Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Aber zu meiner Frage, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wenn es nach Ihrer Ansicht und nach Ihrer Aussage überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich möglicherweise um eine Vertuschung gehandelt hat, warum eröffnen Sie dann ein Disziplinarverfahren?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um auf Ihre einleitende Vorbemerkung zu der Frage einzugehen: Meine Bemerkung „keine nennenswerte Verzögerung“ bezog sich auf die Vorgänge im Mai, als das große Konvolut von Akten übergeben worden war und dann innerhalb einer Woche bei der Polizei Braunschweig war.

Bezüglich der 30 Fälle, die im Februar vorgelegt waren, habe ich sehr deutlich gesagt, dass der Standortleiter unmittelbar Kontakt mit der Polizei aufgenommen hat und dass danach in der Tat zwischen Polizei und LAB NI nicht klar genug abgestimmt worden ist, wer jetzt was macht. Das betrifft diese 30 Fälle.

Alles andere ist im Mai dem Standortleiter vorgelegt worden, und er hat dann unmittelbar die Dinge weitergeleitet.

Zu Ihrer Frage, Herr Oetjen, warum - - - Jetzt muss ich noch einmal fragen: Wie war die Frage?

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Warum ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden?)

- Das ist eine relativ einfache Frage. Erstens wissen wir ja nicht, was am Ende passiert. Zweitens gibt es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, und deswegen - - -

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie haben gesagt: Es gibt keine Anhaltspunkte!)

- Ich habe gesagt: Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte. - Das habe ich mehrfach betont.

(Zuruf von Dr. Stefan Birkner [FDP])

- Herr Birkner, Sie kennen doch das Verwaltungsrecht und das Beamtenrecht! Wenn es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen einen Beamten gibt, dann ist es Usus, dass ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird und ausgesetzt wird, bis das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist. Das ist ein völlig normaler Vorgang.

Ich sage Ihnen etwas, Herr Dr. Birkner: Wenn wir das nicht getan hätten, dann würden Sie jetzt fragen: Warum haben Sie es nicht getan? - Das ist doch genau der Punkt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die nächste Zusatzfrage kommt von der CDUFraktion. Ihre fünfte und letzte Zusatzfrage, Kollegin Lorberg!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Hat die Polizei im Februar 2016 Kontakt zu dem Leiter der LAB Braunschweig aufgenommen, oder war es umgekehrt, und welche Details wurden in diesem Kontakt vereinbart und besprochen?

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Dr. Stefan Birkner [FDP])

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen hat der Standortleiter Kontakt mit der Polizei aufgenommen.

(Editha Lorberg [CDU]: Was wurde vereinbart?)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, zu diesem Komplex liegen keine weiteren Zusatzfragenwünsche vor, sodass ich den Tagesordnungspunkt 15 b als abgehandelt betrachten kann.

Ich gehe über zu

c) „Reichsbürger“ in Niedersachsen - Wie vernetzt ist die Szene? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/7319

Die Frage sucht nach jemandem, der sie vorträgt! - Kollegin Hamburg! Den kleinen Zettel können Sie behalten. Wir haben Sie erkannt. Auf geht’s! Bitte sehr!

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Reichsbürger“ in Niedersachsen - Wie vernetzt ist die Szene?

Am 25. Januar 2017 kam es durch den Generalbundesanwalt zu mehreren Wohnungsdurchsuchungen im gesamten Bundesgebiet bei „Reichsbürgern“. Unter anderem wurden die Wohnungen von sieben Beschuldigten durchsucht, die im Verdacht stehen, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, die sich Waffen und Munition beschafft haben soll, um Angriffe auf Polizeikräfte und Geflüchtete durchzuführen. - In der Drucksache steht an dieser Stelle der Link zu einem Artikel im Focus, der diese Inhalte enthält.

Auch in Niedersachsen kam es ausweislich der Berichterstattung zu einer Durchsuchung. Eine in einigen Regionen erstarkende, vernetzte, rechtsextreme Szene in Niedersachsen ist schon seit Längerem zu beobachten. Inwiefern „Reichsbürger“ hier einen zentralen Teil der Vernetzung darstellen, ist allerdings nicht klar. Im letzten Jahr kam es immer wieder zu Angriffen auf Geflüchtete, ihre

Helferinnen und Helfer und Unterkünfte, aber auch gegen Staatsbedienstete. Die Anzahl der rechten Gewalttaten ist angestiegen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Gibt es eine regionale oder inhaltliche Vernetzung von Einzelpersonen und/oder Gruppen der „Reichsbürger“ mit anderen Gruppierungen oder Aktivisten der rechten Szene, der AfD oder der NPD?

2. Gibt es eine Vernetzung der „Reichsbürger“ aus Niedersachsen zu anderen „Reichsbürgern“ in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern?

