Protokoll der Sitzung vom 16.02.2011

Meine Damen und Herren, ich war viele Jahre im Maschinenbau aktiv tätig. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dieser Branche: Ich hatte eine junge tüchtige Ingenieurin beauftragt, das Qualitätswesen in unserem Unternehmen zu überprüfen, zu überarbeiten und zu standardisieren. Fachleute unter Ihnen kennen das noch: ISO 9 000. - Die junge Dame hat sich in diesem männerdominierten Maschinenbau hervorragend durchgesetzt.

(Daniela Behrens [SPD]: Haben Sie da etwa Zweifel?)

Wir sind mit großem Glanz und Gloria zertifiziert worden. Als ich die junge Dame beauftragen wollte, das Qualitätssystem und das gesamte Qualitätsmanagement dieses Unternehmens als Linienaufgabe zu übernehmen, hat sie eine andere persönliche Entscheidung getroffen. Sie ist aus dem Unternehmen ausgeschieden. Ich will jetzt hier nicht sagen, warum.

Das Fazit, das ich aus dieser Erfahrung ziehe, lautet: Gute Frauen setzen sich durch,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber schlechte Männer auch!)

und wir brauchen auch einen Mentalitätswandel. Aber diesen Mentalitätswandel, meine Damen und Herren, kann ich nicht gesetzlich regeln. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens. Dazu gehören, Frau Twesten, selbstverständlich auch Kindertagesstätten und Ganztagsbetreuung zur Unterstützung von berufstätigen Frauen, aber auch von berufstätigen Männern. Mehr Frauen in Führungspositionen, aber bitte ohne gesetzliche Quote!

Gesetzliche Eingriffe werden übrigens auch von vielen Frauen mit Skepsis betrachtet. Die demografische Entwicklung - auch das ist hier bereits gesagt worden -, aber auch der sehr gute Ausbil

dungsstand spielen uns dabei in die Hände. Wenn die Situation wirklich so dramatisch wäre, dann wären und sind Unternehmen gut beraten, das durch eine entsprechend andere Personalpolitik zu ändern. Wie wir wissen, geschieht das auch in vielen Unternehmen, beispielsweise bei der Telekom. Das Problem ist erkannt.

Ich glaube aber nach wie vor, dass eine Selbstverpflichtung im Rahmen des Corporate Governance Kodex der richtige Weg ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile der Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde der SPD trägt den Titel „Freiwilligkeit reicht nicht mehr - die Quote muss jetzt her“. Treffender hätte es heißen müssen: Freiwilligkeit hat in der Frauenfrage noch nie gereicht. Die Quote hätte schon längst hergemusst.

(Astrid Vockert [CDU]: Oh nein!)

Es gibt keine einzige Vorstandsvorsitzende in den 100 größten deutschen Unternehmen, und mehr als 90 % dieser Unternehmen haben nicht einmal ein weibliches Vorstandsmitglied. Keine Bewegung! Stagnation seit Jahrzehnten! Auch nach der Selbstverpflichtung der Wirtschaft im Jahre 2001 müssen Sie heute, zehn Jahre später, nach Fortschritt mit einem Rasterelektronenmikroskop suchen und werden kaum fündig werden.

Sie auf der rechten Seite des Hauses, die Sie bisher immer wieder auf das freiwillige Handeln der Wirtschaft in diesem Punkt verwiesen haben, müssen doch endlich und ehrlich einräumen: Es hat nicht funktioniert. - Sie müssen doch endlich begreifen, dass der Glaube an Weihnachtsmann, Osterhase und freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft nichts für rational denkende erwachsene Menschen sind.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Was Ihre Bundesfamilienministerin da jetzt bringt, das ist wirklich abenteuerlich oder aber unendlich naiv. Da lädt sie für März die Vorstände der großen Unternehmen ein und will mit ihnen über einen Pakt für Frauen sprechen, die nächste Selbstver

pflichtung also. Wenn das dann wieder nicht funktioniert, wovon Sie sicher ausgehen können, dann sollen sich die Unternehmen selbst eine FlexiQuote definieren. - Meine Damen und Herren, in den Vorstandsetagen der männlich dominierten großen Unternehmen lachen sich die Bosse doch darüber kaputt, wie Sie sich am Nasenring durch die Gegend führen lassen.

(Astrid Vockert [CDU]: Das ist definitiv falsch!)

Von der FDP erwarten wir nichts anderes, als dass sie genau das tut oder eben lässt, was Unternehmen auf Wunschzettel schreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch sonst wäre die FDP vermutlich die letzte Partei, auf die wir in der Frauenfrage hoffen würden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen auch hier an der FDP-Landtagsfraktion, dass die FDP das Gegenteil eines leuchtenden Sterns der Frauenemanzipation ist. Gerade einmal 15 % Frauenanteil haben Sie hier vorzuweisen.

(Zuruf von der LINKEN: Aha!)

Die Union, an der Spitze Frau Merkel, hat sich in dem Punkt leider der FDP angeschlossen und die etwas fortschrittlicheren Teile ihrer Partei zurückgepfiffen.

Hier in Niedersachsen ist es nicht besser. Sie haben im neuen Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz die Frauenquote für den öffentlichen Bereich gerade auslaufen lassen, und Sie haben in diesem Gesetz jede Spur einer Verpflichtung für die Privatwirtschaft getilgt.

Meine Damen und Herren, ich war selbst jahrelang die einzige Frau in Führungskräfterunden, in denen ich dort mit 15 oder 20 Männern saß. Ich kann mich sehr gut erinnern, was für eine Exotin ich da war und wie jede meiner Handlungen argwöhnisch beäugt wurde.

(Editha Lorberg [CDU]: Das kann ich mir vorstellen! - Heiterkeit bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

Da hatte ich dann einerseits alle Erwartungen an eine Führungskraft im herkömmlichen Sinn und andererseits auch alle Erwartungen an die sozialen und integrativen Fähigkeiten von Frauen zu erfüllen und alle sich daraus ergebenden Widersprüche aufzulösen. Ich stand wegen meiner Ein

zigartigkeit als Frau in dieser Umgebung vor der Wahl, mich entweder dem männlichen Führungsmuster in vielen Punkten zu unterwerfen oder als unfähig abgestempelt zu werden, weil ich diesem Muster, dem einzig bekannten, nicht genügte. Das war eine ziemlich schwierige Gratwanderung.

(Astrid Vockert [CDU]: Sie sind aber wenig emanzipiert!)

Meine Damen und Herren, wir werden die männliche Prägung des Führungsverhaltens erst dann auflösen, wenn Frauen in Führungspositionen nicht Exotinnen, sondern Normalfall sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Und das werden sie nur über die Quote werden. Nur durch so eine Normalisierung von Frauen in Führungspositionen wird erlebbar, fühlbar und denkbar, dass das männliche Führungsmodell nicht das einzige und auch nicht das bessere ist.

Das Mittel, die bestehenden verkrusteten Strukturen zu knacken, ist nicht die soundsovielte Selbstverpflichtung, sondern eine verbindliche, gesetzlich geregelte Frauenquote auch für die Privatwirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, als es um die Einführung des Frauenwahlrechts ging, wurde mit den abstrusesten Argumenten dagegen angekämpft. Ich empfehle Ihnen den Klassiker „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir, in dem sie einen Teil dieser Argumente wiedergibt. Es hieß, die Frau würde ihren Charme verlieren, wenn sie wähle. Sie beherrsche den Mann doch auch ohne Stimmzettel. Oder: Politische Diskussionen würden zu Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten führen. - Sehr originell, aber damals ernst gemeint auch das Argument: Die Hände von Frauen seien nicht bestimmt zum Falten von Stimmzetteln.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, die Zeiten ändern sich, und heute lachen wir über solche Argumente.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Wer lacht denn da?)

Sie und Ihre gleich eingefärbte Bundesregierung können sich entscheiden, ob Sie Fortschritt wollen oder ob Sie wollen, dass bald die nächste Generation über Ihre heutige Starrköpfigkeit und absurde Argumentation lacht.

(Beifall bei der LINKEN - Astrid Vo- ckert [CDU]: Die Frauen von heute denken ganz anders!)

Für die Linke jedenfalls ist klar: Wir wollen die Hälfte der Führungspositionen in Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft für Frauen. Darum wollen wir die Quote in allen diesen Bereichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt der Kollegin Konrath von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die stärkere Teilhabe von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft wird seit dem letzen Frühjahr mit hohem Interesse in Deutschland diskutiert. Dabei hat die Diskussion erheblich an Fahrt aufgenommen und zeigt erfreulicherweise Wirkung. Auf Bundes- und Europaebene wurden Initiativen gestartet, die Medien berichten ausführlich, und das Thema ist positiv besetzt.

So unterschiedlich die Ansätze auch sein mögen, sie verfolgen ein gemeinsames Ziel: mehr Frauen in Führungsverantwortung, bis in die Spitzenpositionen der Wirtschaft, zu bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)