Bis jetzt, meine Damen und Herren, sind es nur die Amerikaner und seit ein paar Tagen auch die EUKommission, die in dieser Affäre Druck machen. Es wäre ein fataler Eindruck, den unsere Bürgerinnen und Bürger von unserem Rechtsstaat gewinnen könnten, wenn am Ende lediglich die Kleinen gehängt und die Großen laufen gelassen werden. Ich kann an dieser Stelle nicht erkennen, dass die Landesregierung in diesen Fragen ein gutes Bild abgibt. Insoweit aber, meine Damen und Herren, war es zumindest ein passendes Bild, als die Justizministerin im Oktober-Plenum zu spät zu einer
Gesetzeseinbringung erschienen ist. Wer, meine Damen und Herren, Professionalität von seinen untergeordneten Behörden verlangt, der muss sie auch selber vorleben!
Der aktuelle Haushaltsplanentwurf der Landesregierung enthält für den Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften insgesamt 85 neue Stellen. Auch im Bereich des Justizwachtmeisterdienstes wurden neue Stellen geschaffen. Das begrüße ich ausdrücklich.
Ja, die eingeschlagene Richtung ist richtig. Allerdings ist die Verstärkung nicht ausreichend; denn der Justizwachtmeisterdienst ist das entscheidende Element zur Gewährleistung der Sicherheit in den Gerichten. Hier sollte deutlich nachgebessert werden.
Gleiches gilt bei den Beschäftigten im niedersächsischen Justizvollzug. Bei ihrer Jahresversammlung haben die Mitarbeiter - auch in Anwesenheit der Ministerin - sehr deutlich gemacht, wie sehr die Arbeitsbelastung dort gestiegen ist. Die U-HaftAnstalten sind voll, und viele Gefangene zeichnen sich zunehmend durch Respektlosigkeit, aber auch durch Gewalt, insbesondere gegenüber weiblichen Bediensteten, aus. Unverständlicherweise wurde es in diesem Doppelhaushalt versäumt, den Justizvollzug mit einer deutlichen Anzahl von neuen Stellen zu verstärken. Da ist es zudem das völlig falsche Signal, auch in diesem Jahr die Anpassung der Vollzugszulage an die Höhe der Polizeizulage abzulehnen. Die FDP-Fraktion hat mit ihrem Haushaltsentwurf gezeigt, dass das möglich und auch sehr sinnvoll ist, meine Damen und Herren.
Es ist auch deutlich zu erkennen, dass diese Entscheidungen der Justizministerin große Probleme bei der Nachwuchsgewinnung ausgelöst haben. Die Erhöhung der Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten um ein paar Cent ist da schon eher ein Zeichen von Geringschätzung.
Ungelöst ist im Übrigen nach wie vor das Problem, dass Berufsgruppen wie Ärzte und Psychiater den Justizvollzug meiden. Auch hier hat die Justizministerin keine Lösungen entwickeln können.
Meine Damen und Herren, sinnvoll wäre es sicherlich auch gewesen, hätte die Justizministerin das Ergebnis der Großen Anfrage der FDP-Fraktion zur Ausstattung und Belastung der Justiz in die Haushaltsberatungen mit einfließen lassen. So besteht sicherlich Nachsteuerungsbedarf; denn offenkundig wird, dass in 20 Fällen pro Jahr Täter weniger bestraft werden können, weil sich die Verfahren vor den Gerichten zu sehr in die Länge gezogen haben. In den Jahren 2013 bis 2015 ist das in Niedersachsen 60-mal geschehen. Die Öffentlichkeit hat zu Recht kein Verständnis dafür, dass Täter besser davonkommen, weil die Justiz nicht schnell genug arbeiten kann.
Gleiches gilt, wenn die Hauptverhandlung in einer Strafsache erst nach der gesetzlichen Frist von sechs Monaten eröffnet werden kann. Das geschieht durchschnittlich in 2,5 Verfahren pro Monat in Niedersachsen. Wie kann, meine Damen und Herren, die Justizministerin mit solchen Dingen einverstanden sein? Wie kann sie damit zufrieden sein?
Noch schlimmer ist es, wenn sich Verfahren so lange hinziehen, dass die Verjährung der Taten eintritt. Anfällig sind insoweit insbesondere Wirtschaftsstrafsachen.
Ich darf Sie ganz kurz unterbrechen, Herr Dr. Genthe! - Ich stelle fest, dass Herr Minister Wenzel heute offenbar zu den begehrtesten Gesprächspartnern gehört.
Vielleicht richten Sie außerhalb des Plenarsaals ein kleines Gesprächsbüro ein. Das würde uns den Ablauf erleichtern. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, anfällig in diesem Bereich sind insbesondere Strafsachen im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Aus diesem Grund haben wir insoweit nach den Daten gefragt. Bedauerlicherweise konnte das Justizministerium nicht sagen, wie oft im Bereich der Wirtschaftskriminalität eine Verjährung von Straftaten aufgrund eines langwierigen Verfahrens in Niedersachsen eingetreten ist. Das ist schon bemerkenswert, da es in diesem Landtag insbesondere die Grünen sind, die sich hier regelmäßig über Wirtschaftskriminalität aufregen.
