Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

Anders als Sie denken, lobe ich die Oberschulen ausdrücklich. Sie leisten im ländlichen Bereich wirklich gute Arbeit.

Zweitens. Beim Konjunkturprogramm gab es eine klare Vorgabe vom Land - das weiß ich noch, weil wir deswegen mit unserer Mensa an der IGS gescheitert sind -, dass mit den Mitteln daraus vornehmlich Hauptschulen auszustatten sind. Bei uns in Helmstedt hat das zwei oder drei Jahre lang funktioniert. Die Hauptschule gibt es gar nicht mehr, weil es nur fünf Anmeldungen gab.

(Jens Nacke [CDU]: Und die Mensa nutzt auch keiner mehr, oder was?)

Drittens - und da sind Sie nicht redlich -: Es geht nicht nur um die abgewiesenen Schüler. Die Hürden zur Einführung einer Gesamtschule sind doch wesentlich höher als für die Oberschule.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie müssen eine Elternbefragung machen. Sie müssen zehn Jahre lang Statistik machen usw. Die Oberschule hingegen können sie schlichtweg mit einem Schulträgerbeschluss einführen.

Also nochmal: Ich erkenne die Arbeit der Oberschulen an, aber die Beliebtheit ist nicht eine Frage der Schulform. Natürlich wollen die meisten Eltern einen bestmöglichen Abschluss. Eine Schule ist dann beliebt, wenn sie gute und hervorragende Arbeit leistet. Das gilt für alle Schulformen in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Strümpel. - Jetzt erteile ich der FDP-Fraktion das Wort. Es spricht der Kollege Björn Försterling. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 18. Mai 2016 schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung:

„Sie sind klein, arbeiten integriert und haben an mindestens zwei Tagen in der Woche ein verpflichtendes Nachmittagsangebot: In Hannover geht im Sommer eine neue Schulform an den Start, die integrierte Stadtteilschule in der Rechtsform Oberschule.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbst in der Landeshauptstadt Hannover hat man irgendwann gemerkt, dass die Rechtsform der Oberschule, so wie Schwarz-Gelb sie auf den Weg gebracht hat, ein adäquates Mittel ist, die Schulvielfalt zu erhöhen. Allerdings hat man sich in Hannover nicht getraut, die Oberschule dann auch Oberschule zu nennen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Weil sie auch integrativ arbeitet!)

Das zeigt noch einmal, welche Ideologie dahintersteckt und welche Grabenkämpfe hier geführt werden.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Wer ist denn hier gerade ideologisch? Sie!)

Das hat der Kollege Strümpel eben eindrucksvoll gezeigt. Ich fühlte mich in die 70er-Jahre zurückversetzt, Herr Kollege Strümpel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Erkennen Sie doch einfach einmal an, dass die Oberschulen in Niedersachsen tatsächlich ein Angebot sind, um die Vielfalt in der Schulstruktur zu erhöhen und entsprechende Möglichkeiten zu schaffen!

Wir haben damals bei der Erarbeitung der untergesetzlichen Regelungen zur Oberschule in der Tat sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Kollegien dort selbst entscheiden können, wie sie arbeiten wollen: Wollen sie jahrgangsbezogen arbeiten, wollen sie schulzweigbezogen arbeiten? Wollen sie in der fünften Klasse anfangen, Mathematik

oder auch schon Englisch zu differenzieren, oder wollen sie es in der sechsten Klasse machen?

Das hat dazu geführt, dass überall dort, wo Oberschulen entstanden sind, die Kollegien sich sehr ernsthaft mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben: Wie wollen sie die Schule entwickeln, mit welchem pädagogischen Konzept wollen sie arbeiten?

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es arbeiten viele jahrgangsbezogen!)

Das ist genau das, was wir erreichen wollten. Deswegen hat sich die Oberschule vielfach auch durchgesetzt. Die Oberschulen können selbst entscheiden, welche Fachleistungsdifferenzierungen sie auf den verschiedenen Niveaus einführen wollen und welche nicht.

Herr Kollege Strümpel, ich weiß nicht, ob es Ihnen schon gelungen ist, die Antworten der Landesregierung auf die heutigen Mündlichen Anfragen zu lesen. Wenn ja, dann werden Sie festgestellt haben, dass sich rund 40 der 280 Oberschulen entscheiden, Mathe und Englisch schon in der fünften Klasse leistungsbezogen zu differenzieren. Im sechsten Jahrgang sind es bereits 126 Schulen in Mathe und 127 Schulen in Englisch. - Genau das wollten wir erreichen: dass die Schule vor Ort entscheidet, welche Differenzierung notwendig ist. Im CDU-Antrag ist nicht die Rede davon, dass die Differenzierungen ausgeweitet werden sollen,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Doch! Natürlich fordert er das!)

sondern davon, dass die Schulen weitere Möglichkeiten bekommen, zu differenzieren. Aber es ist gar kein schlechter Ansatz, zu sagen: Wenn wir schon differenzieren, dann können wir auch so weit differenzieren, dass die Kinder mit einem Förderbedarf Lernen extra in Mathe, Englisch und dort, wo es für die Grundkompetenzen notwendig ist, unterrichtet werden.

