Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie haben doch schon gesagt: Da ist nichts dran, das ist erledigt!)

- Ich habe lediglich erklärt, dass wir bislang, nach dem heutigen Kenntnisstand, nichts von einer Vertuschung erkennen können. Dass der Standortleiter, die Behörde im Mai innerhalb von einer Woche alle Akten nach Übergabe durch die Mitarbeiterin an die Polizei übergeben hat, ist nun wirklich so eindeutig wie nur irgendetwas.

(Jörg Bode [FDP]: Auf welcher Grund- lage wurde das Disziplinarverfahren eingereicht?)

Wer angesichts dieses Zeitkorridors von Vertuschung oder Verschleppung spricht, verzerrt den Sachverhalt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Lorberg. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung nach den Ausführungen des Ministers, ob Herr Minister Pistorius die

Aussagen der Mitarbeiterin Nadja N. für unglaubwürdig hält.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lorberg, das ist eine interessante Frage, die offenbart, wie Sie zur Unschuldsvermutung in diesem Land stehen.

(Editha Lorberg [CDU]: Nein, nein! Ich habe genau zugehört, Herr Minister!)

Ich habe weder gesagt, dass die Aussagen der Mitarbeiterin unglaubwürdig sind, noch habe ich etwas Ähnliches gesagt. Ich habe nur gesagt: Uns liegen bislang nur ihre Aussagen vor. - In einem rechtsstaatlichen Verfahren, in dem jeder das Institut der Unschuldsvermutung für sich in Anspruch nehmen kann, sollten wir bitte erst die Ermittlungen abwarten, bevor wir Leute verurteilen. Darum geht es hier in dieser Frage. Ich unterstelle der Frau überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Jetzt ist Herr Dr. Birkner, FDPFraktion, dran. Bitte!

(Jens Nacke [CDU]: „Vertuschen klappt nicht“ steht in der Braun- schweiger Zeitung!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, warum haben Sie eigentlich nicht schon in der Pressekonferenz davon berichtet, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Angst vor einem vermeintlichen Rassismusvorwurf in diesem Verfahren mit eine Rolle gespielt haben könnte?

(Christian Dürr [FDP]: Eine sehr gute Frage!)

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil ich es zu diesem Zeitpunkt nicht wusste. Ganz einfach.

Ich will aber gerne einen Beitrag zur Aufhellung leisten. Ich habe heute Morgen mit dem Standortleiter - seinen Namen kennen Sie alle, sodass ich ihn hier nicht nennen muss - sprechen lassen, und ich habe ihn bitten lassen, uns, wenn er kein Problem damit hat, die Erlaubnis zu erteilen, den entscheidenden Absatz aus seiner dienstlichen Erklärung vorzulesen. Das würde ich mit der Erlaubnis des Präsidenten gerne tun.

Er erklärt hier: Es handelte sich nicht um die Feststellung von Mehrfachidentitäten von Personen, die persönlich im Sozialamt anwesend waren. Diese Personen wurden umgehend der Polizei zur weiteren Ermittlung übergeben. Vielmehr handelte es sich um die Prüfung der NIAS-Bildauskünfte. Frau N. legte mir exemplarisch einen Ordner zur Ansicht vor. Eine erste Durchsicht zeigte, dass in dem Ordner im Wesentlichen Schwarz-WeißDrucke der NIAS-Bildauskunft von Schwarzafrikanern zusammengestellt waren. Diese Datenbasis war vor dem Hintergrund der dargestellten, durch Zufall entdeckten Gabe und der Bildqualität meines Erachtens nicht in dem Maße valide, dass ich sie ohne weitere Prüfung hätte verwenden können. Die zusammengestellten Fälle ohne weitere Prüfung zur Anzeige zu bringen, hätte die Gefahr geborgen, in großem Umfang ungerechtfertigte Verdächtigungen auszusprechen. Auch die Auffälligkeit, dass es sich augenscheinlich ausschließlich um Schwarzafrikaner handelte, war zu prüfen, um einem etwaigen Vorwurf der Diskriminierung entgegnen zu können. - Zitat Ende.

Damit will er Folgendes sagen: dass er als Behördenleiter erstens die Verpflichtung hat, Vorgänge, die an die Polizei abgegeben werden, auf ihre materiell-rechtliche Plausibilität hin zu prüfen. Wenn ein Sozialamt in irgendeiner Stadt in Niedersachsen den Verdacht hegt, dass Menschen Sozialleistungsbetrug begehen oder in anderen Behördenbereichen, in anderen Fachbereichen Betrügereien oder Straftaten begehen werden, dann ist es Praxis, dass die entsprechenden Behörden diesen Sachverhalt materiell-rechtlich aufarbeiten und erst dann an die Polizei abgeben, damit dort die Ermittlungen geführt werden können.

