Wir wollen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen stärken. Hierzu gehören verbesserte Möglichkeiten zur Erlangung der Allgemeinverbindlichkeit sowie Verbesserungen im Streikrecht.
Meine Damen und Herren, wir wollen die definitive Klarstellung, dass auch ein politischer Streik in Deutschland legal ist.
Die Linke wendet sich aber gegen Bestrebungen, durch Eingriffe in das Tarifvertragsrecht die Tarifeinheit in den Betrieben wiederherstellen zu wollen. Daher lehnen wir den Antrag der SPD ab.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die heutige Ablehnung des SPD-Antrags bedeutet kein Ende der Diskussion. Die SPD wollte im Ausschuss etwas verfrüht abstimmen. Besser wäre es gewesen, die Antragsberatungen fortzusetzen - unter Einbeziehung der Diskussionen auf Bundes- und Landesebene.
Beim hochkarätigen Kolloquium „Tarifeinheit und Koalitionsfreiheit“ des BMAS am 7. September letzten Jahres haben uns Vertreter aus den Reihen von Tarifpartnern, Rechtsprechung und Wissenschaft erneut die vielfältige Problematik vor Augen geführt.
Vielmehr müssen wir alle das Ganze richtig zusammenkriegen. Hier geht es nun wirklich um einen fundamentalen Interessengegensatz.
Die einen sprechen von einem verfassungswidrigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Spartengewerkschaften. Es geht in der Tat darum, ob die noch etwas machen können. Da müssten Sie schon etwas genauer sein.
Auf der anderen Seite gibt es die Position, dass es nicht um einen Eingriff in die Tarifautonomie geht, sondern um die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Tarifautonomie im Rahmen der Prognose- und Einschätzungsmöglichkeiten des Gesetzgebers.
Das sagen die Befürworter der Tarifeinheit per Gesetz. Dieser Auffassung ist auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier.
Über den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ können wir noch vergleichsweise leicht Einigkeit erzielen. Dann kann es aber nicht hingenommen werden, dass die Tarifeinheit nicht geregelt wird; denn das führt bei der Tarifpluralität zur Spaltung der Belegschaft. Sie wird dann nämlich unterschiedlich bezahlt, obwohl sie im selben Betrieb die gleiche Arbeit leistet. Außerdem hat so etwas für den Arbeitgeber einen merklich höheren bürokratischen Mehraufwand zur Folge. Das sind nun einmal gute Gründe für die, wie wir gerade gehört haben, von BDA und DGB erhobene Forderung nach einer gesetzlichen Regelung des Grundsatzes der Tarifeinheit.
Kollege Schminke, es gibt aber die Kritik, dass die Spartengewerkschaften, die einen Tarifabschluss haben wollen, dann auf einmal vom Willen der Mehrheitsgewerkschaft und des Arbeitgebers abhängen. Weil ihre Tarifverträge dann möglicherweise nicht mehr wirksam sind, ist die Frage, wer bei ihnen überhaupt noch Mitglied sein will.
Hier kommt nun wieder das Kolloquium „Tarifeinheit und Koalitionsfreiheit“ ins Spiel. Dort hat man sich auch mit möglichen Alternativen beschäftigt, die aber wiederum neue Probleme erzeugen. Das gilt etwa für die zeitliche Koordination von Tarifverhandlungen sowie für mögliche Kooperationspflichten zwischen den beteiligten Gewerkschaften.
Insgesamt können wir sagen, dass die Zeit zur Entscheidung noch nicht gekommen ist. Im BMAS und in der interministeriellen Arbeitsgemeinschaft
auf der Ebene der Bundesregierung rauchen die Köpfe nach wie vor. Jetzt geht es darum, eine Lösung zu finden. Das werden wir auch tun.
Für die CDU-Fraktion gilt das, was wir schon im September-Plenum gesagt haben, nämlich die eigene Meinung, dass sich der Grundsatz der Tarifeinheit nach den Erfahrungen der Vergangenheit vielfältig bewährt hat und nicht überholt ist, sondern ein wirksames Instrument sein kann, um betriebsgefährdende Streiks kleiner Gruppen und Funktionseliten zu verhindern.
Die Ordnungs- und Schutzfunktion ist von größter Bedeutung. Wenn erst einmal ein Tarifvertrag geschlossen ist, kann er Schutz vor Arbeitskämpfen bieten.
Deshalb stehen wir der Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Sicherung der Tarifeinheit, möglichst unterhalb der Schwelle einer Änderung des Grundgesetzes, sehr positiv gegenüber. Übrigens hat sich unser Ministerpräsident David McAllister beim Neujahrsauftakt der Industrie- und Handelskammer am 10. Januar dieses Jahres ausdrücklich dafür ausgesprochen, so vorzugehen.
Dabei müssen wir natürlich dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und die Arbeitsfähigkeit kleiner Gewerkschaften beachten. Das wollen wir einbeziehen. Das ist auch das, was Kollegen anderer Fraktionen sagen.
