Protokoll der Sitzung vom 16.02.2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir brauchen das Potenzial der Frauen. Vielfalt ist eine Stärke. Wir können es uns mit Blick auf die demografische Entwicklung und auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel schlichtweg nicht länger leisten, auf qualifizierte Frauen zu verzichten, nicht nur in Führungspositionen, sondern auf allen Ebenen der Wirtschaft und Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Astrid Vockert [CDU]: Richtig!)

Die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland hat diese Entwicklung in den letzten Jahren verschlafen. Das belegen die dürftigen Zahlen von weiblichen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. Inzwischen ist jeder zweite Hochschulabsolvent weiblich. Das Anliegen, gut ausgebildete Frauen für mehr Geschlechtergerechtigkeit und unternehmerischen Erfolg angemessen in die Arbeitswelt zu integrieren, ist ohne Zweifel berechtigt und notwendig.

(Zustimmung bei der CDU)

Strittig ist, ob eine gesetzlich verankerte Quote als Allheilmittel taugt. Auch in meiner Partei wird - das wurde schon erwähnt - um die Einführung einer Quote gerungen.

(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU])

Ich bin davon überzeugt, dass die Einführung der gesetzlich verankerten Quote zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend ist.

(Zustimmung bei der CDU - Oh! bei den GRÜNEN - Detlef Tanke [SPD]: Wie vor 100 Jahren beim Frauenwahl- recht!)

In letzter Zeit hat unter dem Stichwort „Diversity“ ein Umdenken in der Wirtschaft stattgefunden. Große Unternehmen besetzen zunehmend die Position eines Diversity-Managers bzw. einer Diversity-Managerin, deren Aufgabe es ist, in Führungsetagen mehr Frauen und internationale Kräfte zu rekrutieren.

Auch der Corporate Governance Kodex ist diesem Ziel verpflichtet. Der Kodex empfiehlt Aufsichtsräten, sich selbst Ziele für eine bestimmte Frauenbeteiligung zu setzen und kontinuierlich über den Fortschritt zu berichten. Der im Dezember 2010 veröffentlichte Bericht der Regierungskommission zeigt, dass die Empfehlung des Kodex für eine gute Unternehmensführung eine hohe Akzeptanz genießt. 95 % der großen Dax-Unternehmen gaben an, die Empfehlungen umsetzen zu wollen.

(Detlef Tanke [SPD]: Ist ja toll!)

Jetzt ist es Zeit für eine stärkere Beteiligung von Frauen an Führungspositionen. Die Selbstregulierung durch den flexiblen Kodex ist der beste Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Konzerne wie Daimler, Siemens und die Telekom gehen bereits diesen Weg und stecken Ziele für die Umsetzung. Die Telekom will bis 2015 30 % weibliche Führungskräfte und setzt Maßnahmen wie Bildungsinitiativen für technische Berufe, Trainees für Frauen und spezielle Mentoringprogramme in die Tat um. Heute steht in der Zeitung, dass bei Daimler im Vorstand heute erstmals eine Frau ihre Arbeit aufnehmen wird.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Viele Unternehmen haben erkannt, dass Fragen wie Gestaltung der Arbeitszeit, räumliche Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht

zu einer unüberwindlichen Hürde für potenzielle Führungskräfte werden dürfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb wurden die firmeninternen Betreuungsplätze für Kinder massiv ausgebaut. Hierzu wird das Land Niedersachsen auch weiterhin seinen Beitrag leisten und neue Modelle in betriebseigenen Kinderbetreuungseinrichtungen fördern.

In jüngster Zeit sind in Niedersachsen eine Menge Führungspositionen mit Frauen besetzt worden. Ich erinnere nur daran - weil die Zeit jetzt knapp wird -, dass im Vorstand der NORD/LB seit Sommer letzten Jahres eine Frau tätig ist und die NORD/LB insofern die erste Landesbank in Deutschland ist, in deren Vorstand eine Frau tätig ist.

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja! Jetzt, wo al- les vor die Wand gefahren ist!)

Ich verweise auch auf die Äußerungen des Ministerpräsidenten McAllister, der kürzlich davon gesprochen hat, bei VW auf der Kapitaleignerseite zukünftig eine Frau in den Aufsichtsrat zu berufen. Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt das ausdrücklich.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine gesetzliche Regelung wäre meiner Überzeugung nach zum jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung nicht nützlich. Die Unternehmen sind jetzt gefordert, ihre Anstrengungen zu erhöhen. Sollten die Unternehmen diese öffentliche Diskussion jedoch nicht umgehend zum Anlass nehmen, Frauen in Führungspositionen zu berufen, werden wir die gesetzlich verankerte Quote brauchen und dann auch umsetzen.

(Beifall bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: Wann denn?)

