Zweitens. Ein wesentlicher Bestandteil des Namens Ihrer Partei ist ja das Wort Union. Das ist offensichtlich auch der einzige Teil, der Sie von der CDU mit Gewerkschaften verbindet.
Drittens. Nach dem 24. September wird es in Deutschland nur gerechter mit starken Grünen im Bundestag.
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU: Ah! - Jens Nacke [CDU]: Panik ist ein schlechter Ratgeber, Herr Kollege!)
Gewerkschaften, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind nicht ausschließlich Interessenvertretungen der Beschäftigten, sondern sie sind in Deutschland seit jeher auch ein starker Partner, der sich - insbesondere heute - klar gegen Rechts positioniert. Wir brauchen Gewerkschaften als eine gesellschaftliche Kraft, die für Solidarität, Weltoffenheit, Frieden und Gerechtigkeit eintritt - national wie international.
Wie dringend wir Gewerkschaften brauchen - Herr Kollege Toepffer mag verneinen, dass das so ist -, lässt sich an wenigen Zahlen deutlich machen. Im Dezember 2016 hat die Zahl der Leiharbeiter und -arbeiterinnen die 1-Million-Grenze geknackt. Auf Zeit und zu schlechter Bezahlung arbeiten in Deutschland so viele Menschen wie nie zuvor. Die vorgeblichen Bemühungen, die Leiharbeit zu ihrem Ursprungszweck zurückzuführen, sind allesamt gescheitert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Fast 600 000 Beschäftigte müssen ergänzend zum Lohn Hartz IV beantragen. Die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse nimmt zu.
Fast jeder fünfte junge Beschäftigte hangelt sich mit endlosen Kettenarbeitsverträgen durchs Leben. Das darf meines Erachtens nicht so weitergehen. Sachgrundlose Befristungen müssen abgeschafft werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Die meis- ten Kettenarbeitsverträge gibt Ihre grüne Ministerin aus!)
Laut der neuesten Pressemitteilung des DIW ist der Anstieg der Realeinkommen auch weiterhin ungleich verteilt. Das ist die Krux an der ganzen Geschichte: Die höchsten Einkommen haben von 1991 bis 2014 um 26 % zugenommen. Das real verfügbare Einkommen der unteren 40 % dagegen sank in demselben Zeitraum. Das ist leider das Hauptergebnis - das muss ich auch sagen - einer deregulierenden Agenda-2010-Politik. Deswegen brauchen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gewerkschaften als Korrektiv in dieser Hinsicht, und ich sage Ihnen auch, warum. - Das ist nämlich genau der Punkt, über den der Kollege Toepffer aus meiner Sicht hier so hergezogen hat.
Wenn politische Interpretationen und der erlebte Alltag der Menschen immer weiter auseinanderdriften, dann wird eine Gesellschaft zunehmend instabil, und es entwickelt sich ein soziales und politisches Minenfeld, das aus meiner Sicht die Demokratie bedroht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Rechtspopulismus schützen. Man kann es auch andersherum formulieren: Je weniger Menschen in unserem Land anständig behandelt werden und je weniger sie ein selbstbestimmtes Leben in Würde führen können, desto anfälliger sind sie gegenüber den rechtspopulistischen Rattenfängern.
Gerade in diesen Zeiten, in denen Rechtspopulisten wie die AfD heuchlerisch vorgeben, sich für den sogenannten kleinen Mann - und „die kleine Frau“, füge ich hinzu - einzusetzen, was sie ja gar nicht machen, ist es mir wichtig, kurz an die Geschichte der Gewerkschaften zu erinnern. Vor 84 Jahren waren es die Nationalsozialisten, die kurz nach der Machtübernahme - ich glaube, bereits am Tag nach dem 1. Mai - die Gewerkschaften zerschlugen und sie in der Deutschen Arbeitsfront gleichgeschaltet haben. Das hat sehr viele Schmerzen hervorgerufen und dazu geführt, dass viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter inhaftiert worden sind.
Ich sage Ihnen: Manchmal kommt es mir heutzutage, wenn ich das alles so sehe, so vor, als wären die alten Geister wieder da. Deswegen beeindruckt es mich, dass die Gewerkschaften, allen voran Reiner Hoffmann als Vorsitzender des DGB, heute so deutlich darauf hinweisen - das machen sie auch mit diesem Motto zum 1. Mai deutlich -, dass sie als Erste ganz vorne stehen, wenn es darum geht, den Rechtspopulismus zu bekämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ein gutes Beispiel dieser Gewerkschaftskraft ist vielleicht auch eines der Lieder, die hier in Niedersachsen entstanden sind - Sie kennen es alle -, nämlich das Lied der Moorsoldaten. Es ist damals in Papenburg im Konzentrationslager Börgermoor entstanden. Kurz nachdem es von Tausenden immer wieder gesungen worden ist, hat man versucht, es zu verbieten. Das ist allerdings nicht gelungen, und daran hat sich gezeigt, dass Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen eine riesige Widerstandskraft auch gegen Nazis entwickeln können. Wir sollten uns das zu eigen machen und mit ihnen gemeinsam den öffentlichen Raum wieder für uns reklamieren.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Glocke des Präsidenten - Christian Grascha [FDP]: Was ist das für ein Vergleich? Was haben Sie für ein komisches Geschichtsbild?)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Den Gewerkschaften geht es um Solidarität, um Solidarität in schwierigen Zeiten. Sie treten ein gegen Rechts; sie bekämpfen soziale und gesellschaftliche Missstände. Sie setzen sich für das Gemeinwohl ein; sie handeln international. Mit anderen Worten: Sie sind Demokratie. Deswegen bin und bleibe ich gerne Gewerkschaftsmitglied.
Ich fordere Sie alle auf: Haken Sie sich unter und kommen Sie am 1. Mai dorthin - meinetwegen auf den Trammplatz -, wo es wieder heißt: „Wir sind viele. Wir sind eins.“ Seien Sie dabei!
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Herr Kolle- ge Schremmer, ich empfehle Ihnen, über die Rede noch mal nachzuden- ken! Was ziehen Sie für Vergleiche?)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Modder, es war ja nicht alles falsch, was Sie gesagt haben.
Es ist in der Tat so, dass uns ganz, ganz viele Menschen auf der Welt und sogar ganz, ganz viele Menschen in der Europäischen Union um den Lebensstandard, um den Wohlstand, um die Arbeitsqualität, die wir in Deutschland haben, beneiden.
Wenn wir aber in Deutschland in der Tat weniger arbeiten müssen und höher bezahlt werden als andere auf der Welt, dann muss das Produkt, das herauskommt, schlicht und ergreifend auch besser sein. Es muss eine höhere Produktivität erwirtschaftet werden, sonst wird das System in der weltweiten offenen Gesellschaft nicht funktionieren. Dieser Aspekt ist mir in Ihrer Rede zu kurz gekommen.
Wir haben unseren Erfolg der sozialen Marktwirtschaft zu verdanken. Wir haben ihn Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verdanken. Wir haben ihn den Erfindern, den Ingenieuren zu verdanken, die Ideen für neue Produkte entwickelt haben, und wir haben ihn den Arbeitnehmern zu verdanken, die
diese Produkte tatsächlich gefertigt haben. Nur gemeinsam funktioniert es - nicht nur mit einer Seite allein.
In der Tat müssen wir jeden Tag diesen Wohlstand und diese Arbeitsqualität, die wir durchaus weiterverbessern würden wollen - - -
- Meinetwegen auch müssen. Wir würden uns wünschen, dass das funktioniert. Das müssen wir aber jeden Tag neu erarbeiten. Wir müssen unseren Wohlstand, unsere Arbeitsqualität jeden Tag neu verteidigen und neu erwirtschaften. Das kommt bei Ihnen zu kurz.
Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie einmal darüber nachdenken, wie sich beispielswiese ver.di gegen die eigenen angeblich vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt, z. B. am letzten Wochenende. In den Innenstädten ist der Einzelhandel in einer ganz schwierigen Situation, und ver.di überzieht das ganze Land, die ganze Republik, mit Klagen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die arbeiten wollen, an der Arbeit zu hindern.
(Gerd Ludwig Will [SPD]: Weil Sie ein schlechtes Gesetz gemacht haben! - Gegenruf von Christian Grascha [FDP]: Dann ändert es doch!)
Das kann schlicht und ergreifend nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Durch so etwas riskiert man Arbeitsplätze.
Ich würde mir auch wünschen, Frau Modder, dass bei der SPD Reden und Handeln nicht so diametral auseinanderfallen, sondern dass man das, was man verspricht, tatsächlich umsetzt. Ich denke da an Martin Schulz. Über seine Unglaubwürdigkeit und die der SPD beim Thema Managervergütung brauchen wir jetzt nicht zu reden.
Reden wir doch einmal über das andere Projekt, das Ihr Messias aufgetischt hat - da hat er sich ja bei Olaf Lies eine Anleihe geholt -: die befristeten Beschäftigungsverhältnisse.
Olaf Lies sagt, genau wie Martin Schulz, dass eine befristete Beschäftigung nur einmal verlängert werden darf und es dann eine Festanstellung geben muss.
Nun haben wir einmal gefragt: Was machen Sie denn, wenn Sie tatsächlich Verantwortung haben? - Minister Lies ist derjenige, der in der Tat in seinem Geschäftsbereich - Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber Sie können es in der Antwort auf unsere Anfrage nachlesen - 386 Leiharbeiter und befristet Beschäftigte beschäftigt. - 386!
Auf die Frage, wie viele Mitarbeiter in seinem Ministerium nach der ersten Befristung übernommen worden seien, war die Antwort übrigens: Null! - Um es ganz klar zu sagen: Kein einziger!
Da Sie immer von befristeten Beschäftigungsverhältnissen sprechen - Herr Schremmer hat von Kettenarbeitsverträgen gesprochen -:
Wollen Sie wissen, wie viele befristete Beschäftigungsverhältnisse von ihm verlängert worden sind? - Ein Drittel aller befristeten Beschäftigungsverhältnisse ist von ihm verlängert worden, und zwar mehrfach verlängert worden, meine sehr geehrten Damen und Herren.