Protokoll der Sitzung vom 17.08.2016

Es ist nämlich nachweislich auch im großen Interesse der Kommunen, dass sie im Bereich der Landesaufnahmebehörde und der Erstaufnahmeeinrichtungen ausreichend Plätze zur Verfügung halten, damit bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Kommunen genügend Vorlaufzeit bleibt. Es ist also nicht im Interesse der Kommunen, wenn wir im Sinne des Antrages der Fraktion der CDU da jetzt einsparen; denn Prognosen im Bereich der zukünftigen Flüchtlingszahlen sind bekanntlich im Moment kaum möglich. Wir fahren - um Minister Schäuble zu zitieren - weiterhin auf Sicht.

Auch die zusätzlichen Mittel des Bundes für die Flüchtlingsintegration, die im Juli dieses Jahres vereinbart worden sind, tragen deutlich zur Entlastung der Kommunen bei. Es ist geplant, dass sie in ihrer Priorität dem Bereich der Sprachförderung zugutekommen. Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir das, was wir versprechen, halten werden.

Darüber hinaus hat der Ministerpräsident im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundesregierung erreicht, dass Niedersachsens Kommunen vom Bund ca. 500 Millionen Euro im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung durch eine höhere Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft erhalten. Der Einsatz der Landesregierung und vor allem des Ministerpräsidenten gegenüber dem Bund - von Ihnen an vielen Stellen kritisiert - hat sich also gelohnt. Damit konnten die Interessen der Kommunen erfolgreich vertreten werden -

im Übrigen gemeinsam mit den Ministerpräsidenten aller Parteien.

Das Thema Integration wird sich nicht in zwei bis drei Jahren erledigt haben. Darum ist es ebenfalls im Interesse des Landes und seiner Kommunen, wenn wir weiterhin darauf hinwirken, dass die Zusage des Bundes, sich auch nach 2018 an den Kosten für die Integration und Betreuung von Flüchtlingen zu beteiligen, sobald wie möglich konkretisiert wird. Integration ist und bleibt bekanntlich eine große Herausforderung für Bund, Länder und Kommunen und ist daher auch weiterhin von allen staatlichen Ebenen zu bewältigen. Die Haushaltsplanungen für 2016 befinden sich also in guter Kontinuität der erfolgreichen rotgrünen Finanzpolitik. Dafür sprechen die von mir angeführten Fakten.

Meine Damen und Herren von der CDU, vor einigen Tagen ist mir ein Kommunalwahlplakat Ihrer Partei aufgefallen

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Dann hat es seinen Zweck ja schon erfüllt!)

mit dem Slogan „Weniger versprechen - mehr halten“.

(Adrian Mohr [CDU]: Das ist schön, oder?)

Sie haben jetzt genauso wie die FDP die Gelegenheit, im Rahmen der weiteren Beratungen diesen Slogan in die Tat umzusetzen. Sollten Sie der Meinung sein, dass im Nachtragshaushalt für 2016 noch weitere finanzielle Spielräume sind, dann reicht es nicht aus, alles als unzureichend zu kritisieren und die bekannten Textbausteine zu wiederholen.

(Adrian Mohr [CDU]: Das habe ich ja nicht gemacht! Schade, dass die Re- de schon vorher geschrieben war!)

Wenn Sie finanzpolitisch wirklich ernstgenommen werden wollen, müssen Sie Ihre Vorschläge mit belastbaren Gegenfinanzierungsvorschlägen konkret belegen. Wir können es Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie inflationär weiterhin Konsolidierungsmaßnahmen fordern, sich aber bei jedem noch so kleinen Konsolidierungsvorschlag an die Spitze der Gegner dieser Vorschläge stellen. An Ihre zusätzlichen massiven Ausgabenwünsche ohne Gegenfinanzierungsvorschläge habe ich bereits in meiner früheren Rede erinnert. Sollten Ihnen konkrete belastbare Vorschläge nicht möglich sein, zeigt mir dies, dass Sie sich von den

haushaltspolitischen Herausforderungen der Realität verabschiedet haben und inzwischen in einer virtuellen Welt befinden.

Wenn Sie sich allerdings in einem konkreten Sinne an der kommenden Diskussion zum Nachtragshaushalt 2016 und zu dem darauf aufbauenden Finanzausgleichsgesetz beteiligen würden, würde ich mich darauf im Sinne einer konstruktiven Diskussion im Interesse unseres Landes freuen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Geuter. - Für die FDPFraktion erteile ich Herrn Abgeordnetem Christian Grascha das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie eben schon mehrmals gesagt, haben wir diesen Punkt im Prinzip schon bei der Einbringung des Nachtrags beraten. Nichtsdestotrotz geht es hier um den wichtigen Punkt des Vorziehens und der Erhöhung der Kostenabgeltungspauschale, den wir grundsätzlich befürworten, weil wir diese Forderung in diesem Haus seit mittlerweile anderthalb Jahren aufgestellt haben. Wie der Kollege Mohr gerade gesagt hat, ist in der Tat der Punkt, den wir im Juni diskutiert haben, seinerzeit noch in Bausch und Bogen nach dem Motto „Das geht alles nicht“ abgelehnt worden. Nicht nur bei der Gelegenheit, sondern vor allem auch bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2016 wurde immer darauf hingewiesen, das würde technisch gar nicht funktionieren.