3. Inwieweit sind der Landesregierung Personen bekannt, die sowohl den „Reichsbürgern“ als auch anderen Gruppierungen der rechtsextremen Szene angehören?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Hamburg. - Herr Minister, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hamburg, die Landesregierung stellt auch in Niedersachsen eine deutliche Zunahme von Aktivitäten sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter fest. Diese Personen erkennen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht an und gaukeln Bürgerinnen und Bürgern vor, sie bräuchten sich nicht an die bestehenden Gesetze zu halten. Übrigens: Bei vielen ist dies insbesondere dann der Fall, wenn sie Probleme mit Behörden oder Gerichten haben, wenn es beispielsweise darum geht, Steuern oder Bußgelder zu zahlen.

Manche bieten gegen Geld auch vermeintlichen Rechtsbeistand bei Gerichtsverfahren an, vorwiegend in Fällen von Zwangsvollstreckung. Sie treten als Störer bei Gerichtsverhandlungen auf oder widersetzen sich staatlichen Maßnahmen - und das, wie wir im vergangenen Jahr in SachsenAnhalt und in Bayern erleben mussten, zum Teil unter Anwendung von Gewalt, in einem Fall leider mit tödlichem Ausgang.

Allgemein stellen Reichsbürger keine einheitliche Bewegung dar. Sie setzen sich vielmehr aus unabhängig voneinander agierenden Einzelpersonen und Gruppierungen zusammen, die sich in ihrem

Wesen zuweilen deutlich unterscheiden. Das Spektrum reicht von politisch interessierten Trachtenvereinen über esoterisch geprägte Gruppen bis hin zu rechtsextremistisch motivierten Personenzusammenschlüssen, die der Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterliegen.

In Abgrenzung zu der in Niedersachsen bereits seit 2005 als verfassungsfeindlich beobachteten Gruppierung „Exilregierung Deutsches Reich“ vertreten Reichsbürger und Selbstverwalter nicht per se rechtsextremistische Ansichten. Sie können somit nur zum Teil dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet werden.

Gleichwohl sind bei den Reichsbürgern hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vorhanden. Allen gemein ist die grundsätzliche Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, die Ablehnung ihrer Gesetze und Normen und ihrer Institutionen. Bei einigen Gruppierungen sowie bei einzelnen Selbstverwaltern kommen neben der Aufstellung kruder Weltverschwörungstheorien auch weitere Ideologieelemente des Rechtsextremismus wie Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit zum Tragen.

In Niedersachsen wird die sogenannte Exilregierung Deutsches Reich bereits seit 2005 als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes eingestuft. Diese Beobachtung wurde aktuell auf das gesamte Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwaltung ausgedehnt.

Dies vorweggeschickt, beantworte ich die die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Der Niedersächsischen Landesregierung sind über die nachstehenden Sachverhalte hinaus derzeit keine Verbindungen zwischen Reichsbürgern und der AfD bekannt, die über persönliche Kennverhältnisse hinausgehen. Strukturelle Verbindungen oder mögliche Einflussnahmen liegen nach bisherigem Erkenntnisstand nicht vor.

Im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig trat eine Person, die mit den Reichsbürgern in Verbindung gebracht wird, als Verantwortlicher einer AfDWahlkampfveranstaltung auf. Im Bereich der Polizeidirektion Osnabrück kandidierte im Jahr 2016 eine weibliche Person mit Reichsbürgerbezug bei der Kommunalwahl eines ostfriesischen Landkreises für die AfD. Des Weiteren wurde im Bereich der Polizeidirektion Göttingen eine Person bekannt, die der Gruppierung der Reichsbürger zuzuordnen ist und Mitglied der AfD, Kreisverband Weserbergland, ist. Zudem ist bekannt, dass im

Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Lüneburg eine Person, die den Reichsbürgern zugeordnet werden kann, der AfD angehört.

Zu Frage 2: Das gesamte Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter in Niedersachsen unterliegt erst seit Kurzem der Beobachtung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz. Daher kann die konkrete Frage nach Vernetzungsbestrebungen regional oder überregional agierender Gruppen zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht abschließend beantwortet werden.

Im Rahmen polizeilicher Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt zum Nachteil eines Polizeibeamten in Georgensgmünd in Bayern im Jahre 2016 konnten bei dem Beschuldigten jedoch Aufzeichnungen aufgefunden werden, die auf Kontakte nach Niedersachsen verweisen. Weiterhin ist hier bekannt, dass Personen, die der sogenannten Reichsbürgerszene angehören, aus den Zuständigkeitsbereichen der Polizeidirektionen Lüneburg, Oldenburg und Hannover einzelne Kontakte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und/oder in das europäische Ausland unterhalten.

Zu Frage 3: Dem niedersächsischen Verfassungsschutz sind landesweit vereinzelt Rechtsextremisten bekannt, die über ideologische Bezüge zur sogenannten Reichsbürgerbewegung verfügen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass innerhalb der Reichsbürgerszene vereinzelte rechtsgerichtete und/oder antisemitische Argumentationstheorien vorherrschen.