Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

Weil wir weltweit in bewegten Zeiten leben, möchte ich kurz auf ein Beispiel verweisen, an dem wir sehen, was passieren kann, wenn die Justiz geschwächt wird.

Demokratie ist in Wahrheit ohne Rechtsstaat nicht denkbar. Wir sehen z. B. in der Türkei - einem Land, dem wir uns sehr verbunden fühlen -, dass es gerade ein Ringen zwischen der Regierung Erdoğan und der Justiz gibt. Es ist nicht so, dass die Justiz dort komplett gleichgeschaltet wäre. Der Oberste Gerichtshof hat z. B. die Freilassung von Can Dündar und anderen gegen den Willen Erdoğans angeordnet. Aber es ist dann in der Folge eben auch kein Zufall, dass sich eine der maßgeblichen Maßnahmen der AKP und Erdoğans gegen die türkische Justiz richtet und es eine Entlassungs- und Verhaftungswelle unter türkischen Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten gibt. Erdoğan mag bei Wahlen eine Mehrheit haben - ein Demokrat ist er nicht, u. a. weil er den Rechtsstaat nicht achtet, weil er den Rechtsstaat schwächt. Wer aber den Rechtsstaat gefährdet, der gefährdet die Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe ein gewisses Grundverständnis für einen heraufziehenden Landtagswahlkampf und das Bemühen, pointierte Reden zu halten. Aber wenn ich die Beiträge von CDU und FDP höre, dann frage ich mich schon, über welchen Haushaltsplanentwurf Sie eigentlich reden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ist es der Haushaltsplanentwurf des früheren Justizministers Busemann aus dem Jahr 2008 oder 2009, als es sicherlich an vielen Ecken zu wenig Stellen oder zu wenig Sachmittel gab, oder sind es sogar Haushaltsplanentwürfe vor meiner Landtagszeit, der früheren Kollegin Elisabeth HeisterNeumann? - Damals war in der Tat vieles von dem, was Sie hier beschrieben haben, richtig. Die

Justiz hatte einen schweren Stand, die Stellen haben nicht ausgereicht.

Im Jahr 2016 aber, mit dem Haushaltsplanentwurf für 2017 und 2018, ist es die Wahrheit, dass wir damit so viele Stellen in der niedersächsischen Justiz wie noch nie in der Landesgeschichte haben werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist ein großer Erfolg dieser Ministerin, aber vor allem auch dieser Koalition und dieser Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Opposition meint, hier immer wieder die Schattenseiten, die negativen Schlagzeilen rund um die Justiz darstellen zu müssen. Ich finde es aber auch wichtig, auf die großen Erfolge, die gerade unsere Justiz in Niedersachsen hat, hinzuweisen. Um nur ein Beispiel - ich könnte viele nennen - herauszustellen, sei der große Ermittlungserfolg der Staatsanwaltschaft Verden genannt, der vor ein paar Tagen durch die Medien ging: Ein weltweites Netz der Internetkriminalität konnte in Zusammenarbeit mit über 40 anderen Ländern zerschlagen werden, Verantwortliche konnten inhaftiert werden. Das ist ein großer Erfolg der niedersächsischen Justiz, und auch diesen Erfolg machen diese Ministerin und diese Regierungskoalition mit ihrer Stärkung der Justiz möglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der öffentlichen Debatte wird manchmal die Frage gestellt, wie sich die Justiz darstelle. Das Gesicht der Justiz sind mit Sicherheit die Richterinnen und Richter und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Aber das erste Gesicht, das Menschen sehen, wenn sie an einem Gericht, in einer Staatsanwaltschaft, mit der Justiz in Berührung kommen, sind in der Regel andere Personen. Das sind die Justizwachtmeisterinnen und -wachtmeister, das sind die Serviceeinheiten. Sie vermitteln den ersten Eindruck. Sie müssen die Menschen leiten und führen und Wegweiserinnen und Wegweiser sein.

Um diese Bedeutung angemessen zu würdigen und sie auszubauen, stärken die Fraktionen von SPD und Grünen mit ihren Anträgen den Servicebereich in der Justiz und auch die Barrierefreiheit. Unsere Gerichte sollen offene, übersichtliche, bürgernahe Orte sein. Diesen Weg wollen wir mit unserem Haushalt noch weiter stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist angesprochen worden: In den vergangenen Jahren sind viele Menschen aus anderen Ländern zu uns gekommen. Einige wenige von ihnen sind leider kriminell und einige natürlich auch schwerkriminell. Das ist zu Recht angesprochen worden. Das führt zu neuen Herausforderungen im Bereich der Justiz und auch im Bereich des Justizvollzuges. Deswegen stärken wir Videodolmetscherinnen und Videodolmetscher, damit wir die Kommunikation auch mit diesen Menschen sicherstellen können.

