Protokoll der Sitzung vom 16.02.2011

Ich kann es nachvollziehen, wenn die Leiterin einer Einrichtung wie dem nifbe sagt, dass sie gerne noch weitere Fortbildungsprogramme bei sich andocken würde. Ich kenne keinen Leiter einer entsprechenden Einrichtung, der etwas dagegen hätte, dass ihre Einrichtungen wachsen und größer werden und dass sie zusätzliche Aufträge bekommen. Aber die Grundintention des nifbe war in der Tat der Bereich der Forschung und auch die Fra

ge, wie diese Dinge in die Einrichtungen gebracht werden können.

Die Durchführung von Fortbildungsprogrammen ist vorrangig Aufgabe der entsprechenden Träger und nicht einer Landeseinrichtung, auch wenn wir in den Ausschussberatungen deutlich erfahren haben, dass das Land hier eine Unterstützung gibt, auch für die Träger der Jugendhilfe, wenn es darum geht, Fortbildungen zu organisieren bzw. gewisse Schwerpunkte zu setzen.

Von daher kann man sagen: Die Kommunen können sich bereits auf den Weg machen, Familienzentren zu werden. Sie bekommen dann eine entsprechende Unterstützung des Landes. Darüber hinaus haben wir für die Vernetzung der sozialen Strukturen in einer Stadt das Instrument der Familienservicebüros geschaffen. Somit lässt sich insgesamt sagen, dass das Land Niedersachsen hier sehr gut aufgestellt ist und dass wir solche Anträge in der Tat nicht brauchen, sondern eher tatkräftige Kommunen, die bereit sind zu investieren.

In dem Antrag ist deutlich ausgeführt, dass die 20 % Kosten 8 bis 12 Millionen Euro ausmachen. Aber Sie müssen dann auch die ganze Wahrheit sagen, nämlich dass die Kommunen noch mit vier Fünfteln in Vorleistung gehen müssen, also mit bis zu 48 Millionen Euro. Sie müssen ferner sagen, dass sich die Kommunen meistens bis zu 25 % durch Elternbeiträge davon zurückholen und dass Sie die Eltern in Niedersachsen am Ende des Tages mit 12 Millionen Euro belasten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächster hat sich Herr Brammer für die SPDFraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Brammer.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, unsere Kindertagesstätten zu Familienzentren weiterzuentwickeln. Auch bei diesem Antrag handelt es sich wieder einmal um eine Erinnerung in Richtung der Regierungsfraktionen von FDP und CDU, endlich zu handeln.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bereits im April 2005 hatte sich die SPD-Landtagsfraktion mit diesem Thema beschäftigt: „Die SPD-Abgeordneten aus Niedersachsen spüren neuen Wegen der Vorschulförderung nach“ - so in der HAZ in Hannover.

Im Mai 2005 hat der Kollege Jüttner erklärt: „Der frühkindliche Bereich muss gestärkt werden. Dort fallen die Entscheidungen über Schul- und Berufschancen.“

(Astrid Vockert [CDU]: Spät, aber er hat es begriffen!)

- Auf das „spät“ komme ich gleich noch, Frau Vockert.

Er sagte weiter: „In Deutschland gibt es einen engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und dem Bildungsweg.“

Wir stellen fest: Daran hat sich bis heute nichts geändert.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei uns entscheidet nach wie vor die Geldbörse der Eltern über die Zukunft der Kinder. Das ist ein unerträglicher Zustand!

(Zustimmung bei der SPD)

Deutschland ist im europäischen Vergleich im Bereich frühkindliche Bildung von anderen Staaten zwischenzeitlich weit abgeschlagen. Niedersachsen ist Schlusslicht.

