Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Wir haben u. a. ein Problem, die Menschen im Altenpflegeberuf zu halten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für Männer und Frauen ein wichtiges Thema, und sie ist in diesem Berufsfeld sehr schwer herzustellen. Hier muss etwas für die hauptberuflich Pflegenden getan werden. Politik und Gesellschaft müssen bessere Rahmenbedingungen schaffen, um die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen zu erleichtern.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Weiterhin sind wir gefordert, das Ansehen des Berufs in der Öffentlichkeit zu verbessern. Ich denke, auch darüber besteht bei uns allen Konsens.

Ich komme nun zur Idee einer solidarischen Umlagefinanzierung, die in Ihrem Antrag angesprochen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar festgestellt, dass das entsprechende Gesetz verfassungskonform ist, jedoch nur unter der Bedingung, dass es der Beseitigung eines dauerhaften Ausbildungsplatzmangels dient. Dieser ist in Niedersachsen nicht vorhanden. Ganz im Gegenteil: Pro Jahr sind 400 bis 500 Ausbildungsplätze hinzugekommen.

Die Probleme der Erhebung einer Ausbildungsumlage in der Altenpflege werden auch in Zukunft schwer zu lösen sein. Zum Beispiel sind bis zum Schluss nicht alle Betriebe von der ehemaligen Umlagestelle, die bei der NORD/LB verortet war, erfasst worden. Ein weiteres Problem war, dass die Umlage nur bei denen erhoben worden ist, die - egal, ob stationär oder ambulant - Zusatzleistungen in Anspruch genommen haben.

Ein praktisches Beispiel dazu: Ich gehe zu meinem Bäcker und kaufe zwei Brötchen; das erste kostet 30 Cent, das zweite kostet 20 Cent zusätzlich, um die Ausbildungsplätze zu finanzieren. Der Bäcker führt irgendwann die 20 Cent ab; das ganze Geld wird eingesammelt und an die Betriebe ausgegeben, die ausbilden. Die Umlage ist folglich eine Ausbildungsplatzsteuer, die der einzelne Pflegebedürftige, der die Zusatzleistungen in Anspruch nimmt, über seine Beiträge erbringen muss.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Eine Sonderab- gabe! - Uwe Schwarz [SPD]: Ge- deckelt!)

- Ich bin noch nicht 20 Jahre hier; ich würde gerne weiterreden.

Nun zurück zu Niedersachsen. Interessant ist doch, dass nach der Abschaffung der solidarischen Umlagefinanzierung mehr Ausbildungsplätze entstanden sind. Auch in anderen Bereichen ist eine Ausbildungsplatzabgabe wirkungslos geblieben. Ehrlich gesagt, zeigen die Erfahrungen aus NRW, wo die Umlagefinanzierung eingeführt worden ist, welche Probleme auftreten: Klagen ohne Ende, und bei Einsprüchen muss das Land mit der Umlage in Vorleistung gehen. Es ist ein bürokratisches Monster ohne Nutzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was ich jedoch ausdrücklich begrüßen möchte, ist die Idee, dass die Stiftung Zukunft der Altenpflegeausbildung das vorhandene Geld dafür nutzen soll, wofür es die Leute einmal eingezahlt haben. - Es gibt sicherlich auch andere Wege der Zukunftssicherung als die Umlagefinanzierung.

Ich würde jetzt gerne auf die gesetzlichen Verordnungen zu sprechen kommen. Auch ich kenne die Vorgänge nicht, die Sie vorhin beschrieben haben. Ich würde aber sagen: Das Gesetz hätte damals an den Rahmenbedingungen nichts geändert. Denn wenn ein Topf leer ist, ist er leer, ob es nun erfolgreich ist oder nicht.

