Zwei wesentliche Änderungen haben wir schon letztes Jahr umgesetzt. Seit dem 1. Januar 2016 müssen alle Krankenhäuser verpflichtend Patientenfürsprecherinnen oder -fürsprecher haben. Diese Funktion ist mit einer externen unabhängigen und ehrenamtlichen Person zu besetzen, an die sich Patientinnen und Patienten sowie Angehörige im Konfliktfall wenden können.
Von der Opposition ist nachgefragt worden, inwieweit diese Verpflichtung bisher umgesetzt ist. Wir haben vom Sozialministerium die Antwort erhalten, dass diese Forderung zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits in 161 von unseren insgesamt 182 Krankenhäusern - also in 90 % aller niedersächsischen Krankenhäuser - umgesetzt worden ist. Wir finden, das ist ein außerordentlich erfreuliches Zeichen der hohen Akzeptanz durch unsere Krankenhäuser, meine Damen und Herren.
Seit dem 1. Juli dieses Jahres hat Niedersachsen darüber hinaus als zweites deutsches Flächenland bekanntlich hinter Nordrhein-Westfalen einen Landesbeauftragten für Patientenschutz. Wir betreten damit ohne Frage Neuland. Mit Dr. Peter Wüst konnte allerdings eine Persönlichkeit gewonnen werden, die Verwaltungserfahrung hat, über das Sozialministerium gut vernetzt ist und als Mediziner beste Voraussetzungen für diese Funktion mitbringt. Deshalb darf ich ihm auch von dieser Stelle aus viel Erfolg für diese wichtige Aufgabe wünschen.
Mit dem vorliegenden Antrag fordern wir nun die Landesregierung zu deutlichen Ergänzungen zum einen im Niedersächsischen Krankenhausgesetz und zum anderen im Niedersächsischen Bestattungsgesetz auf. So wollen wir in allen niedersächsischen Krankenhäusern die Einstellung von Stationsapothekerinnen und -apothekern verpflichtend vorsehen. In unseren 182 Krankenhäusern haben nur noch lediglich 28 Krankenhäuser eigene Krankenhausapotheken. Alle anderen Krankenhäuser lassen sich extern beliefern.
Dadurch erhöht sich die Schwierigkeit, ungewöhnliche Verwendungsnachweise von Medikamenten frühzeitig zu entdecken. Krankenhäuser, die bisher auf freiwilliger Basis Stationsapotheker eingeführt haben, haben damit positive Erfahrungen gemacht. Das haben wir sowohl von den Krankenhäusern als auch von der Apothekerkammer gehört.
Wir wollen Krankenhäuser ferner verpflichten, eine klinikinterne Arzneimittelkommission einzusetzen. In Niedersachsen hat die Apothekerkammer die Aufsicht über die Apotheken. Da es aber kaum noch Krankenhausapotheken gibt, endet deren Aufsicht an der Krankenhaustür. Diese Sollbruchstelle wollen und müssen wir schließen.
Die Arzneimittelkommission dient zukünftig als Schnittstelle zwischen der Arzneimittelbelieferung und der jeweiligen Krankenhausstation. Das Klinikum Oldenburg beispielsweise hat nach der Festnahme von Niels Högel von sich aus eine hauseigene Kommission eingesetzt und hat damit guten Erfolg.
Darüber hinaus wissen wir, dass Krankenhauspersonal vor allem auf Intensivstationen über Jahre hinweg hohen psychischen Belastungen ausgesetzt ist. Ein Rotationssystem für Pflegekräfte
könnte für Entlastung sorgen. Dieses gibt es an den niedersächsischen Krankenhäusern bisher nicht. Daher wollen wir ebenfalls die gesetzliche Möglichkeit schaffen, modellhaft neue Organisations- und Personalstrukturen in den Krankenhäusern zu erproben.
Das gilt gleichermaßen auch für das Angebot, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch ihr Krankenhaus freiwillig regelmäßig begleitende Reflektionen über berufsbedingte Belastungen und Erfahrungen anzubieten, z. B. in Form einer Supervision.
In allen Krankenhäusern wollen wir außerdem obligatorisch ein anonymes Meldesystem, das so genannte Whistleblowing, einzuführen. Dieses ermöglicht Beschäftigten, eventuelle Verdachtsmomente für Fehlverhalten oder gar kriminelles Handeln innerhalb des Krankenhausbetriebes an eine neutrale Stelle zu melden, ohne dass dabei Rückschlüsse auf ihre Identität gezogen werden können.
Im Klinikum Oldenburg, meine Damen und Herren, sind bereits 2001 auffällige Zusammenhänge zwischen Reanimation und Sterbefällen in den Dienstzeiten von Högel festgestellt worden. Aber statt die Behörden zu informieren, wurde Högel mit einem blendenden Zeugnis nach Delmenhorst weggelobt. Im Krankenhaus Delmenhorst hat die Kripo bisher in 33 Fällen und zwischenzeitlich auch in Oldenburg in 6 Fällen Tötungen durch Högel nachweisen können. Laut Nordwest-Zeitung vom 23. Juni wird zwischenzeitlich in beiden Häusern wegen des Verdachts des Totschlags durch Unterlassung ermittelt.
Es sind also in beiden Krankenhäusern sehr früh Verdachtsmomente vorhanden gewesen. Aus betriebswirtschaftlichen und aus Imagegründen sind die aber vertuscht worden. Die Möglichkeit anonymer Meldungen wäre hier mit hoher Wahrscheinlichkeit lebensrettend gewesen. Deshalb wollen wir das Whistleblowing mit Nachdruck einführen, meine Damen und Herren.
Neben diesen sehr gravierenden Änderungen beinhaltet unser Antrag weitere Änderungen im Niedersächsischen Krankenhausgesetz und auch die Aufforderung, das Niedersächsische Bestattungsgesetz zu korrigieren. So sollen Blutentnahmen und Untersuchungen künftig obligatorisch bei einer jeden Leichenschau werden. Im Fall Högel hätte
Unser neuer Landespatientenbeauftragter, Herr Dr. Wüst, hat gestern in einem Interview zu den vorliegenden Beschlüssen festgestellt:
Wir wissen auch: Grundsätzlich gibt es in unserem Gesundheitswesen Probleme. Das wissen wir ziemlich genau. Wir haben es mit Unter- und Überversorgung zu tun. Wir haben es mit mangelnder Personalausstattung zu tun. Wir haben es mit Hygieneproblemen sowie mit unzureichenden Vergütungssystemen zu tun. Dies alles sind Folgen einer dauerhaften Überlastung von Beschäftigten, die hohe Risiken für die Patienten in sich bergen.
Bei all diesen Fragen ist nicht der Landtag gefordert - dafür hat er gar nicht die Kompetenzen -, sondern der Bundesgesetzgeber. Der tut allerdings so, als gehe ihn der Fall Högel auch in der Konsequenz überhaupt nichts an, weil er zufällig in Niedersachsen unterwegs war. Ich halte diese Grundeinstellung des Bundes - das sage ich hier ganz deutlich auch in Kenntnis der dortigen Regierungsmehrheiten - für wirklich fahrlässig. Ich erwarte, dass auch dort die Schularbeiten gemacht werden.
Es mag sein, meine Damen und Herren, dass der einen oder anderen Lobbyistengruppe die Forderungen in unserem Antrag nicht passen und diese mit den üblichen Ablehnungsreflexen reagieren. Das haben sie ja übrigens auch schon getan. Die CDU hat im Ausschuss einiges davon als Grund für ihre plötzliche Ablehnung angeführt. Überzeugend ist das nach meiner festen Auffassung bei dieser Ausgangslage mit den Massenmorden jedoch nicht. Patientenschutz und Patientensicherheit müssen uneingeschränkt vor Lobbyisteninteressen kommen.
Es muss vor allem auch im Interesse der Leistungsanbieter liegen, wenn Patientinnen und Patienten Vertrauen in ihre Einrichtung haben sollen.
Dass die CDU den Antrag mit unseren gemeinsamen Ergebnissen aus dem Sonderausschuss nun in Gänze ablehnt, ohne wenigstens eine eigene Alternative vorzulegen, macht mich, ehrlich gesagt, nach wie vor ziemlich fassungslos, meine Damen und Herren.
Wir gehen davon aus, dass unsere Landesregierung den heutigen Beschluss schnell in eine Gesetzesvorlage und in eine Novelle des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes einbinden wird, damit nach diesen katastrophalen Vorfällen zeitnah Konsequenzen gezogen werden können.
Ich kann an dieser Stelle noch einmal darum bitten - wir hatten ja einen wirklich harmonischen und fachlich orientierten gemeinsamen Sonderausschuss -, dass die CDU ihre für mich sehr fragwürdige Position noch einmal überdenkt, sodass wir die Konsequenzen heute gemeinsam beschließen können.
Bevor ich der Kollegin Schwarz das Wort erteile, noch ein Hinweis: Die Fraktionen haben sich darauf verständigt - die betroffenen Rednerinnen und Redner bitte ich, darauf vorbereitet zu sein -, den Tagesordnungspunkt 23, dessen Beratung nach der Tagesordnung für den Nachmittag vorgesehen ist, noch vor der Mittagspause zu behandeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Patientensicherheit ist wichtig. Immerhin ist sie die Grundlage für das Vertrauen der Patienten und deren Angehörigen, wenn ein Krankenhaus oder eine andere medizinische Einrichtung aufgesucht wird.
Die Vorschläge in dem rot-grünen Antrag, die der Kollege Uwe Schwarz seitens der SPD hier vorgestellt hat, sind so, wie sie im Antrag formuliert worden sind, allerdings nicht immer hilfreich.
Zum einen: Zum Stationsapotheker - eigentlich müsste man „Krankenhausapotheker“ sagen - hat Herr Schwarz zu Recht darauf hingewiesen, dass es in Niedersachsen im Jahr 2015 nur noch 28 Krankenhausapotheken gab und dass die Erfahrungen mit Stationsapothekern dort, wo sie installiert worden sind, durchweg recht positiv sind; jedenfalls in der Beratungsfunktion bei der medizinischen Anwendung, nicht aber bei der Verfolgung von eventuellen Straftaten.
Ungeklärt ist bei dem Antrag von Rot-Grün vor allem, ob die Stationsapotheker weisungsgebunden sind, ob sie hinreichend unabhängig sind oder ob sie der Weisung der Leitung des Krankenhauses unterliegen.
Was noch wesentlich wichtiger ist: Wie sieht es mit der Finanzierung aus? - Derzeit sind nämlich Stationsapotheker nicht über das DRG-System abrechenbar, und die gesetzliche Verankerung im Krankenhausgesetz wäre ein Alleingang von Niedersachsen. Wer übernimmt also die Kosten?
Ebenso ist von Rot-Grün nicht ansatzweise aufgenommen worden, wer bei der Arzneimittelkommission die Überprüfung vornehmen soll. Die aktuelle Aufsichtspflicht der Apothekenkammern endet - Uwe Schwarz hat es dargestellt - an der Tür der Krankenhausapotheke.
Auch die Aufgabenbeschreibung der Arzneimittelkommission ist ungeklärt. Bereits im Bericht des Sonderausschusses Patientensicherheit wurde auf Seite 24 der deutliche Hinweis angebracht, die Finanzierung sei zufriedenstellend zu klären. Das wurde aber von Rot-Grün ignoriert. - So viel zur Vollziehung des Berichtes des Sonderausschusses.
Bei dem Punkt „Neue Organisations- und Personalstrukturen modellhaft erproben“, z. B. durch ein Rotationsprinzip, wäre die Stellungnahme der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft sicherlich hilfreich gewesen. Die hätte frühzeitig mit eingeholt werden können. Daran hatte allerdings RotGrün kein Interesse.
Zu der Auseinandersetzung mit der Berufsausübungsfreiheit nach Artikel 12 des Grundgesetzes gibt es keine Ergebnisse.
Die Personalentwicklungsplanungen in Krankenhäusern, welche Fortführung vorgenommen werden könnte, welche Rolle dabei das verpflichtend bestehende Fehlermeldesystem, das Risiko- und Qualitätsmanagement dabei leisten, haben kein Interesse bei Rot-Grün gefunden.
Auch bei der Supervision ist das so. In der Schlussfolgerung des Sonderausschusses heißt es dazu auf Seite 22:
„Nach Ansicht des Sonderausschusses sollten vor einer flächendeckenden Einführung zunächst - in Gestalt von Modellprojekten - Sinnhaftigkeit, zugrunde zu legende Methodik, Übertragbarkeit von Erfahrungen und
Dafür hatten Sie bei Rot-Grün allerdings keine Zeit. Also: Rot-Grün will offenbar nicht Qualität. RotGrün will Schnelligkeit.
Auch beim Whistleblowing trifft das zu. Es ist im Grunde genommen ein Fehlermeldesystem. Es gibt CIRS, das Critical Incident Reporting System, und andere. Warum wollen Sie unbedingt die Festlegung auf allein ein System in Ihrem Antrag?
Angesichts dessen, dass bereits der verpflichtende Bestand der Qualitätsmanagementrichtlinie auch ein Fehlermanagement umfasst, stellt sich doch viel eher die Frage: Wie ertüchtigen wir die Krankenhäuser in Niedersachsen, damit nicht nur 50 % der Häuser dies einsetzen, sondern die Umsetzung flächendeckend vollzogen wird? - Rot-Grün liefert darauf keine Antworten.