Auf dieser Basis wollen wir eine Absicherung der Tarifeinheit erreichen. Das lohnt höchste Anstrengungen. Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, die Lebensverhältnisse im Sinne des sozialen Friedens vorausschauend zu ordnen und nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und schwere Konfliktlagen entstanden sind.
In diesem Zusammenhang plädieren wir außerdem dafür, dass die Tarifautonomie in Zukunft gestärkt wird, und zwar durch eine Verbesserung des Organisationsgrades aufseiten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, dass der Trend zur Tarifflucht umgekehrt wird und dass sich wieder mehr Arbeitgeber in Arbeitgeberverbänden mit Tarifbindung zusammenfinden und dass sich umgekehrt auch Arbeitnehmer wieder verstärkt als Gewerkschaftsmitglieder anmelden.
Wir wollen gern nach einer gemeinsamen Lösung suchen und fordern dazu auch den Kollegen Schminke auf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion behandelt ja ein sehr wichtiges und mit sehr hoher Aufmerksamkeit verfolgtes Thema, das aber auf Bundesebene entschieden wird. Dort ersucht uns die SPD ja, dass wir uns gemeinsam klar hinter die Position von Arbeitgeberverbänden und Einheitsgewerkschaften stellen, wie Herr Schminke es gerade ausgeführt hat.
Ich glaube aber, dass die sehr zahlreichen Bedenken, die Ihnen heute von den Linken bis hin zu CDU und FDP vorgetragen worden sind, auch Sie nachdenklich stimmen sollten; denn es ist ja nicht so, wie Sie es uns hier dargestellt haben, dass nämlich die Spartengewerkschaften von Ihrem Antrag nicht betroffen sind. Gerade die jedoch wären die Leidtragenden und hätten keine Koalitionsfreiheit mehr.
Ich glaube, wir können das Problem, das uns das Bundesarbeitsgericht vor die Füße gekippt hat, nicht dadurch lösen, dass wir das Kind mit dem Bad ausschütten und auf der einen Seite die Einheitsgewerkschaften noch stärker stützen, auf der anderen Seite aber die Vielfalt der Spartengewerkschaften, die meiner Meinung nach zu einer lebendigen Demokratie auf Arbeitnehmerseite mit dazugehören, auf diese Art und Weise über die Klinge springen lassen. Das ist mit Bündnis 90/Die Grünen nicht zu machen und, wie ich es verstanden habe, außer mit der SPD auch nicht mit allen anderen Fraktionen hier im Hause.
Ich muss auch Sie darauf verweisen, Herr Schminke: Der Rechtsstreit ist im Augenblick noch immer im Gange. Rupert Scholz gibt Ihnen ja recht und sagt: Aufgrund dieses Urteils muss entsprechend gehandelt werden. - Er ist ein versierter Jurist.
Wollen Sie bezweifeln, dass die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes, Ingrid Schmidt, die das bezweifelt und genau das Gegenteil behauptet, eine schlechtere Juristin wäre oder die deutsche Verfassung und das Arbeitsrecht weniger differenziert begriffen hätte? - Ich glaube, nicht.
Wir müssen an dieser Stelle tatsächlich ein wenig darauf setzen, dass die Beratungen, die auf Bundesebene mit Anhörungen nach wie vor laufen, tatsächlich ein so differenziertes Ergebnis hervorbringen, dass wir einerseits dem durch das Bundesarbeitsgericht neu geschaffenen Rechtstatbestand, andererseits aber auch der Koalitionsfreiheit, die ebenfalls Verfassungsrang hat, gerecht werden können. Das ist unser Interesse. Würden wir Ihrem Antrag heute zustimmen, würden wir das nicht tun. Dann wäre dieser eine Weg der Koalitionsfreiheit abgeschnitten. Deshalb können wir das heute nicht in diesem Sinne beschließen.
Wir Grünen sind aktuell der Meinung, dass es einer gesetzlichen Neuregelung im Sinne Ihres Antrags nicht bedarf. Wir müssen die Lage aber dennoch auch weiterhin sehr differenziert beobachten. Wenn sich zeigen sollte, dass uns die Splittergewerkschaften ebenso wie die christlichen Gewerkschaften - was Sie in Ihrem Beitrag ja befürchtet haben - das Tarifsystem in den Betrieben von hinten aufrollen mit der Folge, dass wir in den Betrieben in Zukunft mit unterschiedlichen Tarifen leben müssten, dann sind wir dabei. Dann müssen wir im großen Dialog einen Weg finden, wie wir das eine machen können, ohne das andere zu lassen.
Im Augenblick sollten wir nicht schon in dieser Form wichtige Errungenschaften der Arbeiterbewegung in Deutschland auf den Müllhaufen der Geschichte kippen. Das jedoch würde Ihr Antrag verursachen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/2767 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Ausschussempfehlung wurde gefolgt.
Ich rufe jetzt den nächsten und für heute vorletzten Tagesordnungspunkt, den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Abschließende Beratung: Kompensations- und Grünflächen zum Wohle der Bienen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/3217 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz - Drs. 16/3298