Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Meine Damen und Herren, diese unterschiedlichen Regelungen sind in ihrer jetzigen Form so komplex, dass sie selbst für Fachleute häufig unübersichtlich und unverständlich sind. Damit haben Zuwanderungswillige eine ganz große Problematik vor sich, um überhaupt durch den Dschungel der Behördensprache und der vielen verschiedenen Regelungen durchzusteigen.

Hier möchten wir als CDU ein Dachgesetz schaffen, so wie wir es auch auf unserem Bundesparteitag beschlossen haben, durch das eine bessere Übersichtlichkeit erreicht und eine verantwortungsvolle Steuerung gewährleistet wird. Eine Zuwanderung von qualifizierten Personen in den Arbeitsmarkt kann den Wohlstand unserer Gesellschaft stärken, aber nur, wenn die Zuwandernden beispielsweise ausreichend Zeit haben, um auch in

die Altersvorsorge einzahlen zu können - nichts wäre fataler, als wenn wir Zuwanderung fördern und am Ende die Zugewanderten in der Altersarmut einen ganz schrecklichen Lebensabend verbringen müssten -; nur so können unsere Sozialsysteme geschützt, aber auch unterstützt werden.

Zuwanderung auf Zeit kann auch sinnvoll sein. Denken wir beispielsweise an Praktika oder ans Studium. Das kann sehr von Vorteil sein. Kontakte können für die Forschung, für die Wirtschaft, für die Sprache und für die Kultur geknüpft werden. All das kann von sehr großer Bedeutung sein.

Eine zeitlich begrenzte Zuwanderung aufgrund von Engpässen, beispielsweise in der Gastronomie oder auch in den Pflegebereichen, kann auch sehr zielführend sein und sollte auf jeden Fall Berücksichtigung finden. Wir sehen allerdings ein Problem darin, dass die Gehaltsgrenzen bei der Blue Card noch weiter gesenkt werden könnten; denn das könnte dazu führen, dass ein steigender Druck bei den Arbeitnehmern hervorgerufen wird. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir müssen kritischer mit dem Thema Zuwanderung umgehen, als Sie es hier in Ihrem Antrag getan haben.

Ich sagte bereits eingangs, dass man die aufnehmende Gesellschaft nicht überfordern darf. Das gilt insbesondere auch für die Bereiche des Wohnungsmarktes und der Integration. Daher müssen wir aufpassen, wenn wir weltweit als Einwanderungsland werben wollen, dass wir überhaupt die Grundlagen für einen vermehrten Zuzug schaffen. Denn nur so ist die Akzeptanz in der aufnehmenden Gesellschaft zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Ein Punktesystem, wie es beispielsweise in Kanada gilt und mittlerweile auch zurückgefahren wird, hat sich nicht bewährt, das lehnen wir ab. Vielmehr müssen wir einfache und verständliche Parameter schaffen, die ein Punktesystem entbehrlich machen und eine intelligente Zuwanderung ermöglichen.

(Zurufe von der CDU)

So genannte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme darf hingegen keine Option sein. Hier muss man frühzeitig dafür sorgen, dass das verhindert wird, da das über kurz oder lang zu einem gesellschaftlichen Kollaps führen könnte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, dass auch Menschen zu uns kommen, die bei uns Schutz und Sicherheit suchen. Die dafür erforderliche Anerkennung humanitärer Gründe und das damit erwirkte Bleiberecht sollten nicht im Zuge einer gesteuerten Zuwanderung, wie oben beschrieben, diskutiert werden. Humanität braucht eigene Grundlagen und kann kaum gesteuert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn auch viele Punkte in dem FDP-Antrag durchaus Charme haben, umsetzbar sind und einen Schritt in die richtige Richtung bedeuten, finden sich doch auch einige Punkte, denen wir so nicht folgen können. Ich bin mir sicher, dass wir hier in diesem Hohen Hause über die Zuwanderung noch häufiger diskutieren und sprechen werden.

Bei diesem Antrag ist es uns nicht gelungen, auf einen Nenner zu kommen. Gleichwohl - wie gesagt - stimmen wir vielen Punkten zu, aber einigen auch nicht. Aus diesem Grunde wird sich die CDUFraktion bei der Abstimmung über diesen Antrag enthalten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Lorberg. - Jetzt hat sich Herr Kollege Belit Onay für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen Antrag gibt es in zweifacher Ausfertigung, er wurde zunächst eingebracht und dann zurückgezogen, um dann mit redaktionellen Änderungen noch einmal eingebracht zu werden. Zu der ersten Version, die sich jetzt nicht gravierend von der aktuellen unterscheidet, gab es eine Beratung in der Kommission für Migration und Teilhabe, die diesen Antrag im Ergebnis abgelehnt und sich vor allem zu dem Thema „Einwanderungsgesetz“ geäußert hat.

Wir sind in der Mehrheit dafür, dass man sich dieser Frage annimmt und darüber diskutiert. Aber die Frage ist natürlich, wie so etwas im Detail aussehen soll. Sie schlagen dafür ein vollständiges Punktesystem vor. Dazu gibt es, wie ich finde, ein sehr, sehr gutes Zitat zu der Situation in Kanada, die ich mir übrigens vor zwei Jahren selbst einmal

anschauen konnte. Dieses Zitat, das ein Mitglied der Kommission aus einem Gespräch mit einer kanadischen Integrationsforscherin mitgebracht hat, will ich dem Plenum nicht vorenthalten. Der Kollege sagte Folgendes: Wenn du in mein Land - also Kanada - kommst, und einen Herzinfarkt erleidest, dann versuche ganz schnell, ein Taxi zu bekommen; denn am Steuer eines Taxis findest du schneller einen Arzt als in einem Krankenhaus.

In Kanada hat das zur Einsicht geführt, dass dieses Punktesystem nicht zielführend war, um qualifizierte Menschen dorthin zu bringen, wo sie hingehören. Das hat meines Erachtens letztendlich dazu geführt, dass Kanada eingelenkt hat und - Frau Lorberg hat es erwähnt - von diesem Punktesystem zumindest in Teilen abgerückt ist.

Nichtsdestotrotz sind wir uns einig: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Auch durch die EU-Freizügigkeit wurde vielen Menschen der Anreiz geschaffen, frei zu reisen.

Ich will jetzt auch noch einmal das Thema „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ aufgreifen. Deutschland profitiert massiv von Zuwanderung, nicht nur kulturell, nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat in einer Studie aus dem Jahr 2014 vorgestellt, dass allein im Jahr 2012 Ausländer durchschnittlich pro Kopf 3 300 Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben zahlten, als sie an Leistungen erhalten haben. Dies ist also ein sattes Plus. Wenn so die Zuwanderung in die Sozialsysteme aussieht, dann herzlich willkommen.

Die Studie sagt auch ganz klar: Je höher die Qualifizierung der jeweiligen Person ist, desto höher - um es kurz gefasst zu sagen - ist der Gewinn für Deutschland und in dem Fall auch für Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Oetjen hat es ganz deutlich angesprochen: Es gibt natürlich unterschiedliche Kanäle der Zuwanderung. Wir haben das Asylrecht. Im Zuwanderungsrecht ist die Arbeitszuwanderung von außerhalb des EU-Raums nicht richtig geregelt; es lässt sie nicht wirklich zu. Im Asylbereich haben wir auch noch die ständige Debatte um legale Einreisewege; ich erinnere nur an das Mittelmeer und die tragischen Situationen, die wir dort immer wieder erleben.

Es braucht ganz klare rechtliche Rahmenbedingungen. Deshalb bin ich froh, dass die Niedersächsische Landesregierung eine Initiative in den

Bundesrat eingebracht hat, um ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen.

Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass wir Ihren Antrag im Ergebnis ablehnen. Denn diese Initiative der Landesregierung sieht klare, verständliche Regeln vor. Sie sieht eine breite gesellschaftliche Verständigung, eine breite Debatte vor. Sie sieht auch vor, Indikatoren zu erheben, um Engpassberufe klar zu definieren. Sie sieht auch vor, einen unkomplizierten Familiennachzug zu ermöglichen.

Mein letzter Hinweis betrifft den Zuzug auf Zeit: Das ist natürlich eine Möglichkeit, wenn es gewünscht ist. Aber das ist immer schwierig. Ich will nur an die Gastarbeiterinnen- und Gastarbeitergeneration erinnern - Menschen, die vermeintlich als Gäste kämen und letztendlich für 40, 50 Jahre und darüber hinaus geblieben sind.

Alles in allem kommen wir zu dem Schluss, dass wir mit dieser Initiative hinsichtlich eines Einwanderungsgesetzes auf einem guten Weg zu einer Debatte sind. Wir lehnen diesen Antrag hier deshalb ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Onay. - Jetzt hat sich Ulrich Watermann, SPD-Fraktion, gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Oetjen, Sie haben in Ihrer Einleitung ganz wichtige Punkte angesprochen, die ich voll und ganz unterstütze.

Bis dato sind wir davon ausgegangen, dass Freizügigkeit etwas ganz Wichtiges ist, auch für die Wirtschaft. Jetzt erleben wir, dass sich die Welt sehr verändert, und zwar in das Gegenteil. Es werden Mauern hochgezogen, in den Vereinigten Staaten, aber auch innerhalb Europas. Ich finde, dem müssen wir begegnen. Wir müssen offen dafür sein, dass Freizügigkeit nicht nur für die Wirtschaft gilt, sondern auch für die Menschen.

Die Menschen, die zu uns kommen, haben ganz unterschiedliche Motive. Ein sehr großer Teil kommt aus der Europäischen Union zu uns. Andere kommen zu uns - Sie haben es gesagt -, weil sie

Asyl suchen, weil sie individuell verfolgt wurden oder weil sie aus Kriegsgebieten kommen.

Die sozialdemokratische Fraktion im Niedersächsischen Landtag und ich sind der Überzeugung, dass wir ein Zuwanderungsgesetz brauchen. Dass wir Regeln brauchen, klang bei allen Rednerinnen und Rednern hier durch.

Die vielen Punkte, die Sie in Ihrem Entschließungsantrag aufgezählt haben, können wir nicht voll und ganz teilen. Wir müssen aber auf Bundesebene Druck machen, damit wir ein Zuwanderungsgesetz bekommen. In den Bundesrat - das hat der Kollege schon angesprochen - haben Rheinland-Pfalz und Niedersachsen eine ZehnPunkte-Initiative für ein Zuwanderungsgesetz eingebracht. Wir glauben, dass diese zehn Punkte eine gute Grundlage sind.

In dieser Zeit, in der wir erleben, dass an vielen Stellen Mauern hochgezogen werden, müssen wir eine offensive Debatte führen. Wir brauchen keine Angst davor zu haben, dass Menschen zu uns kommen. Wir müssen das nur vernünftig und klar regeln. Wir müssen die Abläufe so steuern können, dass wir nicht überfordert werden, wenn die Menschen zu uns kommen. Die Überforderung entsteht nicht durch den Zuzug, sondern dadurch, dass so viele auf einmal zu uns ziehen.

Ich will es ganz deutlich sagen: Debatten, wie wir sie vorhin und gestern hier geführt haben, sind da eher abschreckend. Vielleicht können wir uns dazu durchringen, nach der Phase der Wahlkämpfe zu dem Konsens zurückzukommen, auf den wir uns in diesem Landtag geeinigt hatten: Wir bekennen uns dazu, dass Deutschland ein Zuwanderungsland ist. Zuwanderung braucht Regeln, an die sich jeder zu halten hat. Unser Rechtsstaat setzt den Rahmen, in dem sich alle zu bewegen haben. Verstöße - aus welchen Motiven immer - werden verfolgt.

Wir sagen ganz deutlich: Wir brauchen Zuwanderungsregeln. Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz. Wir brauchen Freizügigkeit. Wir müssen eine offene Gesellschaft organisieren. Das ist gut, und deshalb ist der Antrag ein guter Anstoß. Er ist aber ein wenig zu detailreich. Ich glaube, dass diese Details zu Kanada und die vielen anderen Punkten, die schon angesprochen worden sind, nicht so wirkungsvoll sind.

Wir wollen die Menschen mitnehmen, auch was ihre Qualifikationen angeht. Wir müssen unsere Gesellschaft öffnen, damit wir den Menschen, die zu uns gekommen sind, Möglichkeiten geben, dass

sie sich in ihren Berufen weiterqualifizieren oder dass ihre Qualifikationen anerkannt werden.

Deshalb: Es ist im Ganzen ein guter Ansatz. Der Antrag ist aber ein wenig zu detailreich. Die Initiative Niedersachsens im Bundesrat ist ein hilfreicher Weg. Es sollte uns gelingen, unsere Gesellschaft nicht abzuschotten, sondern zu öffnen. Wir brauchen keine Angst vor Veränderung zu haben. Ich glaube, das wäre eine gute Grundlage.

Es tut mir zwar leid, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden. In der Tendenz sind wir aber einer Meinung.

Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Watermann. - Jetzt hat sich der Innenminister gemeldet. Herr Minister Pistorius, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich der FDP ausdrücklich für ihr Engagement und ihre Vorschläge in den Bereichen Einwanderung und Integration. Es tut gut, zu wissen, dass Sie in dieser Frage auf der richtigen Seite stehen.