Meine Damen und Herren, heute wissen wir, dass es technisch offensichtlich funktioniert; denn sonst würde die Landesregierung dies hier nicht beantragen. Deswegen müssen wir heute feststellen, dass es damals keine technischen Probleme gab, sondern dass es der fehlende Wille dieser Landesregierung war, den Kommunen zu helfen. Dieser Punkt wird jetzt Gott sei Dank korrigiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir werden im Laufe dieser Beratungen sicherlich den einen oder anderen Punkt diskutieren. Ich bin auf die Anhörung im Ausschuss zu diesem Gesetzesvorhaben gespannt. Wir werden auf jeden Fall zwei Themen im Auge behalten, nämlich zum einen beim Aufnahmegesetz das Thema Sprachför

derung, um da vielleicht eine größere Verbindlichkeit zu bewirken. Zum anderen stellt sich, ohne dass man sofort eine Spitzabrechnung fordern muss, die Frage, wie man mit den Kommunen umgeht, die oberhalb der Kostenpauschale von 10 000 Euro liegen. Auch das werden wir im Auge behalten.

Ich freue mich auf jeden Fall auf die Beratungen im Ausschuss. Wir werden dieses Gesetzesvorhaben wie jedes andere konstruktiv begleiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Belit Onay das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich zunächst, dass die Frage der Aufnahmepauschale, deren Erhöhung und der verkürzte Abrechnungszeitraum hier offensichtlich auf breite Unterstützung gestoßen sind. Das war aber auch nicht anders zu erwarten. Wir haben in den Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden im Innenausschuss genau diese beiden Wünsche - nach Erhöhung und nach Verkürzung des Abrechnungszeitraums - immer wieder gehört. Auch in diesen Gesprächen haben sich die Fraktionen in diesem Sinne geäußert.

Die Landesregierung hatte sich schon am 19. Oktober 2015 in genau diesen beiden Punkten mit den kommunalen Spitzenverbänden geeinigt, nämlich über eine Erhöhung ab 2016. Vorgesehen waren für 2016 zunächst 9 500 Euro, kommend von 6 195 Euro. Auch dieser Betrag kam erst nach einer Erhöhung um knapp 200 Euro zustande.

Gestatten Sie mir hierzu noch einen kleinen Exkurs: In der letzten Legislaturperiode hatten auch wir immer wieder gefordert, die Pro-Kopf-Pauschale zu erhöhen - leider vergeblich.

(Adrian Mohr [CDU]: 5 Milliarden Euro weniger Einnahmen! - Gegenruf von Renate Geuter [SPD]: Aber keine Flüchtlinge!)

Wir sind allerdings von diesen 9 500 Euro, die vorgesehen waren, schon jetzt auf 10 000 Euro gekommen, auch garantiert für 2017. Das hat der Finanzminister hier schon gesagt.

Hinzu kommen als Sonderzahlung 120 Millionen Euro aus eigenen Mitteln und Mitteln des Bundes. Zudem einigten sich das Land und die kommunalen Spitzenverbände im Herbst darauf, dass die Pauschale zu Beginn des Folgejahres gezahlt wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen - ich habe mich gerade noch einmal vergewissert -, dass beispielsweise die BAMF-Zahlen für das Jahr 2015 jetzt im Herbst vorliegen, sodass wir jetzt dieses zweite Jahr, das wir immer haben verstreichen lassen müssen - damals, als die Zahlen der Flüchtlinge im Sinkflug waren, geschah dies übrigens ohne Protest der kommunalen Spitzenverbände; jetzt, wo sie steigen, fallen die Ausgaben natürlich viel schwerer ins Gewicht - verkürzt haben, sodass man auf einen Abrechnungszeitraum von einem Jahr bzw. eineinviertel Jahren kommt - und nicht, wie vorher, auf einen Abrechnungszeitraum von zwei Jahren -, aufgefangen durch zusätzliche 120 oder 250 Millionen Euro, die das Land zahlt, um diese Lücke zu schließen. Ich hatte schon gesagt: Auch für das Jahr 2018 wird dieser Betrag in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden gewährleistet.