(Johanne Modder [SPD]: Alles ist gut!)

Ich erteile Frau Ministerin Özkan das Wort.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Vielleicht gelingt es, die zum Teil auch fraktionsübergreifenden Gespräche etwas einzuschränken. - Bitte, Frau Ministerin!

Danke. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der jüngsten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind die Zahlen in der Tat immer noch sehr erschreckend: Weniger als 1 % der Vorstände in den größten 100 deutschen Unternehmen haben ein weibliches Vorstandsmitglied - und das, obwohl man genau weiß - darüber diskutieren wir auch immer wieder -, dass immer mehr Frauen über gute Bildungsabschlüsse verfügen. Immer mehr Unternehmen erkennen auch den Mehrwert, den Frauen in ein Unternehmen mitbringen. Immer mehr Unternehmen ermöglichen auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dass das mitten in Europa passiert - Deutschland liegt mitten in Europa und hat in Europa die leistungsstärkste Volkswirtschaft -, ist in der Tat, was die gesellschaftliche Gleichberechtigung angeht, nicht optimal.

(Johanne Modder [SPD]: Vorsichtig ausgedrückt!)

Aber ich sage auch ganz deutlich: Die Welt dreht sich weiter. Sie haben das Beispiel 2001 genannt, aber Sie haben nicht gesagt, was seit 2001 passiert ist.

(Johanne Modder [SPD]: Fast nichts!)

Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag von 2009 anschauen - Sie haben ja die Bundesebene angesprochen -, dann werden Sie feststellen, dass es bei den Koalitionsverhandlungen eine ganz deutliche Aussage zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen gegeben hat.

(Johanne Modder [SPD]: Was ist denn bislang passiert?)

Es ist vorgesehen, in dieser Legislaturperiode einen Stufenplan vorzulegen. Dieser Stufenplan wird im ersten Schritt eine gesetzliche Berichtspflicht und eine Selbstverpflichtung vorsehen, die transparent sein muss. Das haben die Länder in der jüngsten Frauen- und Gleichstellungsministerkonferenz auch gefordert. Genau das haben wir in dieser Form vor. An dem Plan hat sich also nichts geändert.

Grundsätzlich halte ich von Selbstverpflichtungen mehr; denn mit diesem Mittel können sich die Unternehmen und ihre eigene Einsicht selbst einbringen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Die sehen das ja nicht ein!)

Ich sage aber ganz deutlich auch an die Adresse der Wirtschaft: Wir erwarten ein deutliches Signal! Wir erwarten ein Umdenken in den Chefetagen! Die Wirtschaft muss mit konkretem Handeln belegen, dass der Stufenplan im Prinzip nicht mehr notwendig ist, sondern sich sozusagen schon mit der ersten Stufe erledigt.

(Silva Seeler [SPD]: Darauf warten wir schon seit 20 Jahren! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe)

Ich bitte noch einmal darum, dass im Plenarsaal Ruhe einkehrt und Frau Ministerin die entsprechende Aufmerksamkeit hat. - Vielen Dank. - Bitte!

Ob Sie das nun „Zielgrößen“, „Zielkorridor“, „Targets“ oder „Quoten“ nennen, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass unter dem Strich - da gebe ich Ihnen recht - mehr Frauen in Führungsetagen arbeiten, und zwar in allen Führungsetagen; denn bisher haben wir immer nur von Vorstand und Aufsichtsrat gesprochen.

(Johanne Modder [SPD]: Wie lange wollen Sie sich das denn noch angu- cken? Das ist die Frage!)

Ich denke, die Unternehmen sind gut beraten, wenn sie diese Strategie jetzt umsetzen, weil es jetzt die besten Frauen gibt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Dass das geht, zeigen einige Unternehmen - die Namen sind genannt worden -, aber auch viele Branchen, z. B. die Medienbrache.

Der Vorschlag des Ministerpräsidenten, in den nächsten Jahren neu zu besetzende Aufsichtsratspositionen - wie z. B. bei VW - mit Frauen zu besetzen, ist genau der richtige Schritt.

Ob der Appell, nicht nur eine Selbstverpflichtung einzuführen, sondern in Stufen zu prüfen, ob frei werdende Stellen gezielt mit Frauen besetzt werden können, umgesetzt wird, werden wir in den nächsten Jahren mit einer transparenten Berichterstattung und mit einer transparenten Selbstverpflichtung beobachten.

(Detlef Tanke [SPD]: Eine Quote ist wirkungsvoller! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Prinzip Hoffnung!)

Ich möchte noch einmal deutlich machen: Es gehört zur unternehmerischen Weitsicht, Frauen den Aufstieg in Führungspositionen zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Weit- sicht! Das ist der Punkt!)