Erkennen Sie doch die Chancen an, der Oberschule wieder mehr pädagogische Freiheit zuzugestehen! Haben Sie doch Vertrauen in die Lehrkräfte an den Oberschulen, das pädagogisch Sinnvolle zu machen! Haben Sie doch auch Vertrauen in die Schulträger, die landauf, landab von dem Rechtsmodell der Oberschule Gebrauch machen, auch, um Schulstandorte im ländlichen Raum zu erhalten! Denn auch Sie müssen doch zugeben, dass es nicht überall eine drei- oder vierzügige Gesamtschule geben kann, sondern dass man auch andere Möglichkeiten braucht.

Diese Möglichkeiten haben wir mit der Oberschule eingeräumt. Da muss man nicht schwarz oder weiß malen, sondern einfach feststellen, dass das eine Ausweitung der Schulvielfalt in Niedersachsen ist. Das ist ein Angebot, von dem viele Schulträger Gebrauch gemacht haben. Das ist ein Angebot, von dem viele Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen profitieren.

Genau darum muss es uns doch gehen: Was ist gut für die Schülerinnen und Schüler? - Und da ist es gut, wenn die Schulen in Ruhe arbeiten können, wenn die Lehrer pädagogische Konzepte für die Schule erarbeiten und umsetzen können und wenn sich die Politik heraushält. Deswegen ist es richtig, den Oberschulen mithilfe dieses Antrags mehr Freiheiten zu geben, anstatt sie zu gängeln, weil man sie aus ideologischen Gründen nicht haben will.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Wer gängelt denn mit Anträgen?)

Vielen Dank, Herr Försterling. - Ich erteile jetzt der Kollegin Julia Willie Hamburg für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Försterling, es ist wirklich abenteuerlich, Ihnen dabei zuzuhören, wie Sie die Geschichte hier gerade für sich neu erfunden haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Warum ist die Oberschule denn damals eingeführt worden? - An den Hauptschulen ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler zurückgegangen, und Sie mussten sich überlegen, wie Sie den Druck vom Kessel kriegen, um nicht Integrierte Gesamtschulen flächendeckend einführen zu müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Das war der Ursprung, wie aus einem Geistesblitz die Oberschule entstanden ist.

Kann man hier von einem Erfolgsmodell sprechen? - Sicherlich haben Sie insoweit recht, als dass sich die Oberschule flächendeckend ausgeweitet hat und angenommen wird. Aber wenn Sie ehrlich sind, ist sie doch eigentlich ein Relikt Ihrer abgewählten Schulpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Was haben Sie damals gemacht? - Sie haben die Vielfalt der Schulangebote im Land weiter erhöht. Sie haben dafür gesorgt, dass Eltern schon gar nicht mehr wissen, an welche Schule sie ihre Kinder eigentlich anmelden wollen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist bei einer Einheitsschule natürlich leichter!)

Sie haben damit ein siebengliedriges Schulsystem geschaffen - einmalig in dieser Bundesrepublik, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmalig schlecht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn diese Zerfaserung sorgt für eine Intransparenz für die Eltern. Sie sorgt für eine Unfähigkeit, Schulressourcen sinnvoll zu bündeln. Aber das passt ja in das System Ihrer schwarz-gelben Sortiermaschine.

Als die Oberschule 2012 eingeführt worden ist, hat meine damalige Kollegin Ina Korter eine Anfrage gestellt. Die Antwort darauf hat ergeben, dass ein Viertel der Oberschulen, die Sie eingerichtet haben, noch nicht einmal die niedrigen Voraussetzungen erfüllt hat, die Sie an die Schulzulassung gestellt haben. Sie brauchen für eine Oberschule eine Zweizügigkeit mit mindestens 48 Schülerinnen und Schülern. Ich möchte das einmal den Anforderungen gegenüberstellen, die unter Ihrer Regierungszeit an IGSen gestellt worden sind. Für sie brauchte man die Fünfzügigkeit mit mindestens 24 Schülerinnen und Schülern je Zug. Das ist eine Ungerechtigkeit, die wirklich ihres Gleichen gesucht hat. Sie macht auch deutlich, wes Geistes Kind die Oberschule war, als Sie sie eingeführt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Frau Kollegin Hamburg, der Kollege Seefried möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Sie lassen sie zu. - Bitte, Herr Seefried!

Vielen Dank. - Frau Hamburg, Sie haben den Unterschied zwischen IGS und Oberschule angesprochen, was die Mindestgröße angeht. Dazu die Frage: Halten Sie es für pädagogisch sinnvoll, zweizügige Integrierte Gesamtschulen in Niedersachsen einzuführen?

Frau Hamburg, bitte!

Das halte ich nicht für sinnvoll.