Eines möchte ich hier nicht unerwähnt lassen - die Zeit dafür habe ich noch -: Ich glaube, es ist für die kommunalen Spitzenverbände elementar, sich die weiteren Entlastungen genauer anzuschauen. Ich erinnere auch an die Beratungen im Innenausschuss, als uns die kommunalen Spitzenverbände deutlich gemacht haben, dass das Asylbewerberleistungsgesetz beispielsweise bei den Gesundheitskosten, die bei den Kommunen zu Buche schlagen, eine unfaire Verteilung zur Folge hat. Dem sollte man sich annehmen, am besten durch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Da hier aber auch im Raum steht, der Bund würde mehr machen als das Land und es würde hier ein Missverhältnis geben, möchte ich eine kurze Übersicht über die Geldströme inklusive des Nachtrags 2016 und des geplanten Doppelhaushalts 2017/2018 geben.

Nach aktuellem Stand belaufen sich die Ausgaben des Landes für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge in den Jahren 2016 bis 2018 auf rund 4,9 Milliarden Euro. Vom Bund erhält das Land in dieser Zeit rund 1,3 Milliarden Euro und damit weniger als ein Drittel dieses Betrages, meine sehr geehrten Damen und Herren. An die niedersächsischen Kommunen zahlt das

Land in diesem Zusammenhang über 2,5 Milliarden Euro. Insofern kann man hier ganz deutlich herausarbeiten, dass die Kommunen in vollem Maße Unterstützung durch das Land erhalten und weiterhin erhalten werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Weitere Wortmeldungen zu dieser ersten Beratung des Gesetzentwurfs liegen nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Es wird Ihnen empfohlen, federführend den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und mitberatend die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen sowie für Inneres und Sport damit zu befassen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist nach der Geschäftsordnung ausreichend unterstützt und wird so geschehen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und anderer Gesetze - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/6232 neu

Zur Einbringung hat das Wort Herr Innenminister Pistorius. Bitte schön, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erhält Niedersachsen ein besonders modernes Gefahrenabwehrrecht in Deutschland.

(Zuruf von der CDU: Oha!)

Wir schaffen auf der einen Seite spezifischere Befugnisse für die Polizei und bauen auf der anderen Seite rechtsstaatliche Sicherungen ein, die nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht in seinem BKA-Urteil gefordert hat. Der vorliegende Gesetzentwurf ist zudem eines der herausgehobenen gesetzgeberischen Ziele dieser Regierungskoalition für die laufende Wahlperiode.

Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird grundlegend mit dem Ziel novelliert, eine bürgernahe, transparente, effektive und qualifizierte Arbeit der Polizei und der Gefahrenabwehrbehörden in Niedersachsen auch in Zukunft sicherzustellen. Ich freue mich, dass es ohne entscheidenden zeitlichen Verzug gelungen ist, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamtsgesetz die dortigen Anforderungen - übrigens als erstes Bundesland und noch vor dem Bund - in ein Gefahrenabwehrgesetz einzuarbeiten.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Gesetz insbesondere auch den besonderen sicherheitspolitischen Anforderungen gerecht wird, die sich durch die Dynamik der letzten Monate und Jahre ergeben haben. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Vereinfachung des Austausches von Informationen und Erkenntnissen innerhalb der Europäischen Union und die neu in das Gesetz eingearbeitete Rechtsgrundlage für die Gefährderansprache zu nennen. Um das Ziel einer bürgernahen, transparenten und effektiven Arbeit der Polizei und der Gefahrenabwehrbehörden in Niedersachsen zu erreichen, sollen die nachfolgenden Änderungen im Gesetz umgesetzt werden.

Die bisher lediglich auf die Generalklausel gestützte Gefährderansprache erhält eine spezifische eigene Rechtsgrundlage. Die Maßnahme ist darauf angelegt, potenziellen Gefährdern und Verursachern im Vorfeld einer konkreten Gefahr klarzumachen, dass sie im Fokus der Sicherheitsbehörden stehen und die Polizei gegebenenfalls Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen wird. Das ist eine wirkungsvolle Möglichkeit, um frühzeitig auf Personen einzuwirken und sie von ihrem Tun abzubringen.

Gleiches gilt für die Meldeauflagen, die ebenfalls eine eigene Rechtsgrundlage erhalten. Dieses Instrument kann gezielt eingesetzt werden, um zu verhindern, dass Personen ausreisen, die an Kampfhandlungen in Krisengebieten teilnehmen wollen. Das ist ein effektiver Beitrag zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus.

Eine weitere wichtige Neuregelung erfolgt im Bereich der Wegweisung in Fällen häuslicher Gewalt. Es ist für die Landesregierung ein wichtiges Anliegen, diese Form der Gewalt, die für die Betroffenen unerträglich ist und mit schwerwiegenden Folgen verbunden sein kann, nicht aus den Augen zu verlieren.