Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

Zur Ehrlichkeit gehört eben auch: Wir sind ein bisschen spät dran. Die allermeisten Länder haben

bereits eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Manche verzichten aber auch bewusst darauf. So hat beispielsweise der bayrische CSU-Innenminister gesagt, dass die Herausgabe von amtlichen Informationen dazu führen könne, die Bürgerinnen und Bürger zu „überfordern“. Scheinbar macht sich Frau Lorberg genau diese Haltung zu eigen.

(Editha Lorberg [CDU]: Sie haben mir gar nicht zugehört!)

Da muss ich Ihnen sagen: Das ist schon einigermaßen absurd!

(Editha Lorberg [CDU]: Ich habe doch gar nicht von Überforderung gespro- chen! Sie haben nicht zugehört!)

Wenn wir eines wissen, dann ist es doch das: Nicht mehr Transparenz überfordert die Bürgerinnen und Bürger, sondern andauernde Intransparenz überfordert die Demokratie. Und das können wir nicht wollen!

(Zustimmung bei der SPD)

Unsere Zeit verlangt nach neuen Antworten. Deshalb gehört das altbackene Prinzip des Amtsgeheimnisses, das über allem thront, auch wahrlich auf den Müllhaufen der Geschichte.

Mit dem Transparenzgesetz wird für das berechtigte Informationsbedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen erstmals eine geregelte Grundlage geschaffen. Grundsätzlich gilt: Alles, was amtlich an Daten erhoben wird, ist öffentlich. Dieses Prinzip ist richtig, und es gilt nicht nur für die Verwaltung des Landes, sondern auch für die der Kommunen.

Ebenso gilt es für natürliche und juristische Personen des Privatrechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei der Kontrolle des Landes oder einer unter der Aufsicht des Landes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen. Das hört sich verdammt schwierig an, ist es aber eigentlich nicht. Es betrifft nämlich auch alle Institutionen, die quasi staatlich sind. Ich will das konkret machen: Es geht auch um öffentliche Unternehmen, so z. B. aus dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, die ihre Daten auf Anfrage offenlegen müssen. Ich finde, das ist gut und richtig so.

Meine Damen und Herren, es gibt aber auch gute Gründe, dass eine Reihe von Bereichen ausgeschlossen ist. Das sind nämlich all jene, in denen schutzwürdige Rechte betroffen sind. Nur damit

das klar ist: Transparenz kann nicht unbegrenzt und für alles gelten. Von Immanuel Kant wissen wir: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die des anderen beginnt. Das Recht auf Schutz der Privatsphäre, auf informationelle Selbstbestimmung, kann und darf nicht beschnitten werden. Kein Anspruch auf Transparenz kann den Anspruch auf richterliche Unabhängigkeit aushebeln. Kein Informationswunsch kann und darf das Steuergeheimnis, das Urheberrecht, Schutzrechte im Wirtschaftsleben oder gar die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen. Und - das füge ich hinzu -: Kein Transparenzgesetz kann und darf die unabhängige Recherche von Medien beeinträchtigen.

Frau Lorberg, genau dafür ist meines Erachtens in dem Gesetzentwurf Sorge getragen worden. Man kann ja die Ausnahmen in dem Entwurf kritisieren, aber dann muss man auch genau begