Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Becker. Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Weltgemeinschaft hat auf der 21. UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris die Notwendigkeit des Klimaschutzes geschlossen anerkannt und sich zu einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C, bekannt - also fast die ganze Weltgemeinschaft, bis auf Donald Trump und den Kollegen Hocker, soweit das für mich erkennbar ist.

(Jörg Bode [FDP]: Na, na!)

Im Gegensatz zu Herrn Hocker kann Herr Trump mit seiner Auffassung zur Förderung regenerativer Energien und Klimaschutz allerdings tatsächlich Schaden anrichten. Wir hingegen wollen das nicht. Wir wollen in Niedersachsen unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten, und wir haben bereits viel erreicht.

Niedersachsen ist bekanntlich das ErneuerbareEnergien-Land Nummer eins. Der Anteil der regenerativen Energieträger an der gesamten Stromerzeugung betrug bei uns im Jahr 2015 40,1 % und lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 29 %. Meine Damen und Herren, bei einem so weit fortgeschrittenen Ausbau muss man der Entwicklung Leitplanken geben, um die Weiterentwicklung der Erzeugungsstrukturen, der Netze und der Speicher zu steuern. Das am 16. August 2016 durch das Landeskabinett beschlossene Leitbild für die Energie- und Klimaschutzpolitik gibt für Niedersachsen diese Leitplanken vor.

Die zweite gute Nachricht ist, dass das zugrunde liegende Gutachten „Szenarien zur Energieversorgung in Niedersachsen im Jahre 2050“ die technische Realisierbarkeit der niedersächsischen Klimaschutzziele auch tatsächlich nachweist.

Die dritte gute Nachricht besteht darin, dass Niedersachsen seine Energieversorgung bis 2050 komplett auf heimische erneuerbare Energien umstellen kann. Wir verfügen über ausreichend geeignete Flächen,

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Wo sind denn die Flächen, Herr Becker?)

und der Strom ist im Jahr 2050 auch nicht teurer als unter Beibehaltung der heutigen Systembedingungen.

Herr Kollege Becker, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr Kollege Hocker bittet darum, eine Frage stellen zu dürfen.

Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Kollege Becker, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie eben erläutert haben, dass es in Niedersachsen hinreichend Flächen für Ressourcen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien gebe, würde ich von Ihnen gerne wissen, wo sich Ihrer Meinung nach diese Flächen tatsächlich in Niedersachsen befinden,

(Marcus Bosse [SPD]: Das entschei- det er doch nicht!)

um dort zusätzliche Windkraftanlagen - darum wird es wahrscheinlich in erster Linie gehen - zu errichten.

Vielen Dank.

Herr Dr. Hocker, ich empfehle Ihnen gelegentlich das Studium des Gutachtens. Darin ist niedergelegt, dass der Beitrag der Photovoltaik zur regenerativen Energieversorgung in Niedersachsen gegenüber dem Istzustand von derzeit 9 % auf dann 36 % steigen soll.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Wo sind die Flächen? Das ist die Frage!)

Diese werden zu einem großen Teil auf den Dächern in Niedersachsen liegen. Das z. B. ist ein großer Teil der Flächen, die in Niedersachsen dann genutzt werden können. So weit meine Antwort in aller Kürze. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Feststellung des Gutachtens, Herr Dr. Hocker, die Sie auch interessieren wird, will ich Ihnen nicht vorenthalten. Das Gutachten weist nach, dass bis zum Jahr 2050 durch die Energiewende der Strom nicht teurer wird,

(Dr. Gero Hocker [FDP] lacht)

als er unter Beibehaltung der gegenwärtigen Systembedingungen wäre.

Meine Damen und Herren, unter Einbeziehung der Sektorkoppelung und des daraus resultierenden Strommehrbedarfs geht das Gutachten für das Zieljahr 2050 von einem um 47 % geringeren Energieverbrauch gegenüber dem Istzustand, also dem Status quo, aus.

Das kann natürlich nur mit ganz maßgeblichen Effizienzsteigerungen erreicht werden, insbesondere im Gebäudebestand. Durch energetische Sanierungen des gesamten Gebäudebestandes kann der Raumwärmebedarf auf rund ein Drittel

von 125 auf 45 kWh pro m2 im Jahr 2050 gesenkt werden.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das hat mit Ihrem Antrag gar nichts zu tun! Das wissen Sie!)

Dazu ist allerdings nach Berechnung des Bundesamtes eine jährliche Sanierungsrate von 2,6 % erforderlich, um den gesamten Gebäudebestand in der Bundesrepublik Deutschland bis 2050 vollständig saniert zu haben.

Meine Damen und Herren, wir sind in Niedersachsen schon weit vorangekommen, aber das große Stück des Weges liegt noch vor uns. Darum brauchen wir neue Ideen und den Freiraum, diese Ideen auch praktisch erproben zu können. Unter diesem Gesichtspunkt, meine Damen und Herren von der CDU, war Ihr Antrag der emissionslosen Nordseeinsel ein Beitrag, der uns durchaus weiterbringen kann.

(Martin Bäumer [CDU]: Aha! - Jörg Bode [FDP]: Es ist nicht alles schlecht!)

- Ja, das haben wir im Ausschuss immer betont.

In den Anhörungen zu diesem Antrag ist allerdings auch deutlich geworden, dass die Nordseeinseln im Hinblick auf flexible Laststeuerung und die Einbeziehung des Mobilitätssektors eher wenig Potenzial haben. Die auf den Inseln weitgehend einheitlichen Siedlungs- und Quartiersstrukturen mit weitgehend hohem energetischen Sanierungsbedarf bieten sich damit für ein Modellprojekt mit einem deutlichen Schwerpunkt auf die energetische Quartierssanierung geradezu an, zumal in der enera-Modellregion, in den Landkreisen Aurich, Friesland, Wittmund und der Stadt Emden, bereits heute 170 % regenerativ erzeugter Strom in die Netze eingespeist werden. Da treten bereits jetzt die Herausforderungen und Problemstellungen auf, die die gesamte Bundesrepublik Deutschland erst im Jahr 2050 erwartet.

Auch im Hinblick auf die Beherrschbarkeit der Volatilität regenerativ erzeugten Stroms können die vorgelagerten Inseln als Modellregion gelten. Dementsprechend haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, bei dem wir die Ergebnisse der Anhörung verarbeitet haben. Ich hätte eigentlich erwartet, dass wir diesen weiterentwickelten Antrag gemeinsam tragen. Aber leider war das im Ausschuss nicht erreichbar. Vielleicht entscheiden Sie sich heute ja neu.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Das Angebot steht!)

Meine Damen und Herren, ein Modellprojekt kann natürlich nicht alle Probleme der Energiezukunft lösen. Die entscheidenden Herausforderungen des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien liegen in den Flexibilitätsanforderungen des Stromsystems der Zukunft. Je flexibler Stromerzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden können, desto effizienter wird das gesamte Energiesystem. Der steigende Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung führt nämlich bereits heute dazu, dass in Zeiten, in denen viel Wind weht und die Sonne stark scheint, große Überschussmengen an elektrischem Strom produziert werden.

Mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich diese Problemstellung naturgemäß weiter zuspitzen. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch soll bundesweit auf 40 bis 45 % im Jahr 2025, auf 55 bis 60 % im Jahr 2035 und auf mindestens 80 % im Jahr 2050 steigen. Das muss auch so geschehen, meine Damen und Herren; denn die heutigen Ausbauszenarien für die regenerative Energieerzeugung reichen bei Weitem nicht aus, um auch die Sektoren Wärme und Mobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen.

In Niedersachsen mit seinem gegenüber dem Bundesdurchschnitt deutlich fortgeschrittenem Ausbau der erneuerbaren Energien stellen sich die daraus resultierenden Fragen für die Netzanpassung, den Ausbau von Speichern oder die Koppelung der Energiesektoren Strom, Wärme und Mobilität natürlich früher als im Bundesgebiet.

Meine Damen und Herren, der Ausbau des Nachfragemanagements kann einen wesentlichen und kostengünstigen Beitrag leisten, um diese Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen. Wir werden aber auch die gesamte Breite der verschiedenen Speichermöglichkeiten benötigen, um die Volatilität der zukünftigen Stromproduktion ausgleichen und Angebot und Nachfrage zusammenführen zu können.

Wenn wir die Entwicklung der verschiedenen Speicheroptionen von Wärme über „Power-to-X“ bis hin zu Batteriespeichern vorantreiben wollen, dann müssen wir nicht einmal zuerst an aktive wirtschaftliche Anreize denken. Als erster Schritt würde schon die Beendigung der doppelten Belastung durch Netzentgelte für Speicher genügen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Solange nämlich Speichersysteme sowohl für den aus dem Netz geladenen als auch den später wieder ins Netz abgegebenen Strom, also zweimal, mit Netzentgelten belastet werden, ist ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Speicher kaum möglich.

(Volker Bajus [GRÜNE]: So ist es!)

Dementsprechend sollten Speicher fördertechnisch nicht als Letztverbraucher, sondern als eigenständige Systemkomponenten eingestuft und bewertet werden.

Meine Damen und Herren, „Power-to-X“-Projekte, also die Umwandlung von Strom in Flüssigkeiten, in Gas oder in chemische Grundstoffe, sind ein möglicher Weg mit einer realistischen wirtschaftlichen Perspektive. Damit werden zukünftig auch Entscheidungen der Bundesnetzagentur obsolet, nach denen die Regionen, in denen in der Vergangenheit die meisten neuen Windparks entstanden sind, also ganz Norddeutschland, künftig mit etwas mehr als der Hälfte des bisherigen Zubaus auskommen müssen.

Meine Damen und Herren, mit der Unterstützung des Energiewendegroßprojektes enera in den Landkreisen Aurich, Friesland, Wittmund und der Stadt Emden und des Aufbaus einer praktikablen Wasserstoffwirtschaft in der Region Unterelbe ist die Landesregierung bereits auf einem guten Weg. Wir wollen diesen Weg mit unserem Antrag weiter unterstützen und bitten um Ihre Zustimmung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Es folgt nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Hocker. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Becker, ich bin einigermaßen darüber enttäuscht, wie mit unserem Antrag im Umweltausschuss umgegangen wurde. - Da brauchen Sie gar nicht zu seufzen oder zu stöhnen; ich werde Ihnen erläutern, worauf sich meine Enttäuschung bezieht.

Wir haben über die Frage diskutiert, wie wir die Herausforderung meistern können, den Strom, von