Gerade der demografische Wandel und der in diesem Zusammenhang drohende Fachkräftemangel muss und wird als Chance genutzt werden. Die letzte Ausfahrt, die die Wirtschaft vor der gesetzlichen Quote nehmen sollte, ist erreicht. Die Wirtschaft sollte sie nicht im Schneckentempo nehmen, wie es bisher der Fall war - da gebe ich Ihnen recht -, sondern die Wirtschaft muss die Kurve schneller nehmen.
Wir werden in den nächsten Jahren sehr genau schauen, ob diese Transparenz gegeben ist und ob es zu Erfolgen kommt.
Planungsrecht einfacher, transparenter, schneller machen - Infrastrukturentscheidungen müssen nachvollziehbar sein - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/3335
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2010 war auch ein Jahr des Bürgerprotests. „Wutbürger“ ist bekanntermaßen zum Wort des Jahres gekürt worden.
Tatsache ist: Unsere Lebenswirklichkeit ist immer komplexer geworden. Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit den Fehler gemacht, dass wir darauf mit immer komplexeren Planungsverfahren
Das Ergebnis sind aber Planungsverfahren, die die Menschen heute kaum noch nachvollziehen können. Das gilt für die Verfahren selbst genauso wie für ihre Länge. Das beste Beispiel dafür aus dem letzten Jahr ist Stuttgart 21. Die Machbarkeitsstudie für Stuttgart 21 ist 1994 in Auftrag gegeben worden. Wer damals ein Jahr alt war, darf bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden März zum ersten Mal wählen, meine Damen und Herren. Deshalb meine ich, dass solche Verfahren in Deutschland schlicht und einfach zu lange dauern.
Der Widerstand der Menschen richtet sich oftmals nicht gegen die Projekte selbst. Aber die Menschen wollen wissen, wie es zu einer Entscheidung gekommen ist und zu welchem Zeitpunkt sie sich einbringen und tatsächlich Einfluss nehmen können.
Die Politik hat in der Vergangenheit oft den Fehler gemacht, dabei nicht den einzelnen Bürger im Fokus zu haben, sondern eher in Verbandsstrukturen zu denken. Die Hoffnung, dass die Akzeptanz von Projekten mit der Einführung des generellen Verbandsklagerechts erhöht wird, ist am Ende jäh enttäuscht worden. Wir brauchen kein Klagerecht für Verbände, die selbst von einem Vorhaben überhaupt nicht betroffen sind. Wir brauchen stattdessen klar definierte und nachvollziehbare Einflussmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger.
Ich sage das auch im niedersächsischen Interesse. Der wirtschaftliche Erfolg in der Zukunft, also unser Wohlstand und der unserer Kinder, hängt entscheidend von einer modernen Infrastruktur ab. Die Investitionen in die Infrastruktur heute sichern die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Niedersachsens in der Zukunft. Das muss sich auch jeder Politiker vor Augen führen, meine Damen und Herren, der aus reinem Populismus gegen ein Projekt ist. Der Ausbau der Infrastruktur ist genauso eine Frage der Generationengerechtigkeit wie der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.
Gerade im Hinblick auf Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben bin ich deshalb der festen Überzeugung, dass nur einfache und kurze Ver
fahren am Ende auch transparent sein können. Nur auf transparente Verfahren kann der Bürger Einfluss nehmen. Ich glaube, dann sind Bürger auch bereit, Entscheidungen zu akzeptieren, die zwar mehrheitlich gewollt sind, aber möglicherweise nicht in ihrem eigenen Interesse liegen.
Erstens ist es für mich unbegreiflich, dass es in vielen Verfahren immer noch Doppelprüfungen gibt, beispielsweise bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. In ihrem Zuge werden Prüfungen durchgeführt, die genauso schon vorher im Raumordnungsverfahren gelaufen sind. Das verlängert die Verfahren ohne jeden Mehrwert. Solche Doppelstrukturen müssen gerade im Interesse der Akzeptanz abgebaut werden, meine Damen und Herren.
Zweitens sollten wir verstärkt auch Mediationsverfahren nutzen und diese am Ende auch gesetzlich verankern. Wenn bei Erörterungsterminen nur bereits bekannte Schriftsätze verlesen werden, dann ist das auch vor dem Hintergrund des Interesses der Bürger blanke Zeitverschwendung. Wenn die Fronten festgefahren sind, sollte man lieber unverzüglich in eine konstruktive Schlichtung gehen.
