Dann werden wir den Antrag jetzt nach § 66 „Abweichung von der Tagesordnung“ behandeln. Ich lese das vor:
„Der Landtag kann, sofern nicht andere Vorschriften entgegenstehen, auf Vorschlag der Präsidentin oder des Präsidenten oder auf Antrag einer Fraktion oder von mindestens zehn Mitgliedern des Landtages beschließen,
1. dass Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, beraten werden, es sei denn, dass eine Fraktion oder zehn Mitglieder des Landtages widersprechen“.
Ich brauche nicht weiterzulesen. Zwei Fraktionen des Landtages haben hier widersprochen. Damit wird der Tagesordnungspunkt heute nicht behandelt, und wir fahren in der Tagesordnung fort.
Die für die Fragestellung geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus.
Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich darum, dass Sie sich schriftlich zur Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen wollen.
- Herr Grascha, wir müssen ein bisschen warten, weil jetzt der eine oder andere den Saal verlassen möchte. - Herr Kollege Grascha, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Schön, dass wir jetzt in die normale Tagesordnung einsteigen können. Ich verlese die Mündliche Anfrage:
In der Koalitionsvereinbarung haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen für eine moderne Haushaltspolitik im Sinne einer nachhaltigen und gerechten Konsolidierung ausgesprochen. In der Koalitionsvereinbarung heißt es:
„auf einen Dreiklang aus Einsparungen durch Aufgabenkritik und Effizienzsteigerungen, Investitionen in Maßnahmen, die die künftige Einnahmesituation verbessern … sowie auf nachhaltige Verbesserung der Einnahmen … Zur Konsolidierung des Landeshaushalts ist in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine konsequente Aufgabenanalyse und -kritik erforderlich, die alle Bereiche und Ressorts erfasst.“
Der zuständige Lenkungsausschuss tagte laut Antwort zu Drucksache 17/6654 zuletzt am 22. Juni. In der Antwort heißt es zudem:
„In der Folge waren nicht nur die Staatssekretäre, sondern auch die Mitglieder des Koordinierungskreises vorrangig mit den Herausforderungen der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen beschäftigt …“
2. Sind aufgrund der Aufgabenkritik grundsätzlich Ergebnisse im Sinne struktureller Änderungen zu erwarten oder bereits erzielt worden?
3. Aufgrund der Tatsache, dass die Landesregierung zu Drucksache 17/6654 antwortet, dass „Aufgabenanpassungen … nicht zu Kostenreduzierungen, sondern tendenziell zu Mehrausgaben führen“: Welche Äußerung trifft zu? Diese oder die Aussage der Regierungskoalition im Koalitionsvertrag, „Einsparungen durch Aufgabenkritik und Effizienzsteigerungen“ erreichen zu können?
Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Von der Landesregierung antwortet der Herr Innenminister. Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine moderne Haushaltspolitik im Sinne einer nachhaltigen und gerechten Konsolidierung war und ist ein herausragendes Ziel der Landesregierung und der sie tragenden Parteien. Insofern zieht sich die in der Koalitionsvereinbarung für die 17. Wahlperiode hierzu getroffene Aussage konsequent durch alle seither verabschiedeten Haushaltspläne.
Die von den Fragestellern zutreffend zitierten Ziele einer nachhaltigen Verbesserung der Einnahmen, einer klugen Investitionspolitik sowie spürbarer Effizienzsteigerungen und einer fortlaufenden Aufgabenkritik waren und sind handlungsleitend für das Agieren der Landesregierung sowohl innerhalb ihres eigenen Verantwortungsbereiches als auch in den Verhandlungen mit dem Bund und den anderen Ländern.
Der im Koalitionsvertrag angesprochene „Dreiklang“ macht dabei deutlich, dass eine wohlverstandene Haushalts- und Finanzpolitik ausdrücklich nicht nur auf Ausgabekürzungen reflektiert, sondern Einnahmeverbesserungen und Investitionen gleichrangige Gestaltungsfaktoren für den Landesetat darstellen.
Mit dem zu Beginn der Wahlperiode nicht absehbaren enormen Anstieg der Zugangszahlen insbesondere von Kriegsflüchtlingen stellte sich für die politisch Verantwortlichen und für die Zivilgesellschaft, aber auch für den Landeshaushalt eine gewaltige zusätzliche Aufgabe mit Folgewirkungen für fast alle Einzelpläne.
Ich halte es für ein Gebot der Vernunft, dass die Landesregierung hierauf nicht mit Ausgabekürzungen reagiert, sondern gegenüber dem Bund auf eine gesonderte Finanzierung und damit auf eine nachhaltige Verbesserung der Einnahmen gedrängt hat.
Im Ergebnis ist es uns gelungen, den im Koalitionsvertrag angesprochenen „Dreiklang“ von Maßnahmen herzustellen, sodass das Ziel eines konsolidierten Landeshaushalts auch und gerade in Bezug auf die grundgesetzlich verankerte Schul
denbremse entsprechend der in der mittelfristigen Finanzplanung beschlossenen Zahlen sogar vorzeitig erreicht wird.
Zu Frage 1: Alle Ressorts haben innerhalb ihres jeweiligen Geschäftsbereiches erfolgreich an dem Ziel einer modernen Haushaltspolitik im Sinne des Koalitionsvertrages mitgewirkt. Die Ergebnisse der Aufgabenkritik wurden erfolgreich in den jeweiligen Einzelplänen der Häuser umgesetzt.
Zu Frage 2: Im Rahmen der Projektgruppenarbeit zur Aufgabenkritik wurden Personalstrukturdaten erhoben und mit Blick auf die künftigen Aufgabenbereiche und absehbaren Personalbedarfe der einzelnen Häuser bewertet. Die - dauerhaften - Anforderungen der Unterbringung und Integration einer großen Zahl von zumeist kriegsflüchtigen Menschen haben neue Aufgaben geschaffen und auch die Rahmendaten zu Haushalt und Demografie in Niedersachsen verändert. Der dem Landtag derzeit zur Beratung vorliegende Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2017/2018 und die dazugehörige mittelfristige Finanzplanung bilden diese neuen Aufgaben und Rahmendaten für die nächsten Jahre auf Basis der heutigen Annahmen ab.
Demgegenüber wurde die von den Ressorts durchgeführte Bestandsaufnahme im Rahmen der Aufgabenanalyse bereits vor der Eskalation des Syrienkonflikts und dem dadurch ganz wesentlich verstärkten Flüchtlingszuzug nach Westeuropa abgeschlossen.
Die erhobenen Daten müssen dadurch zumindest zum Teil als veraltet gelten, zumal auch andere Einflussfaktoren - zu nennen sind hier insbesondere die verschärfte Sicherheitslage und auch die immer deutlicher spürbaren Auswirkungen der Digitalisierung - eine teilweise Neubewertung der künftigen Aufgabenbereiche und eben auch der absehbaren Personalbedarfe der Landesverwaltung erforderlich machen.
Vor diesem Hintergrund hat es sich als großer Vorteil erwiesen, dass die Landesregierung die Aufgabenanalyse von vornherein prozesshaft angelegt und nicht als statisches und rein fiskalisches Konsolidierungsprogramm begriffen hat.
Im Sinne einer fortgesetzten Aufgabenanalyse haben die Ressorts auf die sich wandelnden Rahmenbedingungen reagiert und auch strukturelle Änderungen in ihren jeweiligen Geschäftsbereichen vorgenommen. Zu nennen ist hier an erster
Im Zuge der bereits im Jahr 2014 angestiegenen Flüchtlingszahlen und des außerordentlich hohen Anstiegs der Zugänge asylsuchender Menschen ab September 2015 stand das Land vor der Herausforderung, in kürzester Zeit und ohne verlässliche Prognose für den weiteren Verlauf die erste Unterbringung und Versorgung für eine bis dato in Deutschland wie in Niedersachsen nicht zu erwartende hohe Zahl an geflüchteten Menschen sicherzustellen.
Die Landesregierung hat sich dieser Herausforderung noch in dem bereits angelaufenen Prozess der Neuorganisation der landesseitigen Erstaufnahme durch die Landesaufnahmebehörde gestellt und die erforderlichen Schritte eingeleitet.
So begründete neben der Unterbringungsproblematik die Entwicklung der Flüchtlingssituation für die Landesregierung einen für alle Aufgabenfacetten erheblichen Koordinierungs-, Abstimmungs- und Organisationsaufwand, der nur mit einem hohen Maß an Engagement, Kommunikation und vor allem dem reibungslosen Zusammenspiel von Landesbehörden, Kommunen, Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen zu bewältigen war.
Die Schaffung von Unterbringungskapazitäten, der Aufbau einer der Situation adäquaten Kommunikationsstruktur wie auch die Berücksichtigung kommunaler Interessen bei den Entscheidungen des Landes waren hierbei zentrale Aufgaben des Krisenmanagements des Landes.
Angesichts der historisch hohen Flüchtlingszahlen hat die Landesregierung entschieden, den steigenden Zuwachs zunächst landesseitig aufzufangen, um die Kommunen zu entlasten. Insofern mussten die Erstaufnahmekapazitäten im Sommer 2015 erneut deutlich ausgeweitet werden. Für die Akquise, den Aufbau und den Betrieb neuer Liegenschaften war eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts - u. a. MI, MF und MS - erforderlich. Dem Land ist es mithilfe der Kommunen und Hilfsorganisationen gelungen, die zuvor bestehenden 2 000 Erstaufnahmeplätze auf 50 000 Plätze zu erweitern.
Damit einher ging ein erhöhter Bedarf an Betreuungs- und Beratungsleistungen in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Die dort lebenden Menschen benötigten neben der Grund- und medizinischen Versorgung eine Erstorientierung, Sprachangebote und eine soziale Betreuung. Die