Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Sie wollten dem Landtag ganz bewusst Ihr eigenes Versagen an diesem Wochenende verschweigen. Aber auch für Sie gilt, was Ihr Freund, der heutige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, hier an diesem Podium gesagt hat: Wer die ganze Wahrheit kennt und trotzdem nur die halbe Wahrheit nennt, der ist und bleibt ein ganzer Lügner.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber es wird ja noch dreister. Je nachdem, wo Sie sind und wer Sie etwas fragt, erzählen Sie eine ganz andere Geschichte.

Im Untersuchungsausschuss erzählen Sie, es war am 19., samstagabends die „Tagesschau“, mit der Sie davon Kenntnis erlangt haben. Hier im Landtag beantworten Sie unsere Frage dergestalt, dass die Kenntnisnahme am Freitag, den 18., erfolgte. Ja, was denn nun, Herr Weil?

Im Untersuchungsausschuss sagten Sie, es war die „Tagesschau“. Hier im Landtag sagen Sie, sie haben es aus Medien, aber nicht aus dem Fernsehen erfahren. Ja, was denn nun, Herr Weil?

Im Internet-Interview zum VW-Komplex sagen Sie, es war erst eine Agenturmeldung und danach im Fernsehen, vermutlich in der „Tagesschau“. Ja, was denn nun, Herr Weil?

Welche Aussage gilt denn tatsächlich?

Es ist so, dass Sie als Ministerpräsident hier unverzüglich, umfassend und wahrheitsgemäß antworten müssen. Der Landtag ist nicht Onkel Stephans Märchenstunde.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wird besonders schwierig, weil Sie gerade bei den Vorwürfen, die angeblich Ferdinand Piëch bei der Staatsanwaltschaft erhoben hat, darauf bauen, dass wir Ihr Wort höher einschätzen als die Aussage von Ferdinand Piëch vor der Staatsanwaltschaft. Sie wollen, dass wir Ihrer Aussage, das stimme alles nicht, glauben. Aber, Herr Weil, warum sagen Sie uns auf unsere Anfrage dann nicht, was wirklich besprochen worden ist? Sie haben, nachdem Sie bisher immer nur gesagt hatten, dass das angeblich nicht gesagt worden ist, in der letzten Woche auf unsere Frage, was Sie wirklich in diesen Tagen des März oder des April unternommen haben, was besprochen worden ist, geantwortet, Sie unterlägen einer Verschwiegenheitspflicht und dürften uns nicht sagen, was wirklich zwischen Ihnen besprochen wurde.

Herr Ministerpräsident, lassen Sie sich von Ihrer Verschwiegenheitspflicht durch die Volkswagen AG entbinden, unterrichten Sie dieses Parlament, gerne auch in vertraulicher und nicht öffentlicher Sitzung, damit wir einschätzen können, ob wenigstens dieser Teil Ihrer Aussage der Wahrheit entspricht oder auch nur ein Märchen war!

(Glocke der Präsidentin)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Land und auch Volkswagen haben ein Recht auf eine ordentliche Vertretung im Aufsichtsrat der Volkswagen AG, und das ist halt mehr als Abwarten und Teetrinken. Ihre Fehlerliste seit Mai 2015 ist lang.

Wir haben sie im letzten Plenum auch schon diskutiert.

Der einmalige Höhepunkt war der Fall HohmannDennhardt. Mit Frau Hohmann-Dennhardt haben Sie einen Vertrag geschlossen, bei dem Sie mit Ansichten und Erklärungen von Winkeladvokaten quasi den Corporate Governance Kodex bezüglich des Abfindungs-Caps ausgehebelt haben. Eine der großen Errungenschaften der letzten Jahre, dass man, wenn man nicht mehr arbeitet, nicht auch noch den Vertrag ausgezahlt bekommt - das wollte man eigentlich beenden -, haben Sie tatsächlich ausgehebelt. Ein Arbeiter am Band kann nicht - auch nicht, wenn er 20 Jahre dabei war - einfach sagen: Ich komme morgen nicht mehr zur Arbeit, bekomme aber noch ein Jahr weiter mein Gehalt gezahlt. - Das geht nur, wenn man solche Verträge wie Sie abschließt.

VW braucht nicht nur gute Autos; VW braucht auch kompetente, einsatzbereite Aufsichtsräte, die das Unternehmen zum Vorbild für gute Unternehmensführung und auch für Ethik und Moral machen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Diese Einsicht kommt spät, Herr Bode!)

Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Kollege Bode. Letzter Satz!

Wir werden das gemeinsam mit der CDU im kommenden Jahr wiederherstellen.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Anja Piel [GRÜNE]: Das haben Sie zehn Jahre lang unter Be- weis gestellt!)

Vielen Dank, Herr Bode. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Piel das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bode, eines muss man Ihnen lassen: Sie haben wirklich viel Fantasie, was Titel für Aktuelle Stunden angeht.

