Protokoll der Sitzung vom 22.11.2016

(Beifall)

Wir haben in den letzten 70 Jahren die Demokratie und die Freiheit schätzen und lieben gelernt. Aber wir merken heute, nach 70 Jahren, dass Demokra

tie und Freiheit keine Selbstverständlichkeiten sind.

Wir brauchen nur an die Grenzen Europas zu gucken: In der Türkei herrscht mittlerweile ein nationalistischer Autokrat, und wir machen uns Sorgen um die Demokratie dort. Das Vereinigte Königreich, die Heimat von Macready, hat entschieden, die Europäische Union zu veranlassen. Mit ein bisschen Sorge schauen wir auf die kommenden Präsidentschaftswahlen in unserem Nachbarland Frankreich und die Wahlen in den Niederlanden im kommenden Jahr.

Wir merken ein Stück weit, dass das, was wir als populistisches Phänomen bezeichnen, auch in Deutschland um sich greift. Immer mehr Menschen scheinen bei uns den Eindruck zu haben, dass es in der Politik so etwas wie ein gefühltes Einerlei gibt. Marktwirtschaft, die offene Gesellschaft, wirtschaftliche Freiheit und Rechtsstaatlichkeit - ich glaube, meine Damen und Herren, diese Werte müssen wir immer wieder neu begründen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Deutschland - und auch bei uns in Niedersachsen - nicht etwa mehr Rassisten oder Feinde der Demokratie haben, auch angesichts jüngster Landtagswahlergebnisse in anderen Bundesländern. Eine Demokratie muss und kann so etwas aushalten. Aber - und das macht mir Sorge - wir haben immer mehr Menschen, die in einer Stimme für Rechtspopulisten bei Wahlen eine Form des Protestes gefunden zu haben scheinen. Das sollte uns alle gemeinsam nicht nur nachdenklich stimmen, sondern wir müssen auch nach Antworten suchen.

Ich will Ihnen eines deutlich sagen: Der bisweilen erhobene moralische Zeigefinger kann nicht diese Antwort sein. Ich glaube, wir müssen als demokratische Parteien, die wir hier im Landtag vertreten sind, immer wieder deutlich machen, welche unterschiedlichen Positionen Demokraten haben. Demokratische Parteien müssen selbst Alternativen zueinander sein, um die Demokratie am Leben zu erhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Deswegen ist es aus meiner Sicht gerade auch der leidenschaftliche Streit in der Sache, der den Verfassungsauftrag, den die Parteien in Deutschland haben, nämlich an einer demokratischen Meinungsbildung, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, zum Leben erwachen lässt.

Die Demokraten müssen in einer solchen Phase des erstarkten Populismus nicht näher zusammenrücken. Man muss auch nicht die Demokratie in einer Art Nachhilfestunde besser erklären, sondern, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Demokratie - auch in diesem Hause - im Besonderen weiter leben. Insbesondere die repräsentative Demokratie braucht sich aus meiner Sicht nicht zu verstecken. Wir müssen die Unterschiedlichkeit, die Pluralität - auch zwischen den Parteien - und die politischen Strömungen immer wieder betonen.

(Zustimmung bei der FDP)

Das 70-jährige Bestehen des Landes Niedersachsen ist insofern - als das möchte ich es nehmen - ein Auftrag an die parlamentarische Demokratie, selbige mit Leben zu füllen. Es ist ein Auftrag an uns Demokraten. Wollen wir diesen Beitrag leisten!

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Dürr. - Meine Damen und Herren, das waren die Beiträge der Fraktionen. Ich möchte mich bei allen Rednern für die wohlgesetzten Worte zur Geschichte, zu den Perspektiven, zur Zukunft des Landes Niedersachsen bedanken.

Ich denke, bei allem tagespolitischen Streit verbindet uns doch die Überzeugung, dass wir alle hier sind, um dieses geglückte Land entsprechend weiterzuentwickeln. Dem sind wir miteinander verpflichtet. Es heißt dann einfach, wieder an die Arbeit zu gehen. Ich danke Ihnen noch einmal!

Meine Damen und Herren, ich gehe über zu dem

Tagesordnungspunkt 3: Feststellung eines Sitzverlustes gemäß Artikel 11 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung i. V. m. § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes - Antrag des Landtagspräsidenten - Drs. 17/6863

In der Drucksache 17/6863 liegt Ihnen der Antrag vor, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen den Mandatsverlust für Herrn Holger Heymann festzustellen,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

der uns ja schon im letzten Plenum eine herrliche Abschiedsrede geliefert hat, lieber Kollege Heymann. Wir erinnern uns.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, über einen solchen Tagesordnungspunkt wird traditionell ohne Besprechung abgestimmt. - Ich höre keinen Widerspruch und lasse daher gleich abstimmen.

Wer dem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Herr Heymann, Sie haben einen einstimmigen Abstimmungserfolg - wenn man so will.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Holger Heymann ist damit aus dem Landtag ausgeschieden.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir alle wünschen ihm für die Zukunft alles Gute, vor allem im wichtigen Amt des Landrates seiner Heimat. Alles Gute!

(Starker Beifall)

Sie kennen ja das plattdeutsche Sprichwort: Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall.

Gemäß § 38 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 2 des Landeswahlgesetzes hat die Landeswahlleiterin inzwischen festgestellt, dass der frei gewordene Sitz auf Herrn Ralf Borngräber übergeht. Herr Borngräber hat seine Bereitschaft erklärt, das Landtagsmandat als Nachrücker anzunehmen.

Lieber Herr Borngräber, ich begrüße Sie in unserer Mitte und wünsche Ihnen hier ein erfolgreiches Wirken zum Wohl des Landes.

(Starker Beifall)

Herr Borngräber, Sie kennen ja die Landtagsluft. Aber diesen Plenarsaal haben Sie als aktiver Abgeordneter noch nicht kennengelernt. Ihnen persönlich alles Gute!

(Abgeordnete aus allen Fraktionen begrüßen Ralf Borngräber [SPD] per- sönlich)

- Meine Damen und Herren, wir warten kurz.

Ich darf Sie alle bitten, Platz zu nehmen.

Meine Damen und Herren, außerhalb der Tagesordnung und nach Tagesordnungspunkt 3 wollen wir diesen Punkt behandeln:

Außerhalb der Tagesordnung: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zum Thema „Die Zukunft von Volkswagen sicherstellen“ - Regierungserklärung des Ministerpräsidenten - Drs. 17/6923

Zunächst erteile ich Herrn Ministerpräsidenten Weil das Wort für die angekündigte Regierungserklärung. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann an das soeben Gehörte anknüpfen: Seit dem Bestehen des Landes Niedersachsen hat der Landtag über sieben Jahrzehnte hinweg immer wieder die Entwicklung von Volkswagen begleitet. Zwischen Niedersachsen und Volkswagen besteht von Anfang an eine enge und intensive Beziehung. Das war so, seitdem die britische Militärregierung Volkswagen dem jungen Land Niedersachsen überantwortet hat. Das ist bis heute an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter für die gesamte Automobilindustrie so geblieben. Über alle politischen Grenzen hinweg und zu allen Zeiten hat sich der Landtag und haben sich die verschiedenen Landesregierungen Volkswagen und den Beschäftigten in diesem Unternehmen immer tief verbunden gefühlt.

Jetzt stehen wir vor einem neuen Kapitel dieser Verbindung. In vielleicht einzigartiger Weise befindet sich die Automobilindustrie insgesamt vor einem Wandel. Die gesamte Industrie und auch Volkswagen müssen sich auf tiefgreifende Veränderungen einstellen. Jetzt werden die Weichen gestellt und die Grundlagen für die Zukunft von Volkswagen gelegt. Das ist keine Übertreibung, sondern eine realistische Beschreibung der Herausforderungen. Es geht um nicht mehr und um nicht weniger als um die Zukunft von Volkswagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Landesregierung ist sich dieser Herausforderung sehr bewusst. Ebenso wie die anderen Beteiligten innerhalb des Unternehmens stellen wir uns dieser Herausforderung. Wir haben dabei ein absolut vordringliches Ziel, das uns alle - Vorstand und Belegschaft und Anteilseigner - miteinander

verbindet: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind fest entschlossen, die Zukunft von Volkswagen zu sichern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Unternehmen steht am Ende des Jahres 2016 gleichzeitig vor drei unterschiedlichen Herausforderungen:

Zunächst einmal geht es nach wie vor um die Aufarbeitung und Bewältigung von Dieselgate.

(Ulf Thiele [CDU]: Also doch!)

Über viele Jahre hinweg hat Volkswagen im Umgang mit Dieselabgaswerten schwere Fehler gemacht. Diese Fehler aufzuklären und sich ihren Konsequenzen zu stellen, ist für das Unternehmen ohne Alternative. Im Laufe dieses Jahres sind dabei deutliche Fortschritte erzielt worden, wenn ich etwa an die millionenfachen Rückrufe oder an die Vereinbarungen mit den amerikanischen Behörden denke. Vieles ist aber auch noch zu tun. Die Ermittlungen innerhalb des Unternehmens und durch die Behörden dauern bekanntlich an. Dabei werden - wenn ich das hinzufügen darf - im Übrigen bekanntlich auch Haftungsansprüche gegen Organmitglieder geprüft.

Das alles ist ein schmerzhafter Prozess, dem sich Volkswagen stellen muss - auch um verloren gegangenes Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Volkswagen kann auf eine großartige Unternehmensgeschichte zurückblicken. Teil dieser Vergangenheit sind aber eben auch völlig inakzeptable Verhaltensweisen, für die das Unternehmen jetzt geradestehen muss.