Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stephan Weil und Volkswagen, das erscheint inzwischen als ein einzigartiges Missverständnis. „Stephan Weil und die VW-Abgasaffäre“ - das entwickelt sich zu einer „Chronik skandalös“. Frau Piel hat gerade so schön noch hinzugefügt: die Chance als Krise nutzen. Das könnte eine schöne Überschrift für Ihre Regierungsverantwortung, auch was den VW-Konzern angeht, sein. Sie, Herr Weil, haben hier mehrfach versprochen aufzuklären, und Frau Piel hat gefragt, was bei VW schiefgelaufen ist. Wir können heute feststellen:

Schiefgelaufen ist, dass Ihren Ankündigungen, aufzuklären, außer heißer Luft nichts gefolgt ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das macht sich auch an der Einstellung von Frau Hohmann-Dennhardt bemerkbar, die, wie wir alle wissen, vor Kurzem wieder rausgeschmissen worden ist und dafür ein paar Euro bekommen hat. Sie ist für den Bereich „Recht und Integrität“ eingestellt worden. Sie ist dann rausgeschmissen worden, weil sie im Konzern etwas machen wollte, was manchem anderen vielleicht nicht gepasst hat, nämlich aufklären, meine Damen und Herren.

Wir haben auf die 50 Fragen, die wir gestellt haben, Antworten bekommen - im Grunde genommen - bis auf zwei Antworten, die interessant waren - kalter Kaffee. Die erste Antwort war, dass widerlegt worden ist, dass es einen umfassenden Bericht von Jones Day gibt, der Aufklärung verspricht, und dass es, wie in der Antwort der Landesregierung festgestellt worden ist, einzelne Berichte zu einzelnen Vorgängen gibt.

Wir hätten ganz gern überhaupt einmal einen Blick in diesen Bericht geworfen, um nachempfinden zu können, wo denn die Ursachen für diese Abgasaffäre liegen. Damit man genau das machen kann, was Sie gerade gesagt haben, Frau Modder, nämlich den Blick in die Zukunft zu richten auf der Grundlage dessen, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist.

Weil Sie gerade von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen haben: Es kann doch nicht sein, dass einige in der mittleren Führungsebene als die, die vermeintlich Verantwortung getragen haben, sozusagen gehängt werden und andere, die wirklich Verantwortung tragen, davonkommen, weil man sich an sie nicht herantraut.

(Johanne Modder [SPD]: Herr Thümler!)

Das, meine Damen und Herren, kann es nicht sein. Das hat mit Aufklärung nichts zu tun, sondern das ist Vertuschung und Verschleierung, die auch vom Aufsichtsrat mitgetragen wird.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dazu kommt - Herr Bode hat zu Recht darauf hingewiesen - das katastrophale Bild, wie man von der Krise erfahren hat. Wir können feststellen: Stephan Weil zu Hause vor dem Fernseher bei der „Tagesschau“ am 19. September - so die im Protokoll festgehaltene Aussage

vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Er hat davon gehört und am Samstag nichts mehr getan und am Sonntag niemanden angerufen. - Wem wollen Sie das eigentlich erklären, Herr Weil? Das widerspricht jeglicher Erfahrung. Das geht vollkommen in die Irre. Sie hätten doch zumindest Ihren Wirtschaftsminister angerufen und gefragt: „Mensch Olaf, sag mal, hast du auch gerade gehört, was ich gehört habe?“

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Die ha- ben kein Fernsehen!)

Das, was Sie da zu Protokoll gegeben haben, entspricht doch nicht der Lebenspraxis. Ich glaube, Sie sollten sich hier ehrlich machen, Herr Weil. An dieser Stelle wäre es höchste Zeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und auch das verunsichert die Beschäftigten bei VW: Man hat den Eindruck, dass es dort einen Aufsichtsrat gibt, der es mit der Aufsicht und dem Beraten nicht so genau nimmt, wie er es müsste,

(Johanne Modder [SPD]: Die haben ganz andere Sorgen, Herr Thümler!)

weil es am Ende an der konsequenten Aufklärung in diesem Skandal fehlt, weil man sich dieser Aufklärung verweigert. Das, Herr Weil, geht zu Ihren Lasten, weil Sie auch die Verantwortung dafür tragen, dass Frau Hohmann-Dennhardt, die genau diesen Auftrag hatte, diesen Konzern wieder verlassen musste. Sie haben sich dort als Pressesprecher des Aufsichtsrates verdingt, und das finde ich im Grunde genommen sehr komisch, weil ich nicht glaube, dass der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen in einer solchen Situation als Pressesprecher des Aufsichtsrates hätte dienen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei. Die Diskussion über Managergehälter, Abfindungen, Renten, Pensionen, was auch immer, beherrscht weiter die politische Lage in Deutschland. Da hilft es im Übrigen nicht, wenn man so tut, als wenn man da etwas geregelt hat, und sagt: „Wir schaffen jetzt ein Drei-Klassen-System. Es gibt die mit den alten Verträgen, die mit den guten mittleren Verträgen und die künftigen Neuen mit den weniger guten Verträgen.“ Auch das wird der Situation überhaupt nicht gerecht.

