Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Ihnen von der FDP kam das sogenannte RüffertUrteil des EuGH gelegen. Die FDP jubelte damals nämlich, so erinnern wir uns,

(Gabriela König [FDP]: Wir haben das nicht in Auftrag gegeben!)

nun könne man das Landesvergabegesetz gleich ganz abschaffen. Das war Ihre Haltung, Frau König, das wissen wir noch ganz genau.

Diese neokonservativen Ansichten haben Sie bis heute durchgetragen. Ihre Leihstimmengeberin, die CDU auf der anderen Seite, hat Sie aber ein bisschen ausgebremst. Darum gibt es das derzeit gültige Landesvergabegesetz überhaupt noch in der jetzigen Form. Aber es ist nur noch ein ausgehöhltes Rumpfgesetz, ein Gesetz ohne echte Wirkung, weil die CDU saft- und kraftlos die Zustände in unserem Land gar nicht mehr zur Kenntnis nimmt.

(Zuruf von Karl-Heinz Bley [CDU])

Exakt deshalb sind wir gefragt, die Dinge jetzt wieder ins richtige Lot zu rücken, Herr Bley.

Meine Damen und Herren, heute beraten wir einen Entwurf für ein anständiges Landesvergabegesetz ab dem 1. Januar 2014. Das neue Gesetz ist von dem Leitbild guter Arbeit geprägt. Unsere Definition für gute Arbeit können Sie übrigens in der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün nachlesen. Damit verbinden wir - nicht nur, aber auch - Tariftreue, die Einbeziehung sozialer und umweltbezogener Belange, Fairnessregeln, die im öffentlichen Beschaffungswesen zu berücksichtigen sind.

Bereits in der Vergangenheit hatten wir unsere Vorschläge mit allen relevanten Partnern im Vorfeld dialogorientiert erarbeitet. Exakt an diesem Arbeitsstil, meine Damen und Herren, werden wir auch zukünftig festhalten. Am 7. Mai haben wir deshalb erneut Anregungen der sachkundigen Partner - Gewerkschaften, Verbände und Kammern - entgegengenommen und bereits in diesen Gesetzentwurf einfließen lassen.

Meine Damen und Herren, der Leitfaden und die Zielsetzung dieses Gesetzes sind klar umrissen. Wir wollen Lohndumping und Wettbewerbsverzerrung verhindern. Wir wollen die sozialen Sicherungssysteme schonen und durch die Vergabe von Aufträgen zu Tariflöhnen die Kaufkraft bei Arbeitnehmern stärken. Kaufkraft ist die Voraussetzung für Umsatz und daraus resultierende Gewerbesteuereinnahmen für Städte und Kommunen, meine Damen und Herren. Diesen gesunden Kreislauf, von dem wir sprechen, brauchen wir wieder, um die schlimmsten Auswirkungen Ihrer Politik zu reparieren, meine Damen und Herren auf der Oppositionsbank.

Wir werden das Beschaffungswesen in das Gesetz aufnehmen, und wir werden es praxisorientiert, flexibel, verantwortungsbewusst und schlank - ergo auch ohne lange Durchführungsvorschriften - gestalten. Das neue Gesetz wird für alle öffentlichen Aufträge im Bereich der Liefer-, Bau- und Dienstleistungen einschließlich des ÖPNV gelten. Der neue Schwellenwert wird bei 10 000 Euro ohne Umsatzsteuer liegen.

Neben dem Land und den Kommunen werden auch die sonstigen öffentlichen Auftraggeber inklusive der Unternehmen, die auf dem Gebiet der Trinkwasser- und Energieversorgung oder des Verkehrs tätig sind, Adressaten sein. Für Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten VOB- und VOL-Bestimmungen weiter.

Meine Damen und Herren, Tariftreue und Mindestentgelte sind uns heilig. Darum müssen die repräsentativen Tarifverträge und das Entsendegesetz

zwingend eingehalten werden. Als Lohnuntergrenze haben wir zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen das Zauberwort „Mindestlohn“ mit einem Mindestentgelt von 8,50 Euro je Stunde brutto eingesetzt. Dieser Einstieg bei 8,50 Euro gilt für alle außer Azubis.

Die Servicestelle - auch eine Servicestelle ist vorgesehen - gibt insbesondere in der Anfangsphase bei Rückfragen Hilfen und Auskünfte. Wir stellen ferner sicher, dass mittelständische Interessen besonders berücksichtigt werden, meine Damen und Herren, und kleine und mittelständische Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen durch die Bildung von Teil- und Fachlosen zum Zuge kommen können. Generalunternehmervergaben sollen deshalb begründungspflichtige Ausnahme bleiben. Auch dafür ernten wir bereits heute großen Zuspruch bei den Sachkundigen.