Wir stimmen der gesetzlichen Verordnung nicht zu; denn Schwarz-Gelb hatte ein Modell festgeschrieben. Das Modell funktioniert gut. Ich bin mir da mit Frau Joumaah einig: Wenn es erfolgreich ist, muss man die Mittel nachliefern. Wir alle wollen das. Ich denke, da bedarf es keiner gesetzlichen Vorschrift, die das verordnet; auch Gesetze kann man ändern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Polat das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade beim Thema Pflege wird viel Betroffenheit gezeigt. Im Wahlkampf haben wir alle viele Podiumsdiskussionen bestritten, weil der Mangel und der Notstand in der Pflege eklatant sind. Ich muss einfach feststellen, Herr Kollege Böhlke und Frau Kollegin Joumaah: In der Vergangenheit haben wir leider - genauso wie auf Bundesebene - keine wesentlichen Veränderungen im Bereich der Pflege erleben können.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch nicht richtig!)

Sonst würde es vor Ort eine andere Meinung geben als jene, die wir jetzt erleben.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wie ist es denn in Rheinland-Pfalz? Können Sie dazu mal was sagen?)

Wir wollen mit unseren Anträgen - das haben wir zumindest bei dem einen Antrag, den wir hier abschließend beraten, eigentlich gemeinsam festgestellt - die Anerkennung der Pflege, insbesondere der Altenpflege, sowie die Rahmenbedingungen der Pflege verbessern. Wir streiten uns mal wieder über den Weg dahin.

Beim Thema Schulgeldfreiheit haben wir deutlich gemacht, wie wichtig es ist - das hat der Kollege Uwe Schwarz deutlich gemacht -, dass wir die Schulgeldfreiheit in den Gesetzesrang erheben; wir haben das bereits in der letzten Legislaturperiode mit unserem Gesetzentwurf deutlich gemacht und wollen an dieser Stelle, dass das Ministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt.

Wir haben ausdrücklich gesagt: Die Altenpflege hat im Vergleich zu anderen Bereichen eine besondere Bedeutung. Deswegen ist uns hier insbesondere die Schulgeldfreiheit ein besonderes Anliegen. Aufgrund dessen müssen wir die freiwillige Leistung gesetzlich absichern. Wir hoffen einfach, dass Sie da über Ihren Schatten springen können, zumindest in Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Zum Thema Umlagefinanzierung. Ich habe in den vergangenen Legislaturperioden nicht an den Aus

schussberatungen teilgenommen, weil ich nicht für dieses Thema Pflege zuständig war. Allerdings konnte man in den Protokollen nachlesen - das kann jedes Mitglied des Landtages -, dass es damals aus Sicht des Ministeriums drei verschiedene Möglichkeiten gab, das Restvermögen aus der Altenpflegeumlage - welche keine Steuer war, sondern eine Sonderabgabe - abzuwickeln.

Erste Möglichkeit: Man zahlt die Umlage zurück. - Der Kollege Uwe Schwarz ist darauf eingegangen: Es ist eine schwierige Frage, an wen man zurückzahlt, zumal viele Personen verstorben sind; eine Möglichkeit wäre auch, die Umlage an die verschiedenen Träger zurückzuzahlen. Aus nachvollziehbaren Gründen ist die Rückzahlung nicht erfolgt.

Zweite Möglichkeit: Einstellung in eine neue Umlage. - Diese Möglichkeit wurde vonseiten des Ministeriums abgelehnt.

Man hat sich stattdessen - dritte Möglichkeit - auf den Weg zu einer Stiftung gemacht.

Wir sagen ganz deutlich - das wurde auch damals in den Beratungen und in der Presse deutlich -: Das war ein Misserfolg. Ich zitiere aus der Oldenburgischen Volkszeitung von 2012: „Stiftung trifft auch auf Skepsis und Ablehnung“. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hieß es: „Verbände fordern Umlage für Altenpflege“. Die Neue Presse schrieb: „Stiftung für Altenpflege stößt auf Ablehnung“.

Die Mehrheit hat sich für eine Umlage ausgesprochen. Von daher möchten wir die Umlagefinanzierung hier in Niedersachsen gerne wieder einführen. Einige Bundesländer, in denen sie praktiziert wird, sind bereits genannt worden. Wir halten sie für den richtigen Weg.

