Protokoll der Sitzung vom 19.08.2016

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeld - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6236

Zur Einbringung erteile ich das Wort Herrn Kollegen Grascha von der FDP-Fraktion. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Haus sicherlich sehr schnell einig, dass Steuerhinterziehung dem Gemeinwesen einen massiven Schaden zufügt. Deswegen gibt es auch in diesem Bereich zu Recht sehr scharfe Gesetze.

Einen mindestens genauso großen Schaden wird aber dem Gemeinwesen durch Steuergeldverschwendung zugefügt. Fehlinvestitionen oder ausufernde Baukosten, wie wir sie beispielsweise hier im Land vom Libeskind-Bau in Lüneburg kennen, sind skandalös und tragen zur Politik- und Staatsverdrossenheit bei. Das wird im Moment überhaupt nicht geahndet, und das muss geändert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Obwohl beides dem Gemeinwohl einen massiven Schaden zufügt, konzentriert sich die politische Debatte häufig auf die Steuerhinterziehung. Es ist natürlich auch viel einfacher, die politische Debatte, die Neiddebatte, daran anzuknüpfen. Gesetze und Kontrollen werden laufend verschärft, Selbstanzeigen werden erschwert, Abkommen zum Datenaustausch werden mit anderen Ländern geschlossen.

(Renate Geuter [SPD]: Das ist auch gut so!)

Nicht zu vergessen ist der Quartalsbericht des Finanzministers zur aktuellen Entwicklung bei der Zahl der Selbstanzeigen. Über einzelne Maßnahmen kann man sicherlich streiten. Im Grunde ist es aber gut und richtig, so zu verfahren und entsprechend zu bestrafen.

(Beifall bei der FDP)

Der Staat will so erreichen, dass die Steuermoral der Bürger steigt. Das reicht aber nicht aus; denn es ist eine sehr einseitige Sichtweise, und wir müssen ebenso auf die Ausgabenseite des Staates und auf die Verschwendung von Steuergeldern schauen. Wir meinen, dass die Steuermoral der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich wirkungsvoll erhöht wird, wenn wir effektiv gegen Steuergeldverschwendung vorgehen. Das ist nicht nur ein Ziel, meine Damen und Herren, sondern es ist unsere Pflicht; denn der Staat ist Treuhänder der Steuerzahler, und der Steuerzahler kann zu Recht erwarten, dass wir vernünftig mit seinem Geld umgehen und es sparsam und wirtschaftlich einsetzen.

Jedes Jahr decken die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder wie auch der Bund der Steuerzahler massive Verschwendungen auf, die in die Milliarden gehen.

(Zuruf von der SPD: Wie an der A 7!)

Kaum jemand wird dafür zur Rechenschaft gezogen. Wir sind der Auffassung, dass sich das ändern muss. Das verschwendete Geld lässt sich doch viel besser einsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind dazu verpflichtet, für eine bessere Kontrolle der Ausgaben der öffentlichen Hand zu sorgen. Das ist nämlich nicht unser Geld, sondern das Geld der Steuerzahler. Und da liegt schon bei manchen das Problem. Die Einstellung „Das ist ja nicht mein Geld“, ist durchaus bei dem einen oder anderen bei der öffentlichen Hand vorhanden. Alleine dafür, das Bewusstsein zu schärfen, dass es das Geld des Steuerzahlers ist, lohnt es sich, diese Initiative zu ergreifen. Wir Politiker müssen uns häufig fragen, ob wir eine Entscheidung genauso treffen würden, wenn wir über unser Geld entscheiden würden.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen mit unserer Initiative die öffentliche Verwaltung und die Politik nicht unter einen Generalverdacht stellen. Die allermeisten, die Haushaltsverantwortung in unserem Land tragen, gehen gesetzeskonform damit um und verhalten sich absolut korrekt. Es gibt aber auch massive Fälle der Steuergeldverschwendung, und dagegen müssen wir etwas tun.

(Beifall bei der FDP)

Es geht darum, unserem Rechtsstaat ein Instrumentarium an die Hand zu geben und bessere Kontrollen und Bestrafung bei Vorsatz durchzuführen. Zurzeit sind die Verfolgungs- und Bestrafungsmöglichkeiten mangelhaft, und diese Dinge müssen geändert werden. Durch eine gesetzliche Verschärfung bei der Steuerhinterziehung gibt es mittlerweile ein Missverhältnis im Vergleich zur Steuergeldverschwendung. Das wollen wir beseitigen. Die Steuermoral der Bürgerinnen und Bürger wird nur gesteigert, wenn jeder, der seine Steuern zahlt, davon ausgehen kann, dass damit vernünftig umgegangen wird. Der vernünftige Umgang muss das Ziel sein; das erhöht tatsächlich nachhaltig die Steuermoral in unserem Land.

(Beifall bei der FDP)

Wir schlagen deshalb vor, in das Strafgesetzbuch einen neuen Straftatbestand der Haushaltsuntreue aufzunehmen. Es gibt heute ja schon im Strafgesetzbuch den Straftatbestand der Untreue. Er wird aber häufig nicht von den Fällen, über die wir hier sprechen, erfasst, weil dort immer geprüft wird, ob ein Vermögensschaden entstanden ist. Nehmen wir einmal ein Beispiel aus einer Kommune: Da wird vom Stadtrat beschlossen, dass auf einem Marktplatz ein Brunnen in normaler Ausfertigung errichtet werden soll. Der Haushaltsbevollmächtigte der Stadt entscheidet, dass er doch lieber einen goldenen Brunnen haben möchte. Dann wird dies heute nicht von dem Untreuestraftatbestand erfasst, weil kein Vermögensschaden für die Kommune entstanden ist; denn der Gegenwert steht ja auf dem Marktplatz. Deshalb ist das nicht mit der aktuellen Rechtslage erfasst. Deswegen muss sich an der Stelle etwas ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Selbstverständlich soll nicht jede Verletzung von Haushaltsrecht unter Strafe gestellt werden. Es soll darum gehen, dass vorsätzliche Verletzungen unter Strafe gestellt werden, d. h wenn jemandem vor seiner Entscheidung bewusst ist, dass er sich rechtswidrig verhält, muss er bestraft werden.

Der zweite Punkt betrifft unterlassene Ausschreibungen. Da nicht immer klar ist, ob die Unterlassung einer Ausschreibung tatsächlich zu einem Schaden führt, ist eine Bewertung als Ordnungswidrigkeit hierfür aus unserer Sicht das richtige Instrument. Damit schaffen wir in der Praxis mit wenig Aufwand die Möglichkeit, zu sanktionieren und damit zu mehr Rechtstreue und zu einem besseren Umgang mit Steuergeld beizutragen.

Um die Haushaltskontrolle zu steigern, wollen wir auch die Rechte von Rechnungshöfen und Rechnungsprüfungsämtern stärken. Sie müssen die Möglichkeit haben, mit schärferen Sanktionen, mit einem schärferen Schwert, gegen Verschwendungsfälle vorzugehen.

Wir wissen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns hier juristisch auf einem sehr anspruchsvollen Feld bewegen. Es lohnt sich aber trotzdem, sich mit dieser Frage einmal intensiv auseinanderzusetzen. Anhaltspunkte für die Umsetzung bietet beispielsweise ein Gutachten von Professor Dr. Dr. Bernd Schünemann von der LMU in München.

Unsere Initiative, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hat das Ziel, das Verantwortungsbewusstsein bei der öffentlichen Hand zu steigern und Vertrauen bei den Bürgern in den Staat zurückzugewinnen. Wir wollen zu einer neuen Mentalität kommen. Wir wollen wegkommen von der Mentalität: „Es ist ja nicht mein Geld!“ Wir sind Treuhänder der Steuerzahler. Genauso müssen wir uns verhalten.

Ich freue mich auf die Ausschussberatung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Henning.

(Ronald Schminke [SPD]: Erzähle mal etwas von der A7!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag des Kollegen Grascha hat mir deutlich gemacht, dass die Kommunalwahl ihren Schatten vorauswirft. Die FDP übt offensichtlich, wie so oft, den Schulterschluss mit dem Bund der Steuerzahler, indem die Positionen des Bundes der Steuerzahler mal wieder 1 : 1 ins Parteiprogramm übernommen und dann hier brav vorgetragen werden.

(Christian Grascha [FDP]: Was sagen Sie denn zur Sache?)

Es wird - unkritisch - nicht hinterfragt, ob der Bund der Steuerzahler mit seinen Forderungen und den Behauptungen, die auch Herr Grascha hier aufgestellt hat, überhaupt richtig liegt.

Das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler, mit dem regelmäßig vermeintliche Verfehlungen öffentlicher Amtsträger oder Fälle von Steuerverschwendung gebrandmarkt werden sollen, ist natürlich einerseits ein geeignetes Mittel, um derartige Verfehlungen öffentlich zu machen. Andererseits ist aber auch der Bund der Steuerzahler nicht frei von Irrtümern. Daher tun wir sicherlich gut daran, zu überprüfen, ob die Verfehlungen, die hier veröffentlicht werden, überhaupt der Realität entsprechen.

(Christian Grascha [FDP]: Außer Ihnen ist doch keiner frei von Irrtü- mern, Herr Henning!)

Zu oft hat sich - Herr Grascha, Sie können sich doch gleich zu Wort melden! - bei genauerem Hinsehen und nach kritischer Nachfrage bei den betroffenen Kommunalbehörden herausgestellt, dass an den Vorwürfen gegen die Amtsträger nichts dran ist oder zumindest der Sachverhalt, der populistisch in der Öffentlichkeit breitgetreten wird, anders gelagert ist, als behauptet worden ist.

Ich sage allerdings auch: Grundsätzlich ist Ihr Anliegen, Herr Grascha, das der FDP-Fraktion und natürlich auch das Ihrer Vorfeldorganisation, des Bundes der Steuerzahler, gerechtfertigt. Die SPDFraktion ist für die sparsame und effiziente Verwendung von Steuermitteln bekannt. Auch wir nehmen den Umgang mit öffentlichen Geldern und Haushaltsmitteln natürlich sehr ernst. Dennoch halte ich den Antrag der FDP aus verschiedenen Gründen für überflüssig wie einen Kropf. Das, was die FDP hier einfordert - die Strafbarkeit von Verfehlungen wegen haushaltsrechtlicher Bestimmungen oder Steuerverschwendung durch Amtsträger -, kann schon nach geltender Rechtslage strafrechtliche, disziplinarrechtliche und sogar haftungsrechtliche Ansprüche auslösen.

(Christian Grascha [FDP]: Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass das nicht ausreicht!)

Der Tatbestand des § 266 des Strafgesetzbuches, den Sie zitiert haben, umfasst in der Tat den Tatbestand der sogenannten Haushaltsuntreue.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist Quatsch!)

Wer also Steuergelder verschwendet oder gar vorsätzlich und grob fahrlässig seine Pflichten im Umgang mit öffentlichen Mitteln verletzt, kann auch heute schon nach geltender Rechtslage im Zweifel mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Außerdem muss der Betreffende dem Dienstherrn den daraus entstandenen Schaden ersetzen. Obendrein erfolgt in der Regel ein Disziplinarverfahren.

Herr Kollege Henning, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grascha zu?

Darüber können wir im Ausschuss weiterreden. Heute ist Freitag und ist die erste Beratung.

(Christian Grascha [FDP]: Wollen Sie schnell ins Wochenende? Ist Ihnen das Wochenende wichtiger als die Be- ratung hier im Plenum? Das ist ja eine unfassbare Arbeitseinstellung!)

- Wir werden das im Ausschuss klären, Herr Grascha!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Henning hat gerade erklärt, dass er keine Zwischenfrage zulässt. Das braucht nicht weiter kommentiert zu werden. Er fährt jetzt fort. - Herr Henning, bitte!