Meine Damen und Herren, zum Thema „Umweltfreundliche Beschaffung und Sozialkriterien“ wird meine Kollegin Maaret Westphely noch Ausführungen machen.

Ich gehe jetzt gerne noch einmal auf die wichtige Kontrollfunktion des Gesetzes ein. Ohne Kontrollen lässt sich kein Gesetz umsetzen. Darum fordern wir, genauso wie die Handwerkskammern, Herr Bley, die Gewerkschaften und öffentlichen Auftraggeber im ureigensten Interesse auf, die Einhaltung von Tariftreue und Mindestentgelten zu überprüfen. Dazu gibt es Einsichtsrechte und Kalkulations- und Lohnunterlagen beim Auftragnehmer.

Auch die Hauptzollämter können und sollen für Überprüfungen eingesetzt werden, sofern sich Anhaltspunkte für Verstöße ergeben. Dafür sind sie auch da. Festgestellte Verstöße müssen zur Abschreckung für alle anderen Mitanbieter durch empfindliche Vertragsstrafen, je nach der Schwere der Vergehen, sanktioniert werden. Hier werden Geldstrafen bis zu 10 % des Auftragswertes und Ausschlüsse von weiteren Vergaben bis zu drei Jahre möglich.

Diese Regeln gelten für beauftragte Unternehmen, aber sie gelten auch für Nachunternehmen. Insofern besteht eine Durchgriffshaftung auf den Hauptunternehmer.

Übrigens: Vertragsstrafen kommen auch den öffentlichen Auftraggebern zugute. Vielleicht ist das ein bisschen Anreiz, endlich mehr Kontrollen durchzuführen; denn bisher fehlte es an diesen Kontrollen.

Meine Damen und Herren, jedes Gesetz hat natürlich Kosten zur Folge, so auch dieses Vergabegesetz. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die positiven Wirkungen des Gesetzes etwaige Kostenerhöhungen ausgleichen werden. Denn es wird auch Einsparungen auf der anderen Seite bei sozialen Sicherungssystemen und zusätzliche Mehreinnahmen geben; denn mehr Kaufkraft bei den Arbeitnehmern und eine höhere Auslastung bei den Betrieben steigern bekanntlich auch die Steuerkraft bei den Kommunen.

Trotzdem: Über einen Konnexitätsausgleich gemäß Artikel 57 der Niedersächsischen Verfassung ist mit den kommunalen Spitzenverbänden zu reden und zu verhandeln; gegebenenfalls muss es auch Ausgleichszahlungen geben. Aber das kann erst dann geprüft werden, wenn wir verlässliches Datenmaterial haben.

Meine Damen und Herren, wir gehen mit diesem Gesetz in die Beratung, und wir laden Sie herzlich ein - damit meine ich wirklich alle -, diese Beratung konstruktiv, Frau König, zu begleiten.

(Gabriela König [FDP]: Was sonst?)

Wir brauchen endlich saubere Verhältnisse bei den Vergaben. Es verbietet sich, ausgerechnet denjenigen mit Aufträgen zu versorgen, der nur billiger anbietet, weil er seine Leute um den ihnen eigentlich zustehenden Tariflohn betrügt. Das wollen wir nicht mehr. Das muss verhindert werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit muss endlich Schluss sein. Aus, basta, finito, Herr Bley, zu solchen Zeiten wollen wir nicht wieder zurück.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Die gab es auch nicht!)

Ich sage hier ganz selbstbewusst: Auch nach der tiefsten Nacht wird die rote Sonne wieder aufgehen.

(Heiterkeit bei der SPD und Lachen bei der CDU)

In diesem Sinne: Alles Gute bei der Beratung! Wir werden es euch dann schon zeigen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schminke. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Bley das Wort. Bitte schön!

(Norbert Böhlke [CDU]: Die Sonne geht auf!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zu Herrn Schminke: Mit Sicherheit haben Sie die Wahl nicht wegen des Landesvergabegesetzes gewonnen. Gewonnen haben Sie die Wahl, weil Sie viele Versprechungen gemacht haben, die Sie kaum an irgendeiner Stelle einhalten können und werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Landesvergabegesetz beschäftigt uns seit meiner zehneinhalbjährigen Landtagsarbeit jetzt schon zum vierten Mal. Das Rüffert-Urteil hat uns damals dazu bewegt, tatsächlich ein neues Landesvergabegesetz zu schreiben, um die Tariftreue wieder ins richtige Lot zu bringen. Arbeitnehmerschutz war und ist uns wichtig. Wir, die CDU-FDP-Fraktionen, haben alle Möglichkeiten genutzt und haben dieses Gesetz EU-tauglich und gerichtsfest geschaffen.