(Jörg Bode [FDP]: Was? Das ist ein Zitat des Ministerpräsidenten! - Chris- tian Dürr [FDP]: Der Ministerpräsident hat viel Fantasie! Das ist das Prob- lem!)

Wahrscheinlich bewahren Sie zu Hause einen Zettelkasten mit einer Sammlung aus dem Zusammenhang gerissener Zitate auf, die Sie irgendwann einmal gegen uns verwenden wollen. Das ist sicherlich eine fleißige Hausarbeit für Sie.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist gar nicht nötig! Ein Blick in die Zeitung reicht bei Ihnen!)

Herr Bode, Ihr Interesse daran, was unser Ministerpräsident am Wochenende tut und in welcher Reihenfolge er das tut, in allen Ehren. Wir finden andere Fragen gerade wichtiger.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Das ist eine entscheidende Frage!)

Wir konzentrieren uns stattdessen lieber darauf, was bei VW schiefgelaufen ist und wie Mobilität in Niedersachsen zukunftsfähig gemacht werden kann.

Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung ist seit Bekanntwerden des Dieselskandals intensiv damit beschäftigt, die konzerninterne und juristische Aufklärung dieses Betruges voranzutreiben. VW steht dabei heute auch besser da als noch vor wenigen Monaten. Es ist richtig: Wir alle wissen nicht, was uns im Zuge der weiteren Aufklärung noch erwartet. Von Ihnen habe ich aber in den letzten Monaten nicht einmal den Hauch einer selbstkritischen Haltung verspürt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie unterstellen denen, die jetzt die Scherben auffegen, dass sie das zu langsam tun. Was Sie aber verschweigen, Herr Bode, ist, dass Sie diejenigen sind, die es möglich gemacht haben, dass Glas zerbrochen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Unglaublich! - Christian Dürr [FDP]: Hohmann- Dennhardt? Boni-Zahlungen?)

Sie waren in der Verantwortung. Unter Ihrer gemeinsamen Verantwortung ist es zu diesen Betrugsfällen gekommen, die unsere Landesregierung jetzt aufklären muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Ich finde das sehr spannend. Was haben Sie damals eigentlich gemacht?

(Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Einen Moment, bitte, Frau Kollegin! Die Zeit wird angehalten, sodass Sie Ihre volle Redezeit bekommen. - Herr Hilbers, Herr Kollege Oesterhelweg, Frau Kollegin Piel hat jetzt das Wort. - Bitte sehr!

Ich glaube, wir sind ein ganzes Ende weiter als zu Ihrer Zeit.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. Januar 2008 ist der Artikel „Der nette Herr Wulff“ zu finden. Da wird „der nette Herr Wulff“ damit zitiert, dass Herkules den Stall des Augias ausgemistet hat, indem er den Fluss durchgeleitet hat. „Der nette Herr Wulff“ sagt damals:

„Vielleicht sollte man in Wolfsburg den Mittellandkanal von oben in das Verwaltungsgebäude einleiten.“

Starke Worte. - In dem Artikel geht es weiter:

„So weit ist es nicht gekommen.“

Das ist auch genau die richtige Einschätzung aus diesem Artikel. Aufklärung ist wichtig. Sie wäre damals schon wichtig gewesen, und viel besser wäre es gewesen, dieser Betrug hätte einfach nicht stattgefunden. Da er aber stattgefunden hat, müssen jetzt auch die Konsequenzen gezogen werden. Denn in einem Unternehmen, das über Jahre - auch zu Zeiten Ihrer Landesregierung - Produkte mit falschem Etikett verkauft hat, ist ja offensichtlich etwas schiefgelaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Die richti- ge Konsequenz war der Vertrag mit Frau Hohmann-Dennhardt?)

Ich weiß nicht, wie oft ich hier schon gefordert habe, dass VW diese Krise als Chance nutzen sollte, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber es wird nicht erhört!)

Ganz uneitel darf ich an dieser Stelle auf unser Wahlprogramm von 2008 verweisen. Wir haben schon damals darauf hingewiesen, dass VW - ich

zitiere - als einer der wichtigsten Arbeitgeber in Niedersachsen mit umweltfreundlichen VolksWagen große Wettbewerbsvorteile erzielen kann. Da haben Sie noch im GTI im Autokino geträumt, Herr Bode. Das weiß ich.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Sie hatten noch nie einen GTI! - Weitere Zurufe von der CDU)

Der Zukunftspakt ist darum ein Schritt in die richtige Richtung. Moderne Produkte gibt es nur in einem Unternehmen, das modern ist. Im Zukunftspakt, der unter dieser Landesregierung bei VW entstanden ist, wird beschrieben, wie der Weg dahin aussehen kann. Es ist klar: Das Paket muss mit Leben gefüllt werden. Aber ich bin ganz sicher: Das wird passieren.