Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

bitte diejenigen, die an dieser Beratung nicht teilnehmen wollen, den Plenarsaal zu verlassen, damit die Debatte in aller Würde ablaufen kann.

Das Wort hat für die antragstellende Fraktion der FDP die Kollegin Almuth von Below-Neufeldt. Ich erteile ihr das Wort und bitte Sie noch einmal, ihr die nötige Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wirklich sehr erfreulich, dass unser Antrag zu den Stasi-Unterlagen heute in leicht geänderter Fassung zur Abstimmung steht.

In dem Antrag geht es im Wesentlichen um zwei Punkte. Erstens sollen zerrissene und in Papiersäcken gelagerte Unterlagen als Dokumente wiederhergestellt werden. Dafür sollen sowohl die technische als auch die personelle Ausstattung zur Verfügung gestellt werden. Zweitens möchten wir, dass alle Dokumente der Stasi als nationales Kulturgut unter einem Dach, nämlich in einem vom Bund einzurichtenden Stasi-Unterlagenarchiv verwaltet und zugänglich gemacht werden. Das ist gut für Interessierte, für Opfer und auch für die Forschung.

Meine Damen und Herren, die Enquetekommission, die auf einen CDU-Antrag zurückgeht, hat verschiedene Stätten der Stasi-Unterlagenbehörde besucht. Ich gehöre dieser Kommission an. Wir haben diese Unrechtsmaschinerie vor Ort immer wieder wahrgenommen. Die Bespitzelung und das Ausspähen von Bürgern waren ein Instrument der Stasi. Die zugehörigen Akten und Dokumente sind Beleg für die Vielfalt der Aktivitäten, aber auch Zeugnis der Willkür und der Absurdität des Systems.

(Beifall bei der FDP)

Die DDR wirkte als Unrechtsstaat und als Diktatur. Das darf es nie wieder geben.

Meine Damen und Herren, die Vergangenheit der deutschen Teilung aufzuarbeiten und möglichst viele der negativen Begleitumstände dauerhaft und mit entsprechendem Stellenwert öffentlich aufzuzeigen, zu sichern, zu bewahren und auch bewerten zu können, ist wichtig.

Bitte stimmen Sie daher dem Antrag zu! Er wird auch ein Resultat der Arbeit der Enquetekommission sein.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau von Below-Neufeldt. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Regina Asendorf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP, über den wir bereits gesprochen haben, ist im Ausschuss beraten und für gut befunden worden. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.

An dem, was geschehen ist, können wir nichts ändern. Wir können aber die Lehren aus dieser Zeit ziehen und damit verhindern, dass ähnliche Methoden wie bei der Stasi wieder passieren und Fuß fassen. Als die Kommission mit der Arbeit begonnen hat, konnten wir nicht ahnen, wie aktuell eine solche Geschichtsbetrachtung werden kann. Inzwischen sind viele Demokratien um uns herum in Gefahr, und die freie Meinungsäußerung ist es ebenfalls. Wohin das alles führen kann, lässt sich in deutschen Geschichtsbüchern nachlesen.

Das lehrt uns aber auch: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Wir müssen jeden Tag an ihr arbeiten. In diesem Sinne wünsche ich mir die Umsetzung des Antrags und uns allen sehr viel Wachsamkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asendorf. - Jetzt hat das Wort die Kollegin Heidemarie Mundlos, CDUFraktion.

(Vizepräsident Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Broschüre vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der

ehemaligen DDR mit dem Titel „Die Methoden der Stasi“ kann man Folgendes nachlesen:

„Die Methoden des Ministeriums für Staatssicherheit … zur Überführung von ‚Straftätern‘, d. h. in der Regel von politisch Andersdenkenden und Handelnden, reichten von polizeilichen Methoden (Spurensiche- rung, Handschriftanalyse, Beweissicherung) über geheimpolizeiliche Methoden (Be- obachtung, Überwachung, Befragung des Umfelds) bis zur Anwendung von Staatsgewalt (Ermittlung, Verhaftung, Verhör). Alle diese Methoden konnte die Stasi ausdehnen, die Grenzen des rechtlichen Rahmens überschreiten oder zur Konstruktion von Fällen, Schuld und Geständnis nutzen. Auch Entführung, Erpressung, Drohung und Fälschung gehörten zum Arsenal der StasiMethoden. Eine unabhängige Kontrollinstanz, ein Gericht oder ein parlamentarisches Gremium, zur Überprüfung der Methoden und Befugnisse des MfS gab es nicht.“

Ein unmenschliches Regime, von Willkür geprägt. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Freiheit sieht fürwahr anders aus.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Man kann damit nur erahnen, welch unglaubliches Leid hier Menschen zugefügt wurde. Die Anhörungen in der Enquetekommission haben das eindrucksvoll unterstrichen und gezeigt, dass die Realität weitaus dramatischer war. Auch deshalb war es gut und richtig, dass auf Initiative der CDU die besagte Enquetekommission ins Leben gerufen wurde.

Wir alle haben den Umbruch in der DDR 1988/1989 miterlebt. Das waren bewegende Momente.

Als dann der Umbruch in der DDR kam, versuchten Stasimitarbeiter, so viel belastendes Material wie irgend möglich zu vernichten, um so wenig wie möglich an Material übrig zu lassen. Es ging dabei in der Tat um viel beschriebenes Papier, weil alles protokolliert und dokumentiert wurde, zum Teil mehrfach. Da die Kapazität der Reißwölfe nicht ausreichte, ging man dann dazu über, Material in großem Stil per Hand zu zerreißen.

Aufgebrachte Bürger haben dann die Stasibehörden gestoppt und damit vor allen Dingen diese Vernichtungsaktivitäten aufgehalten.

(Astrid Vockert [CDU]: Gut so! Gott sei Dank!)

Übrig geblieben sind u. a. 16 000 Säcke mit mehr oder weniger großen Schnipseln. Davon sind mittlerweile über 500 Säcke in mühevoller Kleinarbeit gesichtet und zusammengesetzt worden. Dabei traten 1 000 Vorgänge und viele menschliche Schicksale zutage.

In der Hoffnung, schneller voranzukommen, wurde dann ein Verfahren mit Hochleistungsscannern entwickelt - Neuland, kostspielig und leider nicht so erfolgreich wie erwartet. Man kann und wird bei dieser Aufgabe nicht auf die Arbeitskraft von Männern und Frauen verzichten können.

Angesichts der vorhandenen Menge ist die Frage durchaus berechtigt: Wie lange brauchen wir, bis dieses Projekt abgeschlossen werden kann? - Jeder wird es bestätigen: Diese Frage kann bis heute niemand belastbar beantworten.

Umso erfreulicher ist es, dass unstrittig ist, dass wir hier alle gemeinsam am Ball bleiben wollen und müssen, weil wir es den Opfern und ihren Angehörigen schuldig sind.

(Beifall bei der CDU)

Denn Geschichte ist unteilbar. Auch für unsere Kinder und Enkel müssen wir diese Geschichte transparent aufarbeiten. Denn das, was für die Nazizeit gilt, muss auch für die Stasizeit gelten.

(Beifall bei der CDU)

Nur wer seine Geschichte kennt und nichts beschönigt oder verschweigt, kann die Zukunft aufrecht und konstruktiv zum Vorteil der eigenen Bevölkerung, aber auch der Bevölkerung in ganz Europa gestalten.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich wird in historische Ausgrabungen investiert. Das ist gut und richtig. Was dafür gilt, muss aber erst recht für dieses vergängliche Material aus unserer jüngeren Geschichte gelten.

Das ist unser aller Ziel. Das belegt gerade die heutige Beschlussfassung, die vom ganzen Parlament getragen wird und in den Bericht der Enquetekommission Eingang finden soll. Darauf können und werden dann Parlamentarier aufbauen. Die

Enquetekommission kann in der Kürze der Zeit, die zur Verfügung stand, leider nicht alle Punkte des Themenkatalogs bearbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kulturgüter sind Zeugnisse menschlichen Schaffens, die für nachfolgende Generationen erhaltenswürdig sind. Deshalb ist es von großer Bedeutung und unsere Pflicht, dass - hoffentlich gemeinsam mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung - ein zentrales Stasiunterlagenarchiv dauerhaft gesichert wird und die Arbeiten zur Zusammensetzung der genannten zerrissenen Unterlagen mit Personal, Technik und den dafür erforderlichen Geldmitteln gewährleistet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen einfach um die Vergangenheit wissen und dieses Wissen an die nachfolgenden Generationen weitergeben.

(Zustimmung bei der CDU)

Dazu kann der heutige Beschluss einen entscheidenden Beitrag leisten. Dass wir das heute in so großer Geschlossenheit tun werden, ist ein Signal zum weiteren Handeln. Ich bin für diese Geschlossenheit außerordentlich dankbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Mundlos. - Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Dr. Lesemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Nach eingehender Beratung in der Enquetekommission und mit dem Ausschuss für Wissenschaft und Kultur ist es gelungen, eine von allen vier Fraktionen getragene Beschlussempfehlung vorzulegen.

Wir haben während der Beratung zur Kenntnis nehmen müssen, dass verschiedene Aspekte des Ursprungsantrags bereits erfüllt bzw. in Bearbeitung sind.

Dazu gehört erstens die Sicherung der Stasiunterlagen als nationales Kulturgut. Das ist bereits grundsätzlich durch das im August 2016 in Kraft getretene Kulturgutschutzgesetz erfüllt; denn es gilt für alle erfassten Archive. Dazu gehört natürlich auch das Archiv, in dem die für uns wichtigen Unterlagen verwahrt sind.