen statt, und sie finden sich in diesem Verfahren auch wieder.
(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Stefan Limburg [GRÜNE] - Hans-Henning Adler [LIN- KE]: Erwischt!)
Ich komme zur Frauenquote, über die wir heute bereits eine ausführliche Debatte hatten. Deswegen will ich an dieser Stelle nur ergänzen:
Juristische Urteilsfindung folgt zwar meistens - hoffentlich jedenfalls - logischen Grundsätzen, ist aber kein mathematischer Prozess, sondern erfordert viele Bewertungen und Abwägungen, die unvermeidlich auch vom persönlichen Hintergrund geprägt sind. Deshalb ist es nicht nur sinnvoll, sondern aus Gründen der Ausgewogenheit der Urteilsfindung nahezu zwingend, für ein Gremium wie den Staatsgerichtshof eine vielfältige Zusammensetzung zu wählen, die die Bevölkerung abbildet.
Weil nun einmal mehr als die Hälfte der Menschen in Niedersachsen Frauen sind, ist die Erhöhung der Frauenquote auf mindestens vier der neun Mitglieder des Staatsgerichtshofes absolut richtig. Damit wären Frauen zwar immer noch unterrepräsentiert, aber es wäre zumindest ein Fortschritt.
Wir stimmen deshalb den beiden Punkten des Gesetzentwurfs im Grundsatz zu. Vielleicht ergeben sich in der Ausschussberatung noch weitere Argumente, die den Entwurf verbessern und abrunden können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere jetzige Regelung ist die folgende: Bis bei den neun Richtern am Staatsgerichtshof die Quoten aufgefüllt sind, geht Gender vor Eignung. Das richtige Geschlecht ist erstes Ausschlusskriterium bzw. K.-o.-Kriterium. Erst wenn sechs der neun Plätze vergeben sind, wird ab dem siebten Platz Eignung das Hauptkriterium. So werden immerhin drei der neun Richterinnen und Richter primär nach Eignung ausgesucht.
Nun stellen Sie sich bitte die vorgeschlagene Regelung vor! Da geht bei acht der neun Richterinnen und Richter Gender vor Eignung, und nur bei einem einzigen ist die persönliche Eignung für das Amt ausschlaggebend.
Frauenquote 44 %, Männerquote 44 %. Was ist eigentlich, wenn dereinst fünf Frauen den Staatsgerichtshof gendermäßig ausfüllen, dann ein Mann ausscheidet und sich alle einig sind, als Ersatz käme aus fachlicher Sicht nur eine einzige super qualifizierte Frau infrage,
Wir könnten übrigens auch auf die Idee kommen, eine Quote für andere Bevölkerungsgruppen in unserem obersten Gericht vorzusehen: für Senioren, junge Menschen, Behinderte, Migranten.
Nun zu dem anderen Punkt: öffentliche Hearings für die Bewerber. - Unsere Rechtstradition ist nicht die der USA, wo der Präsident die Bundesrichter vorschlägt und die Kandidaten dann in tagelangen Anhörungen im Senat auf Herz und politische Überzeugung geprüft werden. Traditionen hin oder her, viel entscheidender ist, ob ein neues System so deutlich überlegen wäre, dass es eine Abkehr vom bisherigen rechtfertigen würde. Dem, der etwas Neues einführen will, obliegt der Nachweis, dass es besser ist als das Bewährte, und nicht umgekehrt.
Sind unsere etwas stilleren Verfahren zur Auswahl der obersten Richterinnen und Richter also eklatant schlechter? - Ich vermag das nicht zu erkennen. Mir sind keine Klagen über evidente Fehlbesetzungen unserer obersten Gerichte aufgrund des bisherigen Verfahrens bekannt geworden. Öffentlichkeit - das haben auch einige Hearings in den Vereinigten Staaten gezeigt - kann auch zum Klamauk einladen.
Zu dem Beitrag von Herrn Professor Zielke hat sich Herr Jüttner zu einer Kurzintervention gemeldet. Danach dann Frau Helmhold. Herr Jüttner, Sie haben 90 Sekunden. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass für die Wahl zum Staatsgerichtshof eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, frage ich Sie, Herr Zielke: Muss ich Sie so verstehen, dass Sie dem Vorsitzenden der Regierungsfraktion, der diese Verhandlungen in den vergangenen Jahren maßgeblich hat führen müssen, um eine Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen,
unterstellen, dass er bei den ersten sechs Personen die Frage der Eignung überhaupt nicht berücksichtigt hat? - Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr McAllister in den vergangenen Jahren in dieser fahrlässigen Weise gearbeitet hat. Habe ich Sie so zu verstehen, dass das der Fall ist?
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Professor Zielke, eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen: Bis jetzt hatte ich nicht den Eindruck, dass es das größte Problem der Gremien in unserem Land ist, dass darin zu viele Frauen sind und deswegen Männer draußen bleiben müssen. Aber wenn es einmal so wäre, dann würde ich das in Demut hinnehmen, weil das im Einzelfall dann eben so sein kann. Aber unser Ziel ist eine Gleichberechtigung.
Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, es würde mir nie im Traum einfallen, den Mitgliedern des Ausschusses, der die Vorschläge für die Richterinnen und Richter an den obersten Gerichten erarbeitet, zu unterstellen, dass sie nicht nach den höchsten Kriterien und Maßstäben urteilen. Nur: In manchen Fällen, wenn nämlich noch nicht drei Plätze nach Gender besetzt sind, geht Gender vor Eignung. So einfach ist das. Das ist das erste und das Hauptkriterium. Eignung ist das zweite Kriterium. Das heißt nicht, dass Eignung damit keine Rolle spielt. Aber das erste ist ein Ausschlusskriterium.