Das Justizministerium in Schleswig-Holstein war insoweit kenntnisreicher. Dort konnte man uns die Auskunft erteilen, dass zwischen 2010 und 2015 in keinem einzigen Fall eine vollständige Verjährung von Wirtschaftsstraftaten eingetreten ist. Aber immerhin konnte das Niedersächsische Justizministerium sagen, dass im Bereich der Wirtschaftskriminalität zwischen 2013 und 2015 in insgesamt 60 Fällen Strafnachlässe wegen besonders langer Verfahrensdauern gewährt worden sind. Das sind 20 pro Jahr. In Schleswig-Holstein ist das in fünf Jahren lediglich 16-mal vorgekommen. - Das muss doch auch das Ziel in Niedersachsen sein! Mir fehlt jedes Verständnis, warum die Justizministerin auf diese Dinge nicht reagiert und sich diese Reaktion nicht im Haushaltsentwurf wiederfindet.
Die Evaluation solcher Zahlen findet doch nicht aus Spaß statt. Ich hätte erwartet, dass das Ministerium insoweit Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Aber: Fehlanzeige!
In meiner Rede zur Großen Anfrage hatte ich ein Verfahren erwähnt, das ich selber als Rechtsanwalt bearbeite. Ich hatte berichtet, wie schwer es einem als Rechtsanwalt fällt, einem Mandanten zu erklären, warum es nach Einreichung einer Zivilklage 11 Monate und 22 Tage dauert, bis das niedersächsische Amtsgericht ist in der Lage ist, einen ersten Verhandlungstermin anzuberaumen.
Inzwischen - nach weiteren Verzögerungen - hat die Verhandlung stattgefunden, und zwar 13 Monate und 22 Tage nach Einreichung der Klage. Da war der letzte Schriftsatz, der zwischen den Parteien gewechselt wurde, bereits acht Monate alt. Dann ist schon das Papier vergilbt. Der Termin konnte nur durchgeführt werden, weil sich ein hoch engagierter junger Richter - übrigens der dritte oder vierte in diesem Verfahren - außerhalb der Sitzungstage einen Raum besorgte und die Verhandlung durchführte.
Das, meine Damen und Herren, ist sicher ein Einzelfall, stärkt aber genauso sicher nicht unseren Rechtsstaat.
Die in der Großen Anfrage aufgezeigten Verfahrensdauern und das System der Abordnung von Richtern hätten dazu führen müssen, sich im Justizministerium haushaltsrelevante Gedanken zu machen. Aber: Fehlanzeige!
Stattdessen versucht die Regierungskoalition, mit der angeblichen Neueinstellung von 1 000 Polizisten im Wahlkampf den Eindruck zu vermitteln, als würde sie Rechtsstaat können. Schlicht vergessen wurde, dass neue Polizisten auch neue Verfahren eröffnen werden, die dann durch die Justiz abzuarbeiten sind. So wäre es nötig gewesen, eine darauf abgestimmte Stärkung der Staatsanwaltschaften und Strafgerichte in den Haushaltsplanentwurf mit aufzunehmen. Aber: Fehlanzeige!
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass die notwendigen Investitionen in die Justiz mit Verschiebungen innerhalb des Justizhaushaltes zu finanzieren sind. Die Digitalisierung habe ich genannt, die Verfahren in Braunschweig, Investitionen in Gebäude, in Personal und vieles mehr. Der Justizministerin ist es nicht gelungen, diese auch gesellschaftlich so wichtige Frage im Kabinett Weil deutlich zu machen. Ihr ist es nicht gelungen, einen angemessenen Anteil an den Mehreinnahmen des Landes für die Justiz zu sichern. Stattdessen wird rot-grüne Klientelpolitik betrieben, und es werden Wahlgeschenke verteilt.
Meine Damen und Herren, nach Vorkommnissen wie in Hameln, in Bochum oder in Freiburg führen wir gesellschaftliche Debatten, die nur der Rechtsstaat vernünftig aufarbeiten kann. Ihn gilt es zu stärken. Jede Investition in die Festigung des Rechtsstaates ist eine Investition in den gesell
Vielen Dank, Herr Kollege Genthe. - Wir fahren fort. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Limburg das Wort. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich bei aller Polemik, die jetzt in die Haushaltsdebatte eingeflossen ist, ausdrücklich allen Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss für die ganz überwiegend sehr konstruktive und sachliche Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren danken. Ich denke, das ist absolut angemessen und würdig, gerade auch in diesem so wichtigen Themenbereich der Justiz.
Ich möchte auch einen ganz besonderen Dank an unseren Ausschussvorsitzenden Ulf Prange richten, der durch seine ruhige und sachliche Art viel zu der guten Arbeitsatmosphäre im Ausschuss beiträgt.
Der Dank geht schließlich an die Landtagsverwaltung, an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst und natürlich an das Justizministerium, an die zahlreichen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns bei den Haushaltsberatungen, aber auch darüber hinaus immer wieder tatkräftig unterstützt haben.
Meine Damen und Herren, alle meine Vorrednerinnen und Vorredner haben völlig zu Recht den Beschäftigten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der niedersächsischen Justiz als Ganzes gedankt. Diesem Dank schließe ich mich ausdrücklich an. Ohne sie, ohne die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, ohne die Menschen in der Justizverwaltung, in den Serviceeinheiten, aber auch ohne Gerichtsvollzieher, ohne Schöffen und ohne die zahlreichen anderen dort Beschäftigten wäre die Justiz und wäre ein guter und sicherer Rechtsstaat, wie wir ihn in Nie
dersachsen haben, nicht möglich und denkbar, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dafür unser Dank und unsere Anerkennung!
Weil wir weltweit in bewegten Zeiten leben, möchte ich kurz auf ein Beispiel verweisen, an dem wir sehen, was passieren kann, wenn die Justiz geschwächt wird.