Protokoll der Sitzung vom 02.03.2017

Meine Damen und Herren, zum PUA: Entgegen Ihrer Auffassung, die Sie eingangs geäußert haben, hat sich der Untersuchungsausschuss bereits jetzt bewährt. Sie sind von Anfang an mit der Aussage gestartet, dieser PUA sei überflüssig. Deshalb haben Sie die Verfassung gebrochen, um diese Untersuchung, die Sie für überflüssig hielten, zu torpedieren. Das ist Ihr Versuch und übrigens weiterhin der Versuch des Ministers, der die Akten

eben nicht so vorlegt, wie er sie vorlegen müsste, der die Geheimschutzmaßnahmen, die der Landtag ergriffen hat, bei der Aktenvorlage und bei den Aussagegenehmigungen nicht würdigt und der den Landtag mit diesen Anforderungen in eine Investition zum Ausbau der Räumlichkeiten getrieben hat, die vielleicht langfristig Sinn macht, aber für diesen Untersuchungsausschuss womöglich gar nicht gebraucht wird. Da wird also das, was Sie ursprünglich wollten, weiterhin durch die Landesregierung betrieben, nämlich den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu torpedieren.

Wir können dagegenhalten. Wir haben gemeinsam mit den Kollegen der CDU einen entsprechenden Zwischenbericht vorgelegt, der besagt, dass dieser Untersuchungsausschuss sehr wohl zu weitgehenden Erkenntnissen geführt hat, die ein Schlaglicht auf die Versäumnisse der Landesregierung im Bereich der inneren Sicherheit werfen und die nur deshalb, weil sie öffentlich geworden sind, dazu geführt haben, dass es bereits zu Veränderungen gekommen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir fordern in Anknüpfung an die Entscheidung des Staatsgerichtshofes, dass die Landesregierung ihre Behinderungspolitik endlich einstellt, dass wir von der Landesregierung zügig die Unterstützung bekommen, die notwendig ist, um unsere parlamentarischen Rechte tatsächlich umzusetzen, dass Akten zügig vorgelegt werden, dass verfassungswidrige Aussagegenehmigungen zurückgenommen werden, dass wir endlich zu einem vernünftigen Miteinander in diesem Untersuchungsausschuss kommen und die Landesregierung endlich ihren Verpflichtungen genügt.

Meine Damen und Herren, abschließend will ich noch Folgendes ergänzen, weil das wirklich eine grundsätzliche Frage ist: Es sind ja nicht nur die Verfahren, die der Kollege Nacke angeführt hat, sondern es sind ja weitergehende Verfahren, die wir als FDP-Fraktion vor dem Staatsgerichtshof geführt haben. Zusätzlich hat die Landesregierung noch in zwei Verfahren anerkannt, dass sie die Verfassung im Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht gebrochen hat. In einem Verfahren hat sie einen Vergleich mit uns geschlossen, und in einem weiteren Verfahren sind wir im Streit.

Meine dringende Bitte ist: Nehmen Sie die Verfassung ernst! Achten Sie die Oppositionsrechte! Denn es geht um mehr als um tagespolitische Opportunitäten, um tagespolitische Stimmungslagen. Es geht um die grundlegenden Dinge unserer

Verfassung, der parlamentarischen Arbeit. Wenn Sie nicht in der Lage sind, diese zu schützen, zu verteidigen und zu achten, dann wirft das ein bezeichnendes Licht auf Ihr Verständnis von Demokratie und schadet am Ende der Demokratie insgesamt.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Helge Limburg das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Birkner, nur zwei Sätze zur Immunitätsdebatte, weil Sie dieses Thema noch einmal angesprochen haben:

Was Sie in dieser Debatte der Öffentlichkeit immer wieder verschweigen oder dabei vielleicht auch übersehen, ist, dass die parlamentarische Immunität in Niedersachsen ebenfalls Verfassungsrang genießt. Artikel 15 regelt ausdrücklich die parlamentarische Immunität, die wir hier zur Anwendung gebracht haben.

(Christian Grascha [FDP]: Politische Verfolgung!)

Ihr Problem, Herr Dr. Birkner, ist, dass Sie die Verfassung immer sehr selektiv lesen, je nachdem, was Ihnen in Ihre politischen Kampagnen hineinpasst.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Annette Schwarz [CDU]: Zur Sache! - Christian Dürr [FDP]: Die rechtswidrige Nutzung der Immunität ist verfassungsrechtlich verbrieft? Das sehe ich nicht so!)

Meine Damen und Herren, es ist bereits mehrfach gesagt worden: Der Staatsgerichtshof hat festgestellt, dass es der Verfassung widersprach, den auf Wunsch und Antrag von CDU und FDP eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Durchleuchtung der Sicherheitsbehörden zurück bis in das Jahr 2011 auszuweiten.

Ich bedauere ausdrücklich, dass wir in der Absicht, einen sinnvollen und logischen inhaltlichen Zusammenhang für den Untersuchungszeitraum zu erreichen, die Verfassung gebrochen haben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Das ist doch mal ein Wort!)

Immerhin, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir alle mit diesem ersten Urteil zu Artikel 27 unserer Landesverfassung Rechtsklarheit gewonnen.

Meine Damen und Herren, es war im Übrigen - auch wenn Sie das so darstellen - mitnichten das erste Mal, dass eine parlamentarische Mehrheit einen Untersuchungsausschuss in Niedersachsen auf die vorherige Legislaturperiode, also auf eine andere Regierung ausgedehnt hat. Ich darf Sie an den Untersuchungsausschuss zum JadeWeserPort erinnern, den CDU und FDP auf die Regierungszeit der SPD ausgeweitet haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber nicht gegen den Willen der Opposition! - Ulf Thiele [CDU]: Mit Ihrem Einverständ- nis! - Björn Thümler [CDU]: Einstim- mig!)

Damals haben SPD und Grüne in der Tat auf den Gang nach Bückeburg verzichtet, weil schnell mit der Sacharbeit begonnen werden sollte, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Staatsgerichtshof musste auch über die Zulässigkeit des Antrags von Abgeordneten von CDU und FDP entscheiden und hat dabei eine aus meiner Sicht durchaus bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Nunmehr ist festgestellt, dass es nicht notwendig ist, dass Abgeordnete eigenhändige Unterschriften einreichen. Stattdessen reichen Unterschriften der Fraktionsführungen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses aus. Sogar mündliche Versicherungen der Fraktionsführungen sollen ausreichen, um die erforderliche Zahl der Abgeordneten festzustellen.

Der Rundblick hat dazu - aus meiner Sicht im Übrigen vollkommen zu Recht - festgestellt:

„In der gegenwärtigen Verfasstheit des Landtags mag diese Frage nicht so relevant sein. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass das zukünftig so bleiben wird. Dieses Urteil sorgt dafür, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses de facto das Recht von Fraktionsführungen wird, sofern die Fraktionen eine entsprechende Anzahl von

Mitgliedern haben. Ich habe Zweifel, ob das dem Parlamentarismus in Zukunft wirklich immer guttun wird.“

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Was soll diese Urteilsschelte? - Christian Grascha [FDP]: Das ist an den Haa- ren herbeigezogen!)

Meine Damen und Herren, wir hören immer wieder - gerade eben schon wieder -, der Ausschuss habe schon neue Erkenntnisse und Fehler ans Licht gebracht. Ja, meine Damen und Herren, wir alle sind heute ohne Frage juristisch klüger, als wir zu Beginn der Ausschussarbeit waren. Für die Erkenntnisse, die Sie gewonnen haben, hätte man zweifellos das scharfe Schwert des Untersuchungsausschusses nicht gebraucht. Die normalen parlamentarischen Mittel hätten zweifellos ausgereicht; aber auf die wollten Sie nicht warten, auf die haben Sie verzichtet. Sie wollten direkt in diesen Skandalisierungsausschuss gehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ein Verfassungsbruch ist nie gut, egal wer ihn begeht. Und ein Verfassungsbruch wird natürlich nicht durch einen anderen geheilt; das ist vollkommen klar. Aber angesichts des hochmütigen Auftretens des Kollegen Nacke und des Kollegen Dr. Birkner und auch des Kollegen Dürr

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

mit seinen Zwischenrufen hier in der Debatte möchte ich Sie alle doch an Ihre eigene schwarzgelbe Regierungszeit erinnern.

Meine Damen und Herren, das Mediengesetz, das Lüchow-Dannenberg-Gesetz, das Gesetz zum Maßregelvollzug, die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die Telefonüberwachung, der Landeshaushalt - alles verfassungswidrig! Sie haben als Abgeordnete wieder und wieder die Hand für verfassungswidrige Gesetze gehoben. Das gehört zur Wahrheit dazu - von dem verfassungswidrigen Verschweigen Ihrer Beteiligung am Nord-SüdDialog ganz zu schweigen!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Nacke, Herr Dr. Birkner, das hohe Ross, auf das Sie sich hier heute geschwungen haben, bricht unter der Last Ihrer Verfassungsbrüche zusammen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Die Grü- nen können nicht anders als zu mora- lisieren!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, zu den Besonderheiten dieses Untersuchungsausschusses gehört, dass die Erweiterung auch wegen der Gefahr einer wesentlichen Verzögerung der Ausschussarbeit als verfassungswidrig festgestellt wurde. Als erste Reaktion auf dieses Urteil - getroffen wegen einer drohenden Verzögerung! - forderten CDU und FDP vehement eine Aussetzung der Ausschussarbeit und sorgten damit für eine weitere Verzögerung.

Aber es war nicht das erste Mal, dass Sie verzögert haben. Sie haben Befragungen willkürlich abgerochen, Sie haben Pressekonferenzen für einen Zeitpunkt mitten während der Zeugenbefragungen angesetzt, Sie haben sich mit fadenscheinigen Gründen geweigert, in einen vertraulichen Sitzungsteil einzutreten. Meine Damen und Herren, Recht und Politik können bisweilen merkwürdige Blüten treiben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, natürlich ist es wichtig, dass der Landtag und die Opposition zahlreiche Rechte haben. Juristisch haben Sie, Herr Nacke und Herr Dr. Birkner, natürlich das Recht, diesen Ausschuss zu haben und die Arbeit dort zu leisten. Niemand macht Ihnen das streitig.

Aber politisch sind Sie gegenüber der Öffentlichkeit durchaus Rechenschaft darüber schuldig, was Sie mit diesem Ausschuss eigentlich wollen. Es reicht politisch eben nicht aus zu sagen: „Ich habe aber das Recht dazu!“ In politischer Hinsicht müssen Sie parlamentarische Rechte mit Leben, mit Anspruch und mit Inhalt füllen. Doch da gilt bislang leider: Fehlanzeige, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Abschließend bleibt zu sagen, dass SPD und Grüne hier heute demütig nach Canossa gegangen sind. Das war, ohne Frage, auch notwendig. In diesem Zusammenhang erscheint es mir aber wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass der Urheber des Ganges nach Canossa, König Heinrich IV., nach diesem Canossa-Gang noch ganze 28 Jahre

lang unangefochten regiert hat. Ich freue mich auf die kommenden Jahre.

Vielen Dank.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Es folgen jetzt zwei Kurzinterventionen. Zunächst spricht der Kollege Jens Nacke für 90 Sekunden. Bitte schön!

(Björn Thümler [CDU]: Heinrich, hät- test du doch geschwiegen!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Limburg, möglicherweise liegt das Gemeinsame auch darin, dass die Einstellung des Ministerpräsidenten gegenüber dem Parlament dieselbe ist, die wohl auch Heinrich IV. an den Tag gelegt hätte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)