Protokoll der Sitzung vom 17.08.2016

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Sie versündigen sich an der Infrastruktur bei uns in Deutschland!

Herr Ministerpräsident, es geht aber noch weiter mit der Verschiebung der Wahrnehmung. Zur Beschäftigung sagen Sie, in den letzten Jahren seien 450 000 neue Arbeitsplätze entstanden, und die Arbeitslosigkeit sei um 39 % zurückgegangen. Aber dabei verschweigen Sie, dass das die Zahlen seit dem Jahr 2008 sind.

Allein während der schwarz-gelben Regierungszeit ist die Arbeitslosigkeit um mehr als 30 % gesunken, meine Damen und Herren. Das ist die Realität! Das, was Sie hier als Ihre politischen Erfolge feiern, sind die Erfolge von Christian Wulff, David McAllister, Walter Hirche, Philipp Rösler, Jörg Bode und Stefan Birkner, um das an dieser Stelle sehr deutlich zu sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung ferner, die Unterrichtsversorgung sei „durchaus ansehnlich“. Die Realität aber ist: Es ist die schlechteste Unterrichtsversorgung seit drei Legislaturperioden. Schlechter war sie nur zu Zeiten von Sigmar Gabriel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Heiligenstadt beklagt, dass sie für das jetzige Schuljahr nicht ausreichend viele Lehrkräfte gefunden hat. Da frage ich mich: Kann das das Kabinett des Landes wirklich wundern, nach dem Feldzug dieser Frau gegen die Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen? - Ich nenne beispielhaft die Mehrarbeit und die Streichung der Altersermäßigung, die ihre SPD-Vorgängerin den Lehrerinnen und Lehrern noch selbst zugesagt hat. Meine Damen und Herren, nach diesem Feldzug ist es doch kein Wunder, dass die Lehrer einen Bogen um das Land Niedersachsen machen. Das muss einem doch klar sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Weil, die Bildungspolitik ist der Hauptteil Ihrer Bankrotterklärung. Ihnen stehen in Niedersachsen jedes Jahr zusätzlich 4 Milliarden Euro zur Verfügung, und trotzdem gelingt es Ihnen nicht, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Innerhalb von drei Jahren haben Sie es geschafft, Niedersachsen von einem Land der Bildungschancen mit weit überdurchschnittlicher Unterrichtsversorgung und mit einer der geringsten Schulabbrecherquoten in Deutschland zu einem klassischen SPD-Bildungsland zu machen. Die Kinder bleiben dabei auf der Strecke. - Das ist Ihre Bilanz in der Bildungspolitik. Dafür sollten Sie sich rechtfertigen, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung das Integrationsgesetz der Bundesregierung kritisiert. Daran gibt es durchaus einiges zu kritisieren, aber ich würde dringend empfehlen: Kehren Sie erst einmal vor der eigenen Haustür, Herr Weil!

(Zurufe von der FDP und von der CDU: Genau!)

Deutschkurse, Sprachlernklassen - das ist für eine große Anzahl der Flüchtlinge, die zu uns nach Niedersachsen gekommen sind, nach wie vor ein Wunschtraum.

Wir haben Ihnen dazu Haushaltsvorschläge gemacht - und das im Übrigen nicht, wie Sie beschrieben haben, erst ab 2015. Vielmehr haben CDU und FDP schon anlässlich der Haushaltsberatungen im Dezember 2014 konkrete Finanzierungsvorschläge gemacht. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.

Bei all diesen Dingen, ob es die Sozialpädagogen sind, zu denen man einiges sagen könnte, ob es die Unterrichtsversorgung oder die Sprachlernklassen sind - Sie haben in Niedersachsen in der Schulpolitik Bewährtes zerstört, aber nichts geleistet, Herr Weil.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe Ihre Rede genau gelesen. Das einzige Positive, das in Ihre Regierungszeit fällt, ist die Tatsache, dass die Menschen in Niedersachsen wieder mehr Kinder bekommen. Neidlos habe ich mich gefragt: Was haben Sie da genau gemacht? - Das hätte ich Ihnen so nicht zugetraut. Ich sage Ihnen aber eines: Ich würde mir nicht jeden Erfolg in der Landesstatistik persönlich zuschreiben, Herr Weil. Ich bin mir sicher, das lag an den Menschen

in unserem Bundesland, nicht aber am Niedersächsischen Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn die Wahrheit ist: Sie verschleppen in Niedersachsen. Die Beratungsstelle zur Extremismusprävention von Frau Rundt ist fast zwei Jahre später gekommen als angekündigt. Oder die Kompetenzstelle „Islamismus“ des Innenministers! Machen wir uns doch nichts vor, das kam doch erst im Zuge des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es spricht doch Bände, dass die Polizeidirektion Hannover vorgestern zugeben musste, dass sie von den Ermittlungserkenntnissen ihres eigenen Mitarbeiters zu Safia S. als allerletzte erfahren hat.