Drittens brauchen wir auch eine neue Offenheit vor allem am Anfang der Verfahren. Bisher werden oftmals - Sie kennen das wahrscheinlich aus den Kommunen - wichtige Informationen in Schriftgröße 4 pt in der Zeitung unter der Rubrik „Amtliche Mitteilungen“ regelrecht versteckt. Stattdessen, meine Damen und Herren, müssen die wichtigen Informationen heutzutage vor allem auch im Internet zugänglich sein. Nicht der Bürger nimmt auf dem Amt mühsam Einsicht in die Informationen, sondern der Staat macht alles bequem online zugänglich. E-Governance ist aus meiner Sicht an dieser Stelle ein vielversprechendes Wort. Ich bin der Landesregierung ausdrücklich dankbar, dass sie auf diesem Sektor bereits aktiv ist.
Dass dies im Vorfeld funktionieren kann, hat der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander bei der Ausweisung von FFH-Gebieten hervorragend deutlich gemacht. Er hat die betrof
fenen Bürger - und nicht die Verbände - im Vorfeld informiert. Ich glaube, das ist in Zukunft bei allen Projekten dringend notwendig.
Ich will zum Schluss noch einen Punkt ansprechen, weil die Grünen einige Anträge im Plenum eingebracht haben, bei denen es um mehr direkte Demokratie geht. Ich sage Ihnen: Es ist ausdrücklich die Aufgabe von Parlamenten, dieses Problem zu lösen.
Ich will deshalb zu den Vorschlägen der Grünen nur sagen: Wer bei Volksentscheiden sagt, 0 % als Beteiligungsquorum reiche aus, sich aber bei Landtagswahlen darüber mokiert, dass nur 65 % der Wählerinnen und Wähler zur Wahl gehen, was nicht ausreiche, dem muss gesagt werden, dass das nicht zusammenpasst.
Meine Damen und Herren, wir brauchen hier keine Scheinlösung, sondern ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Planungsverfahren selbst angehen müssen: Schnell und bürgernah sind am Ende kein Widerspruch. Die Politik darf sich genau darum nicht drücken.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht an Ihren Worten, Herr Kollege Dürr, sondern besonders an Ihren Taten messen wir und auch die Menschen im Land Ihre Politik. Dazu muss hier festgehalten werden, dass es nach inzwischen acht Jahren liberaler Regierungsbeteiligung in Niedersachsen außer der bürgerfreundlichen Zulassung von bunten Taxis und der fünfjährigen Verfallsfrist von Gesetzen, von der Sie inzwischen manchmal selbst überrascht werden, wenig in Sachen Bürgerbeteiligung passiert ist.
Im Wesentlichen haben Sie sich nämlich im Beschneiden von Beteiligungsrechten und im Erschweren der Mitwirkung organisierter Bürgerinnen und Bürger an Planungsverfahren engagiert.
Das, Herr Dürr, ist die Doppelmoral, die zum Glaubwürdigkeitsverlust der Politik und zur Verdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger führt.
Wer, wenn nicht Ihr Umweltminister, ist es denn gewesen, der den ehrenamtlichen Umweltverbänden die ohnehin geringe staatliche Mitfinanzierung für die Erstellung qualifizierter Stellungnahmen in Planungsverfahren gestrichen hat?
Ihnen kann es doch gar nicht schnell genug gehen! Am schnellsten geht es ohne Bürger - genauso meinen Sie das.
Ist es nicht Ihr Wirtschaftsminister, dem das Landesamt für Bergbau untersteht, das noch immer ohne Bürgerbeteiligungen Genehmigungen für Gasbohrungen im gefährlichen Fracing-Verfahren hier in Niedersachsen erteilt? Wo sind denn da die hohen Ansprüche, die Sie gerade formuliert haben? - Da zocken Sie einfach durch!
Aktuell legt die von Ihnen mitgetragene Regierung ein neues Landes-Raumordnungsprogramm vor - quasi die Mutter aller Planungsverfahren -, in dem sie ohne Rücksicht, ohne Rücksprache mit den Kommunen und ohne Berücksichtigung der regionalen Raumordnungsprogramme 1 : 1 die Wünsche der Rohstoffindustrie mit der Ausweisung von mehr als 5 000 ha neuer Abbaugebiete durchdrücken will. So sieht Ihr Verständnis von Bürgerbeteiligung aus!
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Die Bür- gerbeteiligung läuft doch! Sie wollen immer die Verbände beteiligen!)
Die Liberalen in Niedersachsen, Herr Dürr, stehen damit nicht für mehr Offenheit und Beteiligung im Planungsbereich - jedenfalls nicht, solange sie kritisch sein könnte -, sondern für das Gegenteil.
Ihre recycelte Rede vom FDP-Neujahrsempfang klingt zunächst bürgernah. Aber hier müssen Sie sich auch den Spiegel vorhalten lassen, was Ihre liberale Politik in der Praxis in Niedersachsen tatsächlich bedeutet. Einfacher und schneller - ja, aber auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger! Transparenz, die Sie meinen, ist allenfalls Transparenz beim Durchzocken.