Meine Damen und Herren, SPD und Grüne stärken erstmalig im Land die Schöffen. Das ist richtig und wichtig; denn auch die ehrenamtlichen Schöffen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für das Gelingen der Justiz. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt, da Rot-Grün dieses Thema erstmalig auf die Bühne des Landtags gehoben hat, sollten wir nicht anfangen, uns kleinlich über die genaue Höhe des Haushaltsansatzes zu streiten, sondern wir sollten die kommenden Jahre nutzen, um gemeinsam zu überlegen, wie wir auch jenseits des Haushalts die Arbeit dieser Ehrenamtlichen durch rechtliche und organisatorische Maßnahmen noch besser stärken und erleichtern können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Redezeit reicht leider nicht aus, um auf die vielen unberechtigten Anwürfe und Vorwürfe, die hier gerade gekommen sind, in aller Tiefe einzugehen. Nur so viel: Ich habe fast ein bisschen Respekt vor der Kühnheit, mit der die jetzige Oppositionspartei CDU immer wieder versucht, Skandale, die ihre Wurzeln in ihrer Regierungszeit haben, der jetzigen Justizministerin anzulasten. Diese Justizministerin war es nicht, die Jörg L. zum Leiter des Justizprüfungsamts gemacht hat, die ihn zum Referatsleiter gemacht hat, die ihn in die Position gebracht hat, seine betrügerischen Machenschaften zu vollziehen. Diese Justizministerin war es nicht, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte großspurig gesagt hat: „Ich lasse keinen raus!“, anstatt Maßnahmen für die Resozialisierung und dafür zu treffen, dieses Urteil ordentlich umzusetzen. Diese Justizministerin hat sich darangemacht, die Resozialisierung, die Sicherungsverwahrung und die Therapie zu stärken, auch gegen Ihren erbitterten Widerstand, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nicht in die Amtszeit dieser Justizministerin sind die massiven Durchstechereien beim Ermittlungsverfahren gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff gefallen. Im Gegenteil, diese Justizministerin hat sich erstmalig darangemacht, diese Durchstechereien aufzuarbeiten. CDU und FDP hatten an einer solchen Aufarbeitung überhaupt kein Interesse, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Gründe dafür werden Sie kennen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Diese Durchstechereien sind doch weitergegangen! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke der Präsi- dentin)

Meine Damen und Herren, diese Ministerin ist ein Glücksfall für Niedersachsens Justiz.

(Lachen bei der CDU)

Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, anzunehmen, dass das nicht noch lange so sein wird.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Lutz Winkelmann [CDU]: Da muss er selber lachen!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir starten in die zweite Runde beim Thema Justizvollzug. Herr Kollege Deppmeyer, CDU-Fraktion!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wie Frau Ross-Luttmann schon gesagt hat, werde ich für die CDU-Fraktion jetzt zum Justizvollzug Stellung nehmen. Wir haben den Eindruck, der Justizvollzug ist ein bisschen das Stiefkind der Landesregierung, weil es das Stiefkind der Justizministerin ist. Dies ist sehr bedauerlich und wird dessen Bedeutung nicht gerecht.

In den letzten Jahren konnten wir uns über sinkende Gefangenenzahlen freuen. In den Jahren 2003 bis 2013 haben sie sich fast halbiert. Wir haben das in den letzten Wahlperioden für eine umfassende Modernisierung genutzt. Nun wäre es an der Zeit, noch mehr zur Resozialisierung der Gefangenen zu unternehmen. Leider unterbleibt das. Resozialisierung und Rückführung in die Gesellschaft sind aber das Wichtigste, was wir beim Justizvollzug zu schaffen haben.

Inzwischen steigt die Zahl der Untersuchungshäftlinge wieder deutlich an. Es ist zu befürchten, dass

wir eine Trendumkehr haben, dass es in Zukunft wieder steigende Belegungszahlen geben wird und damit die Chancen für eine Veränderung des Vollzugs vergeben und vergangen sind.

Um dies zu verhindern, haben wir für diesen Haushalt drei wesentliche Forderungen mit Geld unterlegt. Diese drei Hauptforderungen sind im Stellenplan nachzuvollziehen. Stellen im Justizvollzug dürfen nicht abgebaut werden, meine Damen, meine Herren. Das machen Sie zurzeit. Darüber hinaus hören Sie bei den berechtigten Forderungen der Mitarbeiter im Justizvollzug weg. Diese fordern vehement die Anpassung der Zulagen für den Dienst im Justizvollzug an das Niveau der Polizeizulage.

Die Polizei und die Justiz sind in diesem Zusammenhang als gleichwertig anzusehen. Wir sprechen uns nicht gegen die Zulage bei der Polizei aus. Wir sind aber ganz deutlich der Meinung, dass der Dienst des Justizvollzuges genauso schwierig ist wie der bei der Polizei.