Beim neuen Landesvergabegesetz müssen wir bei aller Liebe zum Arbeitnehmerschutz, Wettbewerbsrecht und zur Wirtschaftsfreundlichkeit ein Gesetz schaffen, das anschließend auch gerichtsfest ist. Dass die Neuauflage des Landesvergabegesetzes ab 1. Januar 2014 kommen soll, halte ich aber auch für richtig.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen dient der Novellierung des Landesvergabegesetzes. Das Gesetz soll die Beschaffung der Liefer-, Bau- und Dienstleistungen regeln. Die Neuausrichtung beinhaltet auch, dass dieser Gesetzentwurf auf den ÖPNV ausgedehnt werden soll, ebenfalls sollen hier länderübergreifende öffentliche Aufträge geregelt werden. Der Gesetzentwurf enthält zahlreiche politische Vergabekriterien, die wir zu beleuchten haben. Eine Steigerung der Auftragssummen und eine Steigerung der Verwaltungskosten sage ich voraus.

Die Regierungsfraktionen gehen auch von einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand aus. Unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes wird wegen erhöhtem Beratungsbedarf der öffentlichen Auftraggeber eine Servicestelle beim zuständigen Ministerium

eingerichtet, so wie auch im Gesetzentwurf und von Herrn Schminke gerade dargestellt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird darauf hingewiesen, dass durch die Mehrkosten der Kommunen ein Konnexitäts-Folgeausgleich erforderlich ist. In der Begründung steht auch, dass das Mindestentgelt von 8,50 Euro einmal jährlich per Verordnung durch die Landesregierung angepasst werden kann.

Meine Damen und Herren, damit sind weiteren Kostensteigerungen Tür und Tor geöffnet. Der Geltungsbereich des Gesetzes bezieht sich in § 5 Abs. 3 in punkto Tariftreueregelung ausdrücklich auf öffentliche Dienstleistungsaufträge im Bereich ÖPNV auf Straßen und Schienen. Sogenannte InHuus-Vergaben an eigene kontrollierte Unternehmen unterliegen jedoch nicht dem Geltungsbereich des Gesetzes.

(Zurufe von der CDU: Jetzt snackt er platt!)

Meine Damen und Herren, das bedeutet, kommunale Unternehmen sind dem Geltungsbereich entzogen, während das Gesetz für private Unternehmen gelten soll. Eine solche Regelung ist mittelstandsfeindlich, weil sie zwingend mittelständische Unternehmen, die im privaten Bereich sind, von öffentlichen Aufträgen ausschließt, weil höhere Personalkosten vorausgesagt sind.

Meine Damen und Herren, den Fraktionen von SPD und Grünen möchte ich sagen: Es ist Augenwischerei, in § 10 eine formelle Mittelstandsförderung einzubauen, die faktisch keinen Anwendungsbereich hat.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Ihr habt es ja nicht gemacht!)

Das ist kein Gesetz zum Schutz der Wettbewerbsgleichheit, sondern ein Wettbewerbsverhinderungsgesetz, wenn es so bleibt, wie es jetzt vorliegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Voraussetzung eines pauschalen Entgeltes von mindestens 8,50 Euro in der Stunde in tariflich nicht geregelten Bereichen ist nicht gerechtfertigt und macht Vergaben unpraktikabel und bürokratisch. Positiv ist immerhin, dass auf einen Tarifvorrang geachtet werden soll.

Verknüpfungen mit umweltpolitischen Programmsätzen und ILO-Arbeitsnormen machen im Vergabegesetz wirklich keinen Sinn. Die meisten Vergabestellen des Landes und erst recht mittelständi

sche Unternehmen sind damit überfordert. Die Landesregierung sollte auf bundesweit einheitliche Schwellenwerte hinwirken. Das wäre ein Schritt nach vorne.

Im Gesetzentwurf wollen Sie auch das Ministerium ermächtigen, Auftragswerte so zu verändern, um die Beschleunigung und Vereinfachung der Vergabeverfahren bei der beschränkten und freihändigen Vergabe festzulegen. Ich kann sagen: Die bewährte und erfolgreiche CDU/FDP-Landesregierung hat hier beim Wertgrenzenerlass positive Weichen gestellt. Ich danke dafür. Die Konjunkturpakete konnten so schnell umgesetzt werden.