(Anja Piel [GRÜNE]: Das kritisieren die, die nichts angeschoben haben!)

Das mag vielleicht den Parteistrategen im WillyBrandt-Haus in Berlin gefallen, hat aber mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Deswegen sage ich Ihnen: Machen Sie sich auch dort ehrlich! Stimmen Sie dem zu, was im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgehalten worden ist, nämlich das künftig die Hauptversammlungen darüber bestimmen, wie die Manager eines Unternehmens entlohnt werden!

Tun Sie das mit aller Konsequenz und in aller Öffentlichkeit! Dann kann man nämlich auch verhindern, dass Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat - so wie wir es in manchen Zeitungen lesen konnten - folgendermaßen zitiert werden: Wir haben damit gedroht, dass, wenn dieser Vorstand sperrig bleibt, veröffentlicht wird, wer sich gegen die neuen Regeln zur Wehr setzt.

Meine Damen und Herren, diese Hinterzimmerpolitik von Aufsichtsräten muss endlich aufhören. Wir brauchen dort Transparenz, und dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Starke Worte nach zehn Jahren Nichtstun! Unglaublich!)

Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Herr Ministerpräsident Weil.

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe im Plenarsaal bitten!

(Heiner Schönecke [CDU]: Nicht so schmallippig, Herr Ministerpräsident!)

- Das gilt auch für Sie, Herr Schönecke!

Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, ich kann mich auf wenige Feststellungen beschränken.

Ich will ausdrücklich mit dem Positiven beginnen. Noch vor zwei Wochen - so habe ich es in Erinnerung - erschien es den Repräsentanten der Opposition möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich, ich hätte schon sechs Monate früher von Dieselgate erfahren. Jetzt kritisieren Sie, ich hätte mich einen Tag zu spät um Informationen bemüht. Ich finde, das ist schon mal ein Fortschritt in Ihrer Erkennt

nisbildung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Christian Dürr [FDP]: Das skizziert Ihr komplettes Verhalten!)

Damit komme ich zu der zweiten Feststellung, die ich zu treffen habe - und auch da liegen Sie wieder falsch, ebenso wie bei Ihrem ersten Verdacht. Denn eines steht nun einmal fest: Bei der Information über schwerwiegende Vorgänge im Geschäftsablauf besteht eine Bringschuld des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat. Das ist keine Holschuld des Aufsichtsrates.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das hat Frau Modder zu Herrn Bode aber gerade noch anders gesagt! - Ulf Thiele [CDU]: Das ist das Problem, dass Sie Ihre Rolle so verstehen! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP - Glocke der Präsidentin)

Deswegen ist es meines Erachtens - verzeihen Sie bitte! - abwegig, eine Debatte darüber zu führen, ob ich nun am 20. - - -

(Ulf Thiele [CDU]: Jetzt erklärt er hier auch noch, dass er nichts zu tun ge- denkt! - Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Ministerpräsident! - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite des Hauses, wir haben hier eine klare Verabredung: Wer am Redepult steht, der hat das Wort. Sie haben die Möglichkeit, sich nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung später noch einmal zu Wort zu melden. Aber jetzt bitte ich um Ruhe im Plenarsaal.

Deswegen ist es meines Erachtens - ich bitte, mir das nachzusehen - abwegig, lange darüber nachzudenken, ob ich am 20. oder, wie es geschehen ist, am 21. September von mir aus das hätte veranlassen sollen, was tatsächlich der Vorstand hätte tun müssen, nämlich die Mitglieder des Aufsichtsrates zu unterrichten.

Noch kleinteiliger werden Sie dann bei der Frage, auf welche Weise am 19. September bei mir diese Kenntnis angekommen ist. Gehen Sie einfach davon aus: Ich habe nach meiner Erinnerung, nach bestem Wissen und Gewissen gegenüber

dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin ausgesagt.

(Jens Nacke [CDU]: Aber im Landtag haben Sie die Unwahrheit gesagt!)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was bleibt denn eigentlich unter dem Strich? - Diese Debatte, die Sie hier führen, ist für Volkswagen, für seine Bedeutung für Niedersachsen, für seine Zukunft, absolut belanglos.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Wenn Amateure im Aufsichts- rat sitzen, ist das nicht belanglos!)

Es ist an dieser Stellte ein großer Unterschied zu konstatieren: Sie bemühen immer mehr das ganz kleine Karo. Aber in Anbetracht der eigenen Mitverantwortung, die hier schon angesprochen wurde, hätten Sie eher Veranlassung, sich ebenso wie wir um das Wohl des Unternehmens zu kümmern, als überall in den letzten Ecken zu schauen, wo Sie noch irgendetwas bekritteln können.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Sie tun das nicht, Herr Ministerpräsident! Das ist das Problem! Sie sind mittler- weile das Problem von Volkswagen! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Herr Dürr, jetzt ist es aber gut! Jetzt reicht es! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Dürr, bitte!

Diese Haltung ist der Unterschied zwischen der Opposition und der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.

(Christian Dürr [FDP]: Kollektive Ver- antwortungslosigkeit!)