Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der Elternbeiträge im Kindergarten - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 17/7280
Da es sich um einen Gesetzentwurf der FDP handelt, bringt sie ihn naheliegenderweise ein. Herr Dürr möchte das Wort nehmen. Bitte sehr, Herr Dürr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bereits wir als schwarz-gelbe Koalition haben während unserer Regierungszeit das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt und damals deutlich gemacht, dass das ein erster Schritt in Richtung einer Beitragsfreiheit für die gesamte Kindergartenzeit sein soll. Wir begrüßen deshalb die Ankündigung des Landesvorsitzenden der SPD Niedersachsen ausdrücklich, für dieses Ziel jetzt gemeinsam mit uns kämpfen zu wollen, meine Damen und Herren.
Herr Weil, in diesem Hause sind sich alle vier Fraktionen in der Sache vollkommen einig: Wir brauchen in Niedersachsen jetzt einen Durchbruch. Wir brauchen die Beitragsfreiheit für die Kindergartenzeit.
Ich sage aber auch: Wenn man das ernst meint, dann muss man das auch machen - und nicht nur ankündigen, meine Damen und Herren! Ich will das in Richtung der Kollegen der SPD sagen: Ich habe mir am Sonntag die Sendung „Anne Will“ angeschaut und dort dem Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, zugehört. Ich will Herrn Schulz ausdrücklich darin recht geben, dass die arbeitende Mitte der Gesellschaft in Deutschland endlich Entlastung braucht; das will ich in aller Deutlichkeit sagen. Gleichzeitig bedauere ich, dass Martin Schulz eine steuerliche Entlastung genau dieser Mitte ausgeschlossen hat und damit sogar hinter die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zurückfällt, meine Damen und Herren.
Wenn es die SPD in den Wahljahren 2017 und 2018 mit der Entlastung der Mitte ernst meint, dann dürfen Sie es jetzt nicht bei Ankündigungen belassen, sondern müssen Sie entsprechende Initiativen in den Parlamenten ergreifen!
Herr Kollege Dürr, einen Moment bitte! - Meine Damen und Herren, die Geräuschkulisse im Plenum ist nicht zumutbar. Es geht um ein ganz wichtiges Thema, und ich denke, Sie alle wollen zuhören. Herr Kollege Adasch, Herr Kollege Erkan, Frau Kollegin Geuter! - Weiter geht’s!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich will an „Anne Will“ anknüpfen: Genau darum geht es! Es geht um eine Entlastung der arbeitenden Mitte in Deutschland. Im Jahr 2016 sind die Bruttoeinkommen gegenüber dem Vorjahr um 1,8 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die Staatseinnahmen - die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen - um 4,5 % nach oben gegangen. Zurzeit haben wir die Situation, dass der Staat gleichzeitig von historisch niedrigen Zinsen - der Finanzminister freut sich darüber natürlich - und von steigenden Steuereinnahmen profitiert.
Die Menschen - das ist zurzeit das Problem - in der vergessenen Mitte Deutschlands haben immer mehr den Eindruck, dass sie nicht im gleichen Maße wie der Staat von diesem wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands profitieren.
Ich sage erneut: Wenn man das ernst meint, dann muss man sein Regierungshandeln genau daran ausrichten. Wenn junge Familien nach der Geburt ihres Kindes mittlerweile auf Teile ihres Einkommens verzichten, weil Vater oder Mutter in Teilzeit gehen, wenn es für junge Familien in unserem Land eben immer schwieriger wird, selbst etwas aufzubauen, weil der Staat ihnen tendenziell immer mehr wegnimmt, dann müssen wir uns jetzt - gerade in so schwierigen Zeiten; zumal übrigens auch der Populismus in der deutschen Politik um sich greift - genau um diese arbeitende Mitte der Gesellschaft kümmern, nämlich um diejenigen, die am Ende den Karren ziehen.
Es geht, meine Damen und Herren, jetzt nicht zu allererst um diejenigen, die auf staatliche Transfers angewiesen sind. Natürlich brauchen auch diese Familien unsere Solidarität. Kein Zweifel! Sie sind aber derzeit in allen Kommunen von den Kitagebühren weitestgehend freigestellt. Vielmehr geht es jetzt um diejenigen, die gut ausgebildet sind, in die Familienphase eintreten, Kinder bekommen und ihre Kinder in die Betreuung in den Kommunen geben. Es geht um Familien, die mittlerweile für Ganztagsplätze im Kindergartenbereich bis zu 400 Euro zahlen müssen. Genau um sie geht es und damit auch um diejenigen, die sich bei gestiegenen Baukosten ein Eigenheim aufbauen und in die Finanzierung eintreten, die von der kalten Progression nach wie vor eiskalt erwischt werden.
Ich will das an dieser Stelle wiederholen: Im Jahr 1960 musste man das 18-Fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zahlen zu müssen. Die Realität im Jahr 2017 ist, dass es ausreicht, das 1,4-Fache des Durchschnittseinkommens zu verdienen. Um diese Familien, um diese arbeitende Mitte der Gesellschaft geht es - auch gerade bei der Entlastung im Bereich der Kinderbetreuung, meine Damen und Herren.
Ich glaube, es ist an der Zeit, genau diese Mitte wieder in den Fokus der Politik zu rücken; denn diese Mitte hatte in den letzten Jahren oft das Gefühl, dass es um Superreiche ging oder um diejenigen, die es in der Gesellschaft schwerer haben. Aber die arbeitende Mitte ist oft genug aus dem Fokus geraten. Sie muss endlich den Eindruck bekommen, dass Politik wieder für sie gemacht wird und dass das Leben nicht immer nur komplizierter wird, weil sie mit immer mehr Bürokratie konfrontiert wird, sodass es am Ende vor allen Dingen immer teurer für sie wird.
- die Landesbeauftragte kann bestimmt gleich noch zu Ihnen treten - einen Blog veröffentlicht, den ich spannend fand. Sie haben darin nämlich den Beschluss der Landes-SPD zusammengefasst: „Kostenfreie Kita für alle“. - Wir unterstützen das!
- Familienfreundlichkeit ist in Niedersachsen ein Top-Thema. Junge Leute sollen in unserem Land unterstützt werden bei ihrer Entscheidung für Kinder.
Ich will Ihnen eines sagen: Ein Werben ist in diesem Hause nicht notwendig, Herr Ministerpräsident! Wir teilen Ihre Auffassung ausdrücklich. Ich sage aber auch: Wenn Sie jetzt vor der Landtagswahl eine breite Mehrheit aus Union, FDP, Grünen und SPD haben, dann ist es die Aufgabe eines Ministerpräsidenten, diese parlamentarische Mehrheit jetzt - und zwar vor der Landtagswahl - zu nutzen, um das in aller Deutlichkeit zu sagen.
Dieser Gesetzentwurf wird nun in die Ausschussberatungen gehen. Deswegen möchte ich an Sie, Herr Weil, als Ministerpräsident und natürlich auch als Wahlkämpfer der SPD - ich hoffe, als glaubwürdiger Wahlkämpfer - appellieren: Wer jetzt die breite Mehrheit des Hauses hinter sich hat, wer weiß, dass die breite Mehrheit der Gesellschaft hinter genau diesem Vorhaben steht, der hat jetzt, zu diesem Zeitpunkt, zu dem die Steuereinnahmen sprudeln und zu dem man Prioritäten gerade bei der Förderung von Familien setzen kann, die historische Verantwortung, diese breite Mehrheit auch zu nutzen, meine Damen und Herren. Alles andere ist schlicht und einfach unglaubwürdig.
Vielen Dank, Herr Kollege Dürr. - Als Nächste hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Julia Willie Hamburg gemeldet. Frau Hamburg, bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dürr, mit Ihrer Rede haben Sie sich, glaube ich, bereits heute schon als seriöser Wahlkämpfer in diesem Wahlkampf verabschiedet.
Ich möchte gern zum Einstieg aus der heutigen Ausgabe des Rundblicks zitieren. Das ist ja nun ein Medium, welches relativ unverdächtig ist, zu hart und zu kritisch mit der FDP umzugehen.
„Zuerst forderte die niedersächsische SPD den beitragsfreien Kindergarten. Dann zog die CDU Niedersachsen nach. Und jetzt legt