Ich frage präzise nach dem Minister und nach dem Staatssekretär, wann diese beiden Personen Kenntnis von den Sozialhilfebetrugsfällen, von der Existenz der Akten erhalten haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lorberg, ich habe es in meiner Beantwortung sehr deutlich gesagt. Ich habe durch die Medienberichterstattung am 2. Januar von den Betrugsvorwürfen, von dem Verdacht des Sozialleistungsbetrugs erfahren.
Von dem Verdacht oder von dem Vorwurf, dass es dabei zu Vertuschungen gekommen sei, habe ich durch die Medienberichterstattung am 22. Januar erfahren. Das sind zwei unterschiedliche Ebenen des gleichen Sachverhalts - um es noch einmal sehr deutlich zu sagen.
Herr Staatssekretär Manke hat, wie ich ebenfalls ausgeführt habe, durch die Beschwerde, die am 9. Dezember - jetzt aus der Erinnerung; ich habe es ja vorgetragen - im Innenministerium eingegangen ist, Kenntnis erlangt.
(Editha Lorberg [CDU]: Ich habe ge- fragt, wann Sie Kenntnis von der Exis- tenz der Akten erhalten haben, nicht von den Vertuschungen!)
- Von den Akten habe ich auch erst danach Kenntnis erlangt, also nach dem 22. Januar. Vorher hatte ich keine Kenntnis davon, dass Akten von einer Behörde an die andere weitergeleitet worden sind. Meine Damen und Herren, ich hatte aber auch viel zu tun. Wenn ich über jeden Stapel Akten, der von der Behörde A zur Behörde B übergeben worden ist, informiert worden wäre - - -
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Sie wussten anderthalb Monate vorher davon, dass es eine solche Be- schwerde gibt! Das darf doch nicht wahr sein! - Zuruf von der CDU: Die Frage richtete sich nach dem Staats- sekretär!)
(Zuruf: Schön beantwortet! - Minister Boris Pistorius: Ich kann das gerne nachtragen! - Jens Nacke [CDU]: Der Minister hat sich gerade zu Wort ge- meldet!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Nacke, um die Frage nachträglich zu beantworten: Herr Staatssekretär Nacke hat, wie er mir gerade versicherte - - -
(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Das hätten Sie wohl gern! Das wird er wohl nicht machen, glaube ich! - Zuruf: Jawohl!)
- Ich muss ja zugeben: Lieber ein Staatssekretär Nacke als ein Innenminister Nacke! Aber lassen wir das!
- Ja, Herr Nacke. Aber zumindest hätten wir beide viel Spaß im Innenministerium. Davon bin ich fest überzeugt.
Aber Spaß beiseite. Herr Staatssekretär Manke hat im Zuge der Aufarbeitung der Beschwerde, die im Dezember eingegangen ist, von der Übergabe der Akten an das Ministerium im Sommer erfahren.
(Jens Nacke [CDU]: Das war kein Thema? Hundertfacher Betrug, vier- einhalb Millionen, und das war für den Staatssekretär kein Thema, das mit dem Minister zu besprechen? Das ist doch so was von unglaubwürdig! Wer soll denn das glauben?)
(Jens Nacke [CDU]: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen! Aber die- sen Vergleich darf ich wahrscheinlich auch nicht bringen! - Weitere Zurufe - Unruhe)
(Zuruf: Gerne! - Jens Nacke [CDU]: Junge, Junge, da muss einem ja Angst und Bange werden bei diesem Minister!)
Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund Ihrer Aussage, dass Verdachtsfälle aus der Landesaufnahmebehörde unmittelbar an die Polizei gegeben werden, frage ich Sie: Halten Sie es für korrekt, dass die Verdachtsfälle, die
von der betreffenden Mitarbeiterin im Januar aufgearbeitet worden sind, bis Ende Mai beim Leiter des Standorts in Braunschweig zur Vorprüfung gelegen haben? Halten Sie es für korrekt, dass Vorprüfungen möglicher Verdachtsfälle in der LAB NI durchgeführt werden, nicht aber durch die Polizei?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Oetjen, ich habe vorhin dargestellt, dass es auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen der Landesaufnahmebehörde und den Polizeibehörden übliche Praxis ist, dass dann, wenn Verdachtsfälle in der LAB NI auftreten, diese sofort der Polizei gemeldet werden bzw. die Polizei sogar sofort hinzugezogen wird. Das ist immer der Status quo gewesen.
In diesem Fall haben wir aber die Situation, dass die Mitarbeiterin die Fälle, zu denen sie eigene Recherchen angestellt hat, in Form einer retrograden Betrachtung weitergegeben hat. Das heißt, die betroffenen Personen waren gar nicht mehr in der LAB NI. Von daher war von vornherein ein anderer Ablauf vorgegeben.
Der Ablauf war relativ einfach. Ich habe gestern dargestellt, dass der Standortleiter im Februar - - - Ich wiederhole das gerne, auch wenn Sie es nicht hören wollen, weil es Ihr Meinungsbild durcheinanderbringen könnte. Der Standortleiter hatte überhaupt kein Interesse daran, irgendetwas zu vertuschen oder zu verdrängen. Wenn er ein Interesse daran gehabt hätte, wäre er ziemlich dumm gewesen, die Polizei unmittelbar nach Vorlage der ersten 30 Vorgänge telefonisch zu unterrichten und sich mit der Polizei zu besprechen. Wer so etwas tut, der will nichts vertuschen, sondern der will ein Verfahren absprechen. Dabei mag es ja zu
Fehlern gekommen sein. Aber der Vertuschungsvorwurf geht nun so auf absurde Art und Weise ins Leere, dass auch Sie das endlich zur Kenntnis nehmen sollten.
Die Frage, ob das richtig ist oder nicht, was in den Folgemonaten passiert ist, wird jetzt staatsanwaltschaftlich, aber auch dienstrechtlich aufzuarbeiten sein.
Ich will aber auf noch etwas hinweisen: Wir reden hier über einen Sachverhalt und über Vorwürfe einer einzelnen Person. Ich finde, wir alle sollten uns gemeinsam die Mühe geben, der Unschuldsvermutung ein klein wenig Raum zu geben. Ich bin sehr daran interessiert - auch im Interesse gesicherter Abläufe innerhalb der Behörden des Landes Niedersachsen -, dass das aufgearbeitet wird. Aber das heißt doch nicht, dass die Aussage eines Menschen ausreichen kann, um schon heute alle Verurteilungen auszusprechen, die einem gerade durch den Kopf gehen. Ich bin sehr dafür, dass wir das aufklären. Wir werden das auch tun. Wir sind dabei.