In jeder Debatte, die wir darüber führen, kommt von der rechten Seite des Hauses inhaltlich nicht viel. Sie nutzen Ihre Redezeit regelmäßig, um immer erst einmal darauf hinzuweisen, was Sie alles im Bereich der frühkindlichen Bildung gemacht haben. Dabei scheuen Sie sich nicht, die Fördermaßnahmen des Bundes mit den bescheidenen Landesmitteln zusammenzurechnen und dann als Leistung dieser Landesregierung zu verkaufen. Herr Försterling hat uns gerade ein Beispiel geliefert, als er von den 43 % gesprochen hat. Dazu ist festzustellen: Bevor Sie auf 100 % kommen, die verteilt werden, ziehen Sie 25 % Elternbeitrag ab. Die sind da nicht darin. Darauf weise ich noch einmal hin.

(Björn Försterling [FDP]: Das ist doch nicht richtig! Gucken Sie sich die Ver- einbarung doch einmal an!)

Frau Vockert erklärt uns jedes Mal, dass diese Landesregierung das nifbe geschaffen hat, um

u. a. über Projektbetreuung zu neuen Erkenntnissen in der frühkindlichen Bildung zu kommen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Recht hat sie!)

Diese Erkenntnisse sollen dann zu entsprechenden Impulsen in der Politik für frühkindliche Bildung führen. Es bleibt dann allerdings die Frage: Nehmen Sie diese Impulse auch wirklich ernst?

Ich möchte - das hat Frau Staudte eben auch schon getan - auf einen dieser Impulse hinweisen. Für Montag dieser Woche hatte das nifbe zu einer Tagung mit dem Thema „Von der Kita zum Familienzentrum“ eingeladen. Das ist genau das Thema, das wir hier gerade behandeln. Anwesend waren über 300 Fachkräfte aus Einrichtungen in ganz Niedersachsen. Wir haben uns mit vier SPDAbgeordneten die Vorträge zu diesem Thema angehört. In den Grußworten kam zum Ausdruck, dass man mit Freude das Interesse von niedersächsischen Landtagsabgeordneten zur Kenntnis genommen hat. Sehr deutlich wurde aber auch der Wunsch danach, dass dieses Thema jetzt auch politisch angeschoben wird, zumal es heute auf der Tagesordnung steht. Auch das hat Frau Staudte eben schon erwähnt.

Meine Damen und Herren von FDP und CDU, das nifbe ist Ihnen beim Thema Familienzentrum in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Hannover weit voraus.

(Zustimmung bei der SPD - Karl- Heinz Klare [CDU]: Das nifbe haben wir eingerichtet, da wussten Sie noch gar nicht, dass es so etwas gab!)

- Herr Klare, Sie können sich gleich zu einer Kurzintervention melden. - Wenn Sie es mit dem nifbe wirklich ernst meinen, Herr Klare, dann lassen Sie uns heute den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen von der Tagesordnung nehmen und an den Ausschuss zurücküberweisen verbunden mit dem Auftrag, dass wir uns im Ausschuss einmal ernsthaft damit befassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das wäre auch ein Stück Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung. Ansonsten brauchen Sie zukünftig nicht mehr zu versuchen, uns die Schaffung des nifbe als Errungenschaft zu verkaufen.

(Beifall bei der SPD)

Oder ist das nifbe vielleicht dazu da, mit Veranstaltungen wie der am Montag das Thema über die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Fläche zu tragen, damit dann die Kommunen vor Ort unter Druck geraten, z. B. Familienzentren auf eigene Kosten und ohne Landesbeteiligung einrichten zu müssen? Mit anderen Worten: Hier wird dann wieder einmal Konnexität elegant ausgehebelt. Meine Damen und Herren, das sind dann bei den Kommunen freiwillige Leistungen. Die sind überhaupt nicht abgesichert. Sie können im Zweifelsfall von der jeweiligen Kommunalaufsicht kassiert werden.

(Zustimmung von Frauke Heiligen- stadt [SPD])

Das bedeutet, nur reiche Kommunen könnten sich diese Familienzentren leisten. Die ärmeren Kommunen, die es unter Umständen bitter nötig haben, gehen dann wieder einmal leer aus.

(Beifall bei der SPD)

Manchmal haben gerade diese Kommunen Familienzentren nötig.