Sie sprachen es an: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die damalige Umlagefinanzierung in Niedersachsen - im Gegensatz beispielsweise zum thüringischen Gesetz - verfassungskonform war. Allerdings wird in Abschnitt 5 § 25 des Altenpflegegesetzes, das sozusagen erst im Nachhinein in Kraft getreten ist, davon gesprochen, dass es gilt, „einen Mangel an Ausbildungsplätzen zu verhindern oder zu beseitigen“. Das wird in den Ausschussberatungen noch einmal Thema sein. Da kann man auch prospektiv, wie der Kollege Schwarz gesagt hat, auf die sehr hohe Nachfrage, die uns bevorsteht, eingehen. Von daher hoffe ich, dass Sie den Weg der Umlagefinanzierung mitgehen können.

Ich hoffe auf gute Beratungen im Ausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Polat. - Nun hat Herr Kollege Böhlke für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Keine Sorge, ich habe nicht die Absicht, wie mein Kollege Schwarz Reden aus dem Wahlkampf vor der Landtagswahl zu wiederholen und das, was in den vergangenen Debatten zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht wurde, wieder vorzutragen und zu Protokoll zu geben.

(Uwe Schwarz [SPD]: Was wahr ist, ist wahr!)

- Natürlich: Was wahr ist, ist wahr, und man soll bei der Wahrheit bleiben.

Die Wahrheit ist z. B., Herr Kollege Schwarz, dass die Pflegesätze nicht vom Land festgelegt werden. Vielmehr sind hier die Anbieter und die Kostenträger gemeinsam an einem Tisch. Das Ergebnis ihrer Verhandlungen - das Sie hier ständig beklagen - ist dann die Grundlage, und das Land, das Ministerium hat lediglich die Rechtsaufsicht wahrzunehmen und darüber zu wachen, ob Willkür oder ob normales Verhalten an den Tag gelegt worden ist, nicht mehr und nicht weniger. Bleiben Sie also bei der Wahrheit, und stellen Sie die Dinge nicht immer wieder in ein falsches Licht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte gerne noch einmal deutlich machen, dass die Umlagefinanzierung ein Dauerthema im Landtag war. Das ist nichts Negatives. In den vergangenen Jahren war Pflege immer ein ganz besonders wichtiges Thema, und das wird sie auch bleiben. Einig sind wir uns darin, dass wir alles rechtlich und finanziell Mögliche tun müssen, um den Bedarf an Pflegekräften zu decken. Denn jeder hat im Alter eine zugewandte und kompetente Pflege verdient. Die müssen wir sicherstellen.

Deshalb hat die CDU-geführte Landesregierung in der Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Ausbildungssituation in der Altenpflege deutlich zu verbessern. Hier ist schon gesagt worden, dass im Jahre 2008 4 612 Ausbildungsplätze in der Altenpflege vorhanden waren.

Im Jahre 2012 waren es 6 572, also fast 2 000 Plätze mehr. Das ist eine Steigerung um fast 40 %.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotzdem gibt es keinen Grund, sich auszuruhen oder die Bemühungen zu verringern. Umso weniger verstehe ich die Ankündigung des Sozialministeriums, die Ausbildungsplatzförderung einzustellen. Wir alle wissen, dass hier finanzielle Ausgleichsmöglichkeiten im Raum stehen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. In Anbetracht der Haushaltssituation wäre ein Antrag auf überplanmäßige Ausgaben durchaus vertretbar und erfolgversprechend - wenn es Ihnen denn wirklich darum gehen würde!

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Aber es scheint Ihnen leider nicht darum zu gehen. Wichtiger ist Ihnen, bewährte Förderungen zu beenden, weil sie von der Vorgängerregierung begonnen wurden. Ich finde, das ist schade und wird der Sache nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Sie nehmen das billigend in Kauf, um Ihr Lieblingskind, die Umlagefinanzierung, überhaupt erst zu ermöglichen. Hier muss man einfach einmal deutlich sagen: Das ist ein Thema, das in der Vergangenheit auch im Landtag durchaus lebhaft diskutiert worden ist. Ich möchte daran erinnern, dass die Umlagefinanzierung seinerzeit von der damaligen Sozialministerin Merk, SPD, ausgesetzt wurde. Sie hat damals dazu in einer Plenarsitzung ausgeführt - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -: