Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Eine Frage an CDU und FDP: Warum stellen Sie schlecht dar, was eigentlich gut ist? - Niedersachsen ist doch gut aufgestellt. Platz 6 von 13 Flächenbundesländern ist, würde ich sagen, stabiles Mittelfeld; denn Tatsache ist doch, dass wir uns bei einem Thema wie Gründungen nicht ohne weiteres mit Stadtstaaten vergleichen können.

(Christian Grascha [FDP]: Man sollte vielleicht einmal über den Tellerrand hinausschauen!)

Leider ist aufgrund der erfreulich guten Lage des Arbeitsmarktes deutschlandweit ein Rückgang zu verzeichnen. Aber, so sagt Chefvolkswirt Jörg Zeuner von der KfW-Bankengruppe: „Das Gründungsgeschehen hat an Quantität verloren, aber strukturell an Qualität gewonnen.“ Die Zahl innovativer Gründer stieg im Gegensatz zum sonstigen Trend sogar um 6 % auf 95 000 an. Das macht aus unserer Sicht Hoffnung.

Zwei weitere Punkte, die Gründer behindern können, sind Schwierigkeiten, an Kapital zu kommen, weil zu Beginn die Sicherheiten fehlen - in diese Lücke stoßen wir mit verschiedenen Förderprogrammen und -maßnahmen; nicht nur auf Bundesebene, sondern ergänzend auch auf Landesebene haben wir gute Sachen auf den Weg gebracht -, und ist die Bürokratie. Dazu folgender Hinweis: Wir haben wirklich jede einzelne Forderung, die die FDP in ihren Antrag geschrieben hat, um Bürokratie abzubauen, intensiv geprüft. Leider ist nicht viel davon übrig geblieben.

(Jörg Hillmer [CDU]: Das ist ja das Problem!)

Denn entweder sind die Forderungen widersinnig, oder die Regelungen, die es bereits gibt, sind wichtige Bausteine zur Verhinderung von Umsatzsteuerbetrug, z. B. von Karussellgeschäften. Wir können leider nicht dabei mitmachen, unter dem Deckmantel einer freundlichen Gründerkultur die Bekämpfung von Betrug und Steuerhinterziehung zu behindern.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist Ihr Problem! Sie sehen hinter jedem Un- ternehmer einen Betrüger!)

Abgesehen von der Gründungsförderung in Niedersachsen, die auch weiterhin für alle Branchen offen sein wird, will ich auf drei Schwerpunkte eingehen.

Zuerst zum Thema Gründungen aus Unis heraus. In diesem Bereich ist Niedersachsen jetzt schon

führend. Zusammen mit Bayern und NRW gehören wir bundesweit zur Spitzengruppe. Das gilt auch für die Anzahl der Entrepreneurship-Professuren: Mit 15 Lehrstühlen sind wir ganz weit vorne. Aber auch Gründungen und Betriebsübernahmen, vor allem im Handwerk, werden im Moment und sollen auch zukünftig gut begleitet und gefördert werden.

Der zweite Bereich: In den starken Zukunftsmärkten in Niedersachsen wie der Green Economy mit erneuerbaren Energien, der Kreislaufwirtschaft und der nachhaltigen Mobilität können Gründungen einen wesentlichen Beitrag bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen leisten. Wir bauen darauf, dass Niedersachsen bei Existenzgründungen und Start-ups in diesem Bereich die führende Rolle behält.

Drittens bringen wir die Frauen nach vorne. Frauen gründen immer noch weniger, sie gründen anders als Männer, sie sind weniger risikofreudig, aber dafür nachhaltiger. Sie wollen wir auch weiterhin stark unterstützen. In Hannover haben wir z. B. seit Jahren eine sehr lebendige Gründerinnenszene, u. a. im Bereich der Kreativwirtschaft. Auch das Land unterstützt die auf diese Zielgruppe zugeschnittene Beratung und hat damit viel Erfolg.

Schade, dass die FDP in diesem Fall dem Wahlkampf mehr Gewicht gibt als den Inhalten. Ein gemeinsamer Antrag wäre ein starkes Signal gewesen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Grascha, möchten Sie kurzintervenieren? - Dann dürfen Sie das für 90 Sekunden. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegin Westphely, uns hier Wahlkampf vorzuwerfen, geht komplett an der Sache vorbei; denn schließlich haben wir den Antrag ja schon im Juni 2015 gestellt.

(Beifall bei der FDP)

Dass wir die Beratungen nicht schneller abschließen konnten, lag daran, dass wir zahlreiche Anhörungen durchgeführt haben. Das ist auch völlig in

Ordnung. Aber wie gesagt: Der Vorwurf „Wahlkampf“ geht an der Sache völlig vorbei.

Ich habe mich allerdings wegen eines anderen Punktes gemeldet. Darin wird der grundsätzliche Unterschied zwischen der Sichtweise Ihrer Partei und der meiner Partei deutlich. Ich meine den Bürokratieabbau. Sie haben gesagt, Sie hätten das geprüft, und am Ende sei nichts mehr übrig geblieben, weil man, beispielsweise über die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen, den Steuerbetrug bekämpfen wolle.

Darin liegt genau der Unterschied! Wir sehen eben nicht hinter jedem Unternehmer einen Verbrecher und einen Betrüger, sondern wir sehen darin erst einmal jemanden, der Verantwortung für die Gesellschaft übernimmt.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Diese Misstrauenskultur wollen wir nicht fördern. Wir wollen stattdessen Mut machen zum Unternehmertum. Aber das schafft man nicht dadurch, dass man permanent Misstrauen sät, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Möchte jemand von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erwidern? - Nein, Sie verzichten darauf. Dann ist jetzt für die Landesregierung Herr Minister Olaf Lies dran. Ich erteile ihm das Wort. Bitte, Herr Minister!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ungeachtet kleiner abweichender Details ist in der politischen Diskussion eine Grundhaltung deutlich geworden: Existenzgründungen und Start-ups sind für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen wichtig. Dadurch werden neue Impulse gesetzt. Zwar kann der neue Impuls auf der einen Seite Dinge auf der anderen Seite erübrigen. Aber wenn wir diese Impulse nicht setzen, dann setzen sie andere, und deswegen ist das der richtige Weg. Dadurch entsteht auch Wettbewerb.

Außerdem bieten Existenzgründungen und Startups die Chance, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Nur darauf zu setzen, dass unsere großen Unternehmen auch morgen noch die Arbeitsplätze

sichern, ist zu wenig. Viele neue kreative Ideen können dazu führen, in größerer Zahl Arbeitsplätze zu haben.

Deswegen ist die grundsätzlich positive Haltung, die auch hier im Landtag deutlich wird, ein ganz entscheidendes Signal nach außen, in die Regionen und an die Menschen, die eine Gründungsidee haben und sich fragen, ob es überhaupt wertgeschätzt wird, wenn sie einen solchen Weg gehen. Trotzdem merken wir, dass das nicht so ganz einfach ist, und dann kommt immer die Debatte auf, warum das eigentlich so ist.

Zuerst möchte ich sagen: Niedersachsen ist das Land der Ideen und der Innovationen. Wir müssen also aufpassen, dass wir nicht eine falsche Debatte führen im Sinne von: In Niedersachsen funktioniert das noch gar nicht, in Niedersachsen werden Innovationen nicht gefördert. Denn das ist nicht der Fall! Wir sind das Land der Ideen und Innovationen, und darauf können wir stolz sein. Dafür gibt es übrigens gute Beispiele.

Heutzutage wird die Einschätzung, ob man eine gute Start-up-Kultur hat, ja daran festgemacht, ob es viele junge Leute gibt, die in merkwürdigen Räumlichkeiten sitzen und sich dort kreative ITIdeen überlegen. - Aber das ist nicht Start-up, wie wir es verstehen, sondern nur ein Teil davon.

(Christian Grascha [FDP]: Auch!)

- Auch, genau! Man kann auch in einem ganz normalen Arbeitsumfeld arbeiten.

Ich stelle fest: Wir haben die Start-up-Kultur schlechthin. Ich schaue dabei Karl-Heinz Bley an. Das Handwerk ist der Beleg dafür. Wir haben viele Unternehmen, die sich mit neuen Ideen, neuen Dienstleistungen und neuen Angeboten selbstständig machen. Deswegen meine ich, dass man schon sagen kann, dass das Handwerk in den vergangenen Jahrzehnten sozusagen die Start-upSchmiede in Niedersachsen gewesen ist. Ich finde, dass man diesen Aspekt positiv darstellen kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister, haben Sie gesehen, dass der Kollege Bley den Arm gehoben hat? - Er möchte Ihnen eine Frage stellen.

Okay, ich spreche künftig niemanden mehr persönlich an. Aber Herr Bley kann mir gerne eine Frage stellen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Er wollte doch nur zustimmen!)

Bitte schön, Herr Bley!

Herr Präsident! Lieber Minister Olaf Lies, wir wissen, dass Sie den Status quo loben, also das, was alles gut ist. Bevor ich meine Frage stelle, möchte ich darauf hinweisen, dass in Niedersachsen mittlerweile an die 35 % der Unternehmen Probleme haben, einen Nachfolger zu finden. Ich darf eigene Erfahrungen, gesammelt im eigenen Unternehmen, schildern. Ich habe einen Kompagnon, der 50 % der Anteile an einem Unternehmen hat, das seit 35 Jahren besteht. Er möchte mit 70 Jahren aussteigen und seine Anteile an meinen Junior verkaufen. Das Problem ist: Das, was es von der KfW gibt, unterscheidet sich kaum von dem, was die Hausbanken liefern. Was fehlt, ist eine Bürgschaft. Wenn der Junior keinen Vater hätte, der finanziell helfen würde, wäre das nicht machbar. - Wenn es hier vonseiten des Staates Hilfestellung gäbe, wäre es schön, wenn Sie mir die aufzeigen würden.

Herr Kollege Bley, jetzt müssen Sie aber die Zwischenfrage stellen.

(Petra Tiemann [SPD]: Das ist hier doch keine Beratungsstunde!)

Deswegen frage ich: Was tun Sie, damit Dinge wie Unternehmensnachfolgen in der Zukunft gelöst werden? - Ich erkenne in Ihrem Antrag keine Lösungen, sondern nur Prüfaufträge.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Bitte, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Bley, ich spreche zwei Dinge an. Auch ich meine, dass das Übergangsmanagement ein Thema ist, das man in den Bereich Startup einbeziehen kann, weil die Übernahme für den jungen Mann oder die junge Frau, die das Unternehmen übernehmen, eine Existenzgründungschance ist.

Wir führen diese Beratung durch, übrigens auch über die Kammer, wie Sie wissen. Wir suchen auch nach Möglichkeiten, um an den geeigneten Stellen Bürgschaften zu vergeben; denn das macht Sinn. Für Beratung stehe ich Ihnen wie auch allen anderen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Ich finde, dass es ein wichtiger Hinweis ist, nicht nur auf die Gründung neuer Unternehmen zu setzen, sondern - das ist Ihr Ansatz gewesen - auch dafür zu sorgen, dass erfolgreiche Unternehmen weitergeführt werden können. Das gehört definitiv dazu, und daher nehmen wir das auch sehr ernst. Ich meine aber, dass das nicht der inhaltliche Schwerpunkt dieses Antrages gewesen ist. Insofern müssen wir die Thematik ein bisschen differenziert betrachten.

Wir sind erfolgreiche Start-up-Gründer. Das Beispiel von Edison, das Frau Vizepräsidentin Andretta nannte, ist richtig. Ein solches Beispiel haben wir aber auch in Niedersachsen, nämlich Enercon. Dieses Unternehmen ist in einer Garage entstanden. Der Unternehmer Aloys Wobben hatte die verrückte Idee, dass man überall im Land Windenergieanlagen aufstellen könnte. Das hat niemand ernst genommen. Es hat am Anfang - die Hausbank ärgert sich übrigens heute noch darüber, dass sie keine Chance hat, mit ihm Geld zu verdienen - gar keine Bank gegeben, die das finanziert hat. Aber es ist eine Innovation, eine Idee aus unserem Land.

Wir müssen aufpassen, dass wir die Erfolge Niedersachsens dort, wo wir Gründer sind, wo wir Innovationen und Entwicklungen vorantreiben, in den Vordergrund stellen. Denn wenn wir sagen „Hier geht das nicht!“, dann kommt auch keiner.