Im vorliegenden Antrag geht es auch um die Ausweitung von Stunden und damit um vernünftige Arbeitsbedingungen. Es kann nicht angehen, dass die Arbeit in Familienzentren, wie auch schon die Aufgaben aus dem Orientierungsplan, ohne zusätzliche Stunden zu leisten sind. Das geht dann wieder einmal auf die Knochen der Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen und damit letztendlich zulasten der Familien.

(Zustimmung bei der SPD)

Hier steht das Land in der Verantwortung. Ich fordere Sie noch einmal auf: Geben Sie diesen Antrag zurück in den Ausschuss! Sonst verlieren Sie hier Ihre Glaubwürdigkeit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Vockert. Frau Vockert, Sie haben das Wort!

Herzlichen Dank, verehrter Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen uns seitens der CDU-Fraktion mit einer besonderen Schwerpunktsetzung immer wieder des Themas frühkind

liche Bildung, Entwicklung und Erziehung an. Wir haben das in vielen Bereichen deutlich gemacht. Das gilt insbesondere für die zahlreichen Aufzählungen, Herr Kollege Brammer, die Sie so gut im Kopf haben und die ich deshalb heute nicht wiederholen muss. Ich weise daher nur darauf hin, dass dieser Bereich während der Regierungszeit der SPD überhaupt nicht angefasst worden ist, während wir jetzt enorm viel gemacht haben. Insofern ist Ihr Vorwurf, Frau Kollegin Staudte, wir würden uns mit dieser Thematik nur in Reden auseinandersetzen, völlig daneben. Er trifft völlig ins Leere.

(Zustimmung bei der CDU)

Wissen Sie, warum? - Sie haben es gerade ebenso wie der Kollege Brammer noch einmal deutlich gemacht. Wer war es denn, der das nifbe, das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung, ins Leben gerufen hat? - Das war das Kultusministerium. Es war Herr Minister Althusmann in Kooperation mit dem nifbe, der vorgestern - nicht auf der Grundlage Ihres Antrages, sondern aufgrund der Erkenntnis seitens der CDU-Fraktion und der CDU/FDP-geführten Landesregierung - deutlich gemacht hat, wie wichtig das ist. Deswegen haben wir genau dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt.

Nun zu dem Kontext, da es hier im Großen und Ganzen um Elternarbeit geht. Die SPD und jetzt auch die Grünen verweisen vom Grundsatz her häufig auf Early Excellence Center und sehen das als Allheilmittel an. Das ist vor dem Hintergrund wichtig, Herr Kollege Biallas, dass Elternarbeit stattfindet. Das kommt aus England. In Berlin ist versucht worden, das umzusetzen. Man hat dort extreme Probleme gehabt; denn man hat festgestellt, dass man auch hier genau auf den Punkt eingehen muss, der von einer Abgeordneten bereits genannt worden ist, nämlich die Freiwilligkeit in der Elternarbeit. Die ist nicht immer ganz einfach gerade bei dem Potenzial zu gewinnen, welches wir gewinnen wollen. Angesichts dessen arbeiten wir auch daran, uns mit diesen Eltern auseinanderzusetzen.

Als der Kollege Möhrmann mich eben fragte, ob ich Herrn Kollegen Schnipkoweit erwähnen würde, habe ich gedacht: Das ist ein super sinnvoller Ansatz. Das, was in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen steht, wird umgesetzt. Damit brauchen wir uns gar nicht weiter auseinanderzusetzen. Das ist Schnee von vorgestern; es läuft schon. Aber warum beschäftigen wir uns eigentlich nicht - das fiel

mir gerade ein - mit der Idee von Hermann Schnipkoweit, der in Niedersachsen das Projekt Familienhebammen eingeführt hat? Wenn man darüber nachdenkt, wo das Projekt der Familienhebammen ansetzt, dann muss man sagen: Es setzt gerade bei denjenigen an, die schwer erreichbar sind.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)