Protokoll der Sitzung vom 02.03.2017

Wir treten in die Beratung ein. Für die antragstellende Fraktion hat Frau Kollegin Almuth von Below-Neufeldt das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

(Unruhe)

- Frau Kollegin, bevor Sie anfangen, möchte ich das Plenum noch einmal allgemein ansprechen. Das, was ich gesagt habe, gilt auch weiter. Das galt nicht nur für die wenigen Sekunden oder Minuten meiner letzten Ansage. Frau von BelowNeufeldt hat das Wort und nicht das ganze Haus.

Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Idee, die wir mit dem vorliegenden Antrag dokumentieren, ist in der Welt. Wir Freien Demokraten möchten gerne einen digitalen Atlas für Soziokultur schaffen; denn wir wollen die Jugend da abholen, wo sie ist: im Netz.

Meine Damen und Herren, in ein paar Jahren wird man vielleicht darüber lachen, dass die Politik versucht hat, diesen Anstoß zu verhindern. Ja, liebe Regierungsparteien, Sie leben noch im Papierzeitalter.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Flyer und Buntbedrucktes, dazu Mund-zu-MundPropaganda, das sind die Medien, die Sie im Bereich Soziokultur der Jugend anbieten wollen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nichts ge- gen Papier und Mundpropaganda in der Kultur!)

Zum Glück waren Sie bei der Landeszentrale für politische Bildung sehr viel moderner.

Meine Damen und Herren, zu dem Antrag hatten wir eine Anhörung. Eine der Erfolgsgeschichten, die dort vorgetragen wurden, war ein internetbasiertes regionales Netzwerk in Hildesheim. So entwickeln sich heimliche Hauptstädte. „Gibt’s nicht“ gibt es also gar nicht.

Meine Damen und Herren, stärken Sie doch einmal die Akteure vor Ort! Bieten Sie mit einem digitalen Angebot der Jugend ein tolles Themenfeld an! Viele Akteure, viele Macher und Programmgestalter sind im Bereich Soziokultur unterwegs. Sie alle setzen sich ein und lassen sich viel einfallen. Geben Sie Ihnen doch die Sichtbarkeit, die die Jugend braucht und die diese Akteure verdient

haben! Sie zeigen eine große Auswahl an Angeboten für die Jugend, und sie machen eine stärkere Vernetzung möglich.

Meine Damen und Herren, junge Leute sind anders unterwegs als Sie hier im Parlament, gerade Rot-Grün. Aber für die Jugend Entscheidungen treffen, das können Sie mit Ihrer Einstimmenmehrheit. Das wird aber den guten Antrag inhaltlich nicht begraben. Sie werden erleben, was die Jungen daraus machen, auch wenn Sie sich heute verweigern, so wie im Ausschuss, wo übrigens kein einziger Gedanke außer Ablehnung von Ihnen zu hören war. Also die letzte Chance: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau von Below-Neufeldt. - Jetzt hat der Kollege Ulf Prange für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Kulturatlas, zweiter Anlauf“ könnte auch über Ihrem Antrag stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Bereits vor einigen Monaten haben wir an dieser Stelle über Ihren Antrag „Digitaler Kulturatlas“ debattiert. Nun soll es also ein Atlas für die Soziokultur sein. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir uns auch für Ihren neuen Antrag nicht begeistern können. Das haben wir ja auch schon im Ausschuss deutlich gemacht. Das vorgeschlagene Instrument des Kulturatlasses halten wir für wenig zielführend. Man könnte auch sagen: Sie fordern einen Kulturatlas und machen damit deutlich, dass Ihnen der Kompass für Kulturpolitik fehlt.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Debatte über die Sinnhaftigkeit eines zentral geführten Kulturatlasses, also über ein Internetportal, haben wir bereits im letzten Jahr geführt. Die Argumente deshalb noch einmal in aller Kürze:

Sie suggerieren hier Modernität über Begrifflichkeiten, statt sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung inhaltlich ernsthaft auseinanderzusetzen. Ein umfassendes, zentral gesteuertes Internetportal, wie Sie es vorschlagen, ist nicht mehr zeitgemäß, ist kalter Kaffee. Die Pflege ist im Übrigen teuer und aufwendig. Kleine, ehrenamtlich geführte Einrichtungen sind gar nicht in der Lage,

Daten tagesaktuell einzuspeisen. Große Einrichtungen verfügen in der Regel bereits über gute Internetauftritte. Schließlich ist es im Sinne der Nutzer kultureller Angebote sinnvoller, eine Verknüpfung mit vor Ort bereits vorhandenen Internetplattformen, beispielsweise im Tourismusbereich - Sie haben das Beispiel aus Hildesheim eben selbst genannt -, vorzunehmen. Ihr Vorschlag entspricht auch nicht den Suchgewohnheiten der Nutzer über Suchmaschinen usw. Durch Ihren Vorschlag würden Doppelstrukturen geschaffen, die wir dann auch noch staatlich finanzieren. Das wollen wir nicht. Wir sehen auch keinen Bedarf für eine solche Datenwüste.

(Zustimmung bei der SPD und von Volker Bajus [GRÜNE])

In Ihrem Antrag stellen Sie neben soziokulturellen Angeboten auf Programme des internationalen Austausches, auf internationale Begegnungen in der Kultur ab. Jetzt wird es spannend: Im Ausschuss haben Sie insoweit auf eine Veranstaltung im Jugendprojektehaus Weiße Rose in Oldenburg Bezug genommen. Eingeladen hatte die LKJ. Auf dem Podium waren alle hier im Haus vertretenen Fraktionen vertreten. Wir waren uns auf dem Podium einig, die Forderung der LKJ zu unterstützen, Projekte des internationalen Austausches besser sichtbar zu machen. Es gab auch einen konkreten Vorschlag der LKJ, nämlich am Standort Oldenburg, wo es einen Erfahrungsschatz und viel Expertise gibt, ein Servicebüro einzurichten. Dieses Servicebüro haben die Regierungsfraktionen mit dem Doppelhaushalt auf den Weg gebracht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich freue mich, dass es Volker Bajus und mir gelungen ist, unsere Fraktionen für dieses Projekt zu begeistern. Dafür stehen jetzt 120 000 Euro zur Verfügung. Die Arbeit kann losgehen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr schade finde ich, dass Sie das Projekt trotz anderslautender Zusagen gegenüber den Akteuren nicht unterstützt haben und dem Haushalt nicht zugestimmt haben. Darauf hatte ich bereits im Rahmen der Haushaltsberatungen hingewiesen.

Mit dem Projekt „KuBi International“ und dessen Umsetzung ist der Punkt „Internationaler Austausch“ in Ihrem Antrag erledigt. Diese Servicestelle wird aufgebaut und wird in diesem Zusammen

hang sicherlich auch einen eigenen Internetauftritt entwickeln.

Nun zu dem zweiten Aspekt in Ihrem Antrag, dem Internetauftritt für Soziokultur. Soziokultur in Niedersachsen ist eine Erfolgsgeschichte. Eine kurze Bestandsaufnahme: Wir haben 100 Soziokulturelle Zentren, die 13 000 Veranstaltungen im Jahr durchführen und damit ca. 1,3 Millionen Besucher erreichen. Diese Zahlen sind aus 2014. Das Land stellt für Soziokultur über 2 Millionen Euro zur Verfügung, 500 000 Euro für investive Maßnahmen. Die Mittel haben wir über die politische Liste um 250 000 Euro jährlich, also um 500 000 Euro für die Jahre 2017 und 2018, erhöht.

Für das neue Förderprogramm „Neue künstlerische Formate in der Soziokultur“ stehen ebenfalls 500 000 Euro zur Verfügung. Nicht verwendete Mittel fließen in den Investitionstopf zurück.

Der Landesverband wurde bislang mit 365 000 Euro gefördert. Rot-Grün setzt ab 2018 die Tariferhöhung bei den Kulturverbänden durch. Alle Kulturverbände, Landschaften usw. erhalten 15 % mehr. Das ist für die Soziokultur noch einmal ein zusätzlicher Betrag von ca. 55 000 Euro. Schließlich stehen für Projekt- und Strukturförderung jährlich weitere 650 000 Euro zur Verfügung.

Das ist viel Geld, aber die Gegenleistung stimmt. Die Akteure der Soziokultur machen einen guten Job und bereichern unser Land.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Fachebene hat im Rahmen der Unterrichtung noch einmal eindringlich davor gewarnt, ein Portal zu schaffen mit dem Anspruch, alle Veranstaltungen dort zu präsentieren, weil ein großer Teil der ehrenamtlich Tätigen gar nicht die Ressourcen für die erforderliche Zuarbeit hat. Wichtiger sei es, die Frage in den Blick zu nehmen, wie Soziokultur mit dem digitalen Wandel umgeht bzw. sich dafür aufstellt.

Die Anhörung hat ähnliche Hinweise gegeben. Der Vorschlag der FDP wurde sehr zurückhaltend aufgenommen. Aus Hessen wurde über schlechte Erfahrungen mit einem solchen Portal berichtet. Als Best-Practice-Beispiel wurde uns das eben von Ihnen genannte kulturium.de aus Hildesheim vorgestellt. Dies ist aber ein genau anderer Ansatz, nicht zentral für das ganze Land aus Hannover geplant, sondern vor Ort mit den Akteuren entwickelt, und eine sehr gut funktionierende Plattform.

Ferner ging es um die Frage: Wie geht Internet heute? Ihr Vorschlag eines Kulturatlasses passt doch eher ins letzte Jahrhundert. Heute gibt es ganz andere Möglichkeiten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Gerade wenn man junge Menschen erreichen will - das ist anscheinend Ihr Anspruch -, muss man heute andere Wege gehen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wir neh- men die Atlas-App!)

Die Landesarbeitsgemeinschaft hat beispielsweise eine Cross-Media-Plattform vorgestellt, auf der soziokulturelle Einrichtungen in Form von VideoPorträts präsentiert werden können.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wo ist der Unterschied?)

Dafür würden dann aber auch hohe Kosten anfallen: 300 000 Euro für die Einrichtung, 100 000 Euro jährlich für den Betrieb.

Wir haben im Rahmen der Anhörung mit den Akteuren der Soziokultur auch über Prioritäten gesprochen. Ihr Vorhaben der Stärkung der Internetpräsenz kam an letzter Stelle. Viel wichtiger waren den Akteuren eine personelle Verstärkung, Mittel für Investitionen und auch die Verstärkung für Modellprojekte. Genau das haben wir mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 umgesetzt. Ich hatte es bereits erwähnt. Wir haben die institutionelle Förderung erhöht, Investitionsmittel zur Verfügung gestellt. Das ist das, was die Soziokultur braucht und was wir im Dialog mit den Akteuren entwickelt und umgesetzt haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch einige Sätze zur Digitalisierung in der Kultur. Das darf man nicht auf Internetpräsenz reduzieren. Es geht auch tatsächlich um viel mehr, nämlich darum, Freiräume für Kultur im Internet zu schaffen und so neue Formate zu ermöglichen. Meiner Meinung nach muss es auch darum gehen, Kultur dafür fit zu machen, sich mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen, wie Hate-Speech im Internet, Rechtspopulismus und anderen Entwicklungen, auseinanderzusetzen.

Ich hatte bereits angesprochen, dass das MWK das Förderprogramm „Neue Künstlerische Formate in der Soziokultur“ mit 500 000 Euro im Jahr 2016 neu aufgelegt hat. In der Anhörung wurde das

Projekt „Pavillon Prison Break“ vom Pavillon in Hannover als ein Beispiel für Projekte genannt, die aufgrund dieser neuen Förderkulisse gefördert werden. Dabei geht es darum, dass anhand eines Programms, ähnlich wie bei Pokémon Go, für die Nutzer die Möglichkeit besteht, auf historische Inhalte zuzugreifen; politische Bildung wird als Inhalt vermittelt.

Das sind die Formate, mit denen Sie tatsächlich junge Menschen erreichen. Ihr Vorschlag wirkt dagegen, mit Verlaub, recht altbacken. Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Regional bereits vorhandene Online-Angebote müssen kontinuierlich gestärkt und besser vernetzt werden. Mit dem neuen Förderprogramm bieten wir der Soziokultur die Möglichkeit, verstärkt die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen und neue Zielgruppen anzusprechen. Mit dem Doppelhaushalt haben wir letztlich die richtigen Signale gesetzt und die Soziokultur bei Personal und Investition nachhaltig gestärkt.

Vielen Dank.