Der Standortleiter hatte hier den Wunsch zu gucken: Ist das überhaupt so valide, dass man der Polizei diese 500 Fälle auf den Tisch legen kann?

Ist das so belastbar, und zwar nicht im Sinne einer strafrechtlichen Würdigung, sondern einfach vom Tatsachenmaterial her? - Das war seine Überlegung.

Seine andere Überlegung war: Wenn es nur Schwarzafrikaner sind, müssen wir gucken, warum es nur Schwarzafrikaner sind bzw. warum es sich auf diese Gruppe fokussiert. Das kann man ihm jetzt im Nachhinein vorwerfen. Was man ihm jedenfalls nicht vorwerfen kann, ist, dass er Angst vor dem Vorwurf hatte, als Rassist bezeichnet zu werden. Er wollte nur dem Vorwurf ausweichen, irgendjemanden deshalb, weil er Schwarzafrikaner ist, zu diskriminieren. Das ist der Hintergrund dieser dienstlichen Erklärung und auch seines Verhaltens. Ich finde, das ist ihm nicht vorzuwerfen, zumal kein nennenswerter zeitlicher Verzug eingetreten ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Lynack, SPD-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Herr Minister, das ist vorhin ja schon mehrfach angeklungen. Zur Unschuldsvermutung haben Sie sich geäußert. Aber mir kommt es so vor, als versuche die Opposition, mit ihren Fragen zu suggerieren, als sei der Vertuschungsversuch amtlich.

(Jörg Bode [FDP]: Mir kommt das nicht so vor! - Zurufe von der CDU: Frage!)

Gilt die Unschuldsvermutung, oder ist es tatsächlich amtlich erwiesen, dass hier versucht wird, den Sozialmissbrauch zu vertuschen?

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Minister Pistorius, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat bereits gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde die Einhaltung des Rechtsstaates gefordert. In einem Rechtsstaat

obliegt aber die endgültige Entscheidung darüber, ob ein Sachverhalt straf- oder disziplinarrechtlich relevant ist, den zuständigen Behörden und den Gerichten, meine Damen und Herren. Das ist übrigens Wesensgehalt der Gewaltenteilung.

(Zustimmung von Bernd Lynack [SPD])

Wie bereits in der Beantwortung der Frage 2 dieser Dringlichen Anfrage dargelegt, läuft inzwischen ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Gegen den Standortleiter wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dieses Verfahren gilt es nun abzuwarten. Auch aus diesem Grund habe ich mitgeteilt, dass nach derzeitigem Stand - nach derzeitigem Stand - von Vertuschung keine Rede sein kann.

Und noch einmal an dieser Stelle, damit es bitte auch alle zur Kenntnis nehmen: Die Akten liegen seit Juni 2016 der Polizei vor. Diese ermittelt jetzt. Auch das gilt es abzuwarten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt ist für Bündnis 90/Die Grünen Kollegin Janssen-Kucz dran.

Meine Damen und Herren! Um auch noch einmal auf das zurückzukommen, was wir in der umfangreichen Unterrichtung über die Arbeitsweise des Bundesamtes gehört haben, frage ich die Landesregierung: Wie ist eigentlich der Bearbeitungsrückstand des BAMF bis heute in Niedersachsen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Nebelkerze! - Gegenruf von Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das hat nichts mit Nebelkerzen zu tun! - Björn Thümler [CDU]: Mit der Frage hat das erst einmal gar nichts zu tun!)

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das hat eine ganze Menge mit der Frage zu tun. Denn ausweislich des letzten Statusberichtes des BAMF vom 16. Januar 2017 hatte das BAMF in Niedersachsen noch 47 275 anhängige Verfahren. Im Bund sind es insgesamt 433 719.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Kollege Oetjen, FDP-Fraktion.

(Ulf Thiele [CDU]: Im eigenen Haus weiß er nichts, null! - Gegenruf von Jörg Bode [FDP]: Aber beim BAMF! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU])

- Meine Kollegen! Herr Thiele!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich finde es schon erstaunlich, dass vier Monate, in denen nichts passiert ist, für Sie kein nennenswerter Verzug sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber zu meiner Frage, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wenn es nach Ihrer Ansicht und nach Ihrer Aussage überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich möglicherweise um eine Vertuschung gehandelt hat, warum eröffnen Sie dann ein Disziplinarverfahren?