(Zustimmung bei der SPD)

Physisch wie psychisch sind die Belastungen die gleichen. Es gibt Schichtdienst bzw. Nachtdienst. Andere Bundesländer - ich nenne hier NordrheinWestfalen, Bayern, Baden-Württemberg - haben hier angeglichen. Dies ist notwendig, und zwar auch deswegen, weil das für das Ruhegehalt von Bedeutung ist. Hier hat die Landesregierung bislang den Forderungen des Verbandes und unseren Forderungen eine Absage erteilt. Es ist auch eine soziale Frage, ob die Mitarbeiter im Justizvollzug, die ungefähr zu zwei Dritteln im ehemaligen mittleren Dienst beschäftigt sind, eine Zulage erhalten, die auf dem Niveau des Polizeivollzugs ist. Die Beamten des Polizeivollzugs tun ebenfalls einen schwierigen Dienst. Darum ist dies mit dem Justizvollzug gleichzustellen. Wir halten dies für notwendig und haben dafür 1 Million Euro in unseren alternativen Haushaltsvorschlag eingestellt.

Weiterhin fordern wir - und das schon zum vierten Mal - eine Stellenzulage für die Werkmeister. Meine Damen, meine Herren, in den Diskussionen im Ausschuss oder mit den Mitarbeitern werden diese Forderungen von Grün und Rot unterstützt. Es wird als wichtig betrachtet, aber es wird nicht umgesetzt. Wenn es zur Sache geht, dann sind Sie nicht mehr dabei. Ich weise darauf hin, dass die Justiz sich hier im Wettbewerb mit anderen Bildungsträgern befindet und dass der Justizvollzug diesen Wettbewerb verliert.

Wir setzen außerdem mehr Mittel für die Straffälligenhilfe ein. Dieser Ansatz muss unbedingt erhöht werden. Wir schlagen 200 000 Euro vor. Der Straffälligenhilfe ist deswegen wichtig, weil die Gefangenen hierdurch auf die Freiheit vorbereitet werden. Wir wissen von den sozialen Diensten, die diese Arbeit übernehmen, dass das Geld nicht mehr ausreicht, dass sie unter diesen Bedingungen nicht mehr in der Lage sind, ihre bekanntermaßen wichtige Aufgabe vernünftig umzusetzen.

Wichtig ist auch, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass die Stellen für die Sicherungsverwahrung in Göttingen in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr ausreichend sein werden. Hier muss von jetzt an vorgesorgt werden, damit dann nicht wieder die große Lücke kommt und wir Probleme haben, das Recht umzusetzen.

Informationen und Unterrichtungen kommen im Unterausschuss „Justizvollzug“ leider regelmäßig zu spät. Wir erfahren viele Dinge erst aus den Medien. Dies gilt im Besonderen für die Justizvollzugsanstalt in Hannover. Das führt dazu, dass wir ständig von Mitarbeitern und Gefangenen Hinweise auf Dinge bekommen, die dort im Argen liegen. Die Ministerin taucht hier ab. Sie nimmt nicht einmal Stellung. Es wird für den Justizvollzug Zeit, dass wieder eine Persönlichkeit mit gestalterischer Kraft das Ruder übernimmt.

Wir bedanken uns ganz besonders bei den Mitarbeitern im Justizvollzug. Sie leisten trotz dieser mangelhaften Führung eine gute Arbeit.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Deppmeyer. - Ebenfalls zum Themenbereich Justizvollzug spricht nun Herr Kollege Brunotte, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich zu Beginn bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministerium bzw. des Haushaltsreferats für die guten Haushaltsberatungen und für die Unterlagen bedanken, die zur Verfügung gestellt wurden. Ich glaube, der Justizhaushalt ist ein wichtiger Entwurf für den Doppelhaushalt, der die Erfolge der rotgrünen Mehrheit hier im Haus weiterführt und von daher eine ganz klare Handschrift trägt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei der Rede des Kollegen Deppmeyer hat mich mehr als irritiert, dass sich nach Ihrer Aussage die Zahl der Inhaftierten von 2003 bis 2013 halbiert hat, Sie aber gleichzeitig im Zeitraum der Halbierung der Gefangenenzahl eine teilprivatisierte Anstalt gebaut haben. Das erschließt sich unter Wirtschaftlichkeitsaspekten ja noch weniger!

(Helge Limburg [GRÜNE]: So ist es!)

Sie müssen also noch einmal nachlesen, was Sie da in eigener Regierungsverantwortung gemacht haben. Wir lehnen Privatisierungen im Vollzug weiterhin ab. Von daher haben wir da eine klare Basis.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushalt trägt - das habe ich gesagt - eine klare Handschrift. Wir haben für die Anlaufstellen der Straffälligenhilfe weitere Mittel zur Verfügung gestellt, um die Lücke, die in Verden besteht, schließen zu können. Das ist eine Fortsetzung der deutlichen Erhöhung, die wir mit dem ersten Haushalt von Rot-Grün bereits realisiert haben. Denn wir finden, die Anlaufstellen leisten eine wichtige und unverzichtbare Arbeit für die Resozialisierung im Land Niedersachsen. Von daher vielen Dank für diese wichtige Arbeit, deren Bedeutung auch durch den Haushalt dokumentiert wird!

(Zustimmung bei der SPD)