Nichts im Bereich der inneren Sicherheit ist zurzeit in Ordnung. Deswegen ist dieser Untersuchungsausschuss zum jetzigen Zeitpunkt auch goldrichtig, um das sehr deutlich zu sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, Sie sprechen vom Sicherheitsgefühl der Menschen in unserem Land. Ich sage Ihnen: Zum Sicherheitsgefühl gehört zuallererst die Ehrlichkeit der Landesregierung. Niedersachsen gehört zu den drei westdeutschen Ländern mit den meisten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Zahl der Wohnungseinbrüche - der Kollege Thümler hat das vorhin ausgeführt - ist in Niedersachsen dramatisch gestiegen, allein im Landkreis Stade um fast 120 %.

Wir haben Ihnen dazu zahlreiche Vorschläge gemacht. Wir haben Ihnen gezeigt, wie man 1 000 zusätzliche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Niedersachsen finanzieren kann. Ein paar Anwärterstellen mehr werden uns am Ende des Tages nichts bringen.

Ich sage in aller Klarheit, auch in Richtung des Ministerpräsidenten: Sie müssen Ihren Koalitionspartner beim Umgang mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in den Griff kriegen. Die permanenten Angriffe und Unterstellungen sind nicht mehr tragbar. Die Kennzeichnungspflicht, die Beschwerdestelle, das Verbot von Polizeipferden und Pfefferspray - es ist unerträglich, wie mit der Landespolizei vonseiten Ihres Koalitionspartners umgegangen wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will auch noch etwas zu den Verträgen mit den islamischen Verbänden sagen, weil das auch in

Ihrer Regierungserklärung Raum eingenommen hat. Herr Özdemir ist in der Sommerpause medial sehr wirksam tätig gewesen. Er hat gesagt - Herr Kollege Thümler hat es vorhin zitiert -: DITIB - das ist die türkische Pegida. Das waren die Worte Ihres Bundesvorsitzenden und potenziellen Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl. Ich stelle mir nur einmal eine Sekunde lang vor, das hätte ein Politiker von CDU, SPD oder FDP gesagt!

(Zuruf von der CDU: Frau Polat wäre abgedreht)

Frau Piel sagt: Wir haben eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit DITIB, und es ist grundfalsch, dass die CDU nicht mit diesem Moscheenverband reden will. - Özdemir aber nennt DITIB eine türkische Pegida. Mithin befinden wir uns in einer sehr verrückten Situation, meine Damen und Herren von den Grünen: Sie wollen in der Nomenklatur Ihres eigenen Bundesvorsitzenden mit der türkischen Pegida sprechen und werfen der CDU vor, dass sie das ablehnt.

Und ich sage Ihnen noch eines - denn ich teile das, was Herr Thümler zu den Worten von Herrn Özdemir gesagt hat, die die medialen Überschriften in diesem Sommer bestimmt haben; das erkenne ich neidlos an, aber auch ich mache sie mir ausdrücklich nicht zu eigen -: Während der potenzielle Spitzenkandidat zur Bundestagswahl und der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen das öffentlich so sagt - ich will jetzt nicht wiederholen, was der Oberbürgermeister von Tübingen und andere in der letzten Sommerpause zu diesem Thema gesagt haben - und das sozusagen die Haltung der Bundespartei ist, machen Sie in Niedersachsen und Ministerin Löhrmann in NordrheinWestfalen auf Landesebene das komplette Gegenteil.

Übrigens: Herr Kretschmann hat erst im September letzten Jahres DITIB zur Mitarbeit beim Religionsunterricht in Baden-Württemberg eingeladen. Meine Damen und Herren, es ist nicht erträglich, dass die Grünen mittlerweile auf Bundesebene rechts blinken, auf Landesebene aber links abbiegen. Das kann nicht Ihre Politik sein!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Modder, Sie sagen, es ist unverantwortlich, dass die CDU in dieser Legislaturperiode keinen Vertrag mehr schließen will. Und weil das so unverantwortlich ist, wollen Sie das in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr machen. - Meine Damen und Herren, diese Dialektik muss einem

erst einmal klar werden, abgesehen davon, dass Sie damit Ihrem eigenen Ministerpräsidenten in den Rücken gefallen sind, der tags zuvor erklärt hat, man wolle weiterverhandeln.

Ich will meine Worte aber auch an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von der Union richten. Ich glaube, dass ein Abbruch der Verhandlungen, weil die Verbände, insbesondere die DITIB, vom türkischen Staat abhängig sind, wie Sie zu Recht beschreiben, in der Sache falsch ist. Denn wir als Land haben bereits Vereinbarungen mit diesen Verbänden getroffen: zum Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück, zur Gefängnisseelsorge und vor allem zum islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen.

Ja, es besteht ein echtes Problem in Bezug auf die Abhängigkeit vom türkischen Staat. Aber gerade weil diese Verbände bereits eine gewichtige Aufgabe wahrnehmen, bin ich davon überzeugt, dass wir uns dieses Problems gemeinsam annehmen müssen.

Ich freue mich über die Signale von DITIB Deutschland. Ich weiß, dass der niedersächsische Landesverband dieses Problem ebenfalls sieht, und sage deshalb, wir müssen die Beziehungen zu diesen Verbänden auf eine neue Grundlage stellen. Dafür braucht es einen klaren Fahrplan zur Unabhängigkeit von der Türkei. Aber keine Gespräche zu führen, ist keine Alternative, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, das Bemerkenswerte an Ihrer Regierungserklärung war das, was Sie nicht erwähnt haben. Ich habe mich gefragt: Was ist eigentlich mit diesen Landesbeauftragten passiert? - Das war doch der Wahlkampfschlager. Oder: die Klimaschutzagentur, die kommunalen Frauenbeauftragten und Ähnliches mehr.

Sie sprechen zwar von den Erfolgen am Arbeitsmarkt, aber meinen damit vor allem die schwarzgelben. Wo sind eigentlich Ihre Initiativen für mehr Wachstum in Niedersachsen? Was ist denn beim Breitbandausbau oder im Hinblick auf Infrastruktur und Verkehr wirklich los? - Nicht nur während der Sommerpause - ich komme darauf gleich zu sprechen -, sondern auch in dieser Regierungserklärung zum Thema Infrastruktur und Verkehr kein einziges Wort von Ihnen!

Das war doch eine echte Posse in diesem Sommer: Ein Koalitionspartner gibt auf Kosten der Steuerzahler ein Gutachten in Auftrag, um dem

anderen Koalitionspartner zu sagen, dass seine Verkehrspolitik grundfalsch ist. Herr Minister Lies, ich will in Ihre Richtung sagen: Drei Fraktionen stehen an dieser Stelle an Ihrer Seite. Aber ich habe mich, um das auch klar zu sagen, gefragt: Warum hat sich eigentlich der niedersächsische Ministerpräsident bisher zu diese Thema nicht geäußert und sich an Ihre Seite gestellt?

(Beifall bei der FDP - Zurufe von den GRÜNEN)

Ich will zum Schluss sagen: Sie haben einen wichtigen Bereich, den zweitwichtigsten Wirtschaftsbereich Niedersachsens, nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. Das ist die Land- und Ernährungswirtschaft. Nicht ein Wort zu den dramatischen Investitionsrückgängen in der Landwirtschaft! Die Investitionen in der Landwirtschaft liegen in Niedersachsen am Boden. Sie haben die neu geschaffenen Arbeitsplätze der letzten zehn Jahre gefeiert, ohne auch nur daran zu denken, dass die auch jemand schaffen muss.

(Glocke der Präsidentin)

Ich will das in aller Klarheit sagen: Landwirte, die täglich hart dafür arbeiten, dass Niedersachsen Agrarland Nummer eins bleibt, werden bis heute von Ihrem Agrarminister öffentlich an den Pranger gestellt, und Sie tun nichts dagegen. An diesem Punkt erwarten die Menschen bei uns im Land klare Worte in einer Regierungserklärung. Aber da kam nichts von Ihnen, Herr Weil.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Ich bin von der Kraft und der Stärke dieses Bundeslandes überzeugt. Dafür braucht es aber keine Regierungserklärung, schon gar keine mit esoterischer Überschrift. Aber dieses Land braucht klare Aussagen seines Regierungschefs, wie er sich die Zukunft vorstellt. Es braucht einen Ministerpräsidenten, der bereit ist, endlich den Wettbewerb mit den anderen Bundesländern aufzunehmen. Sie, Herr Weil, sind über das reine Beschreiben Ihrer Politik bis heute nicht hinausgekommen. Darin liegt Ihre Schwachstelle.

Den letzten Satz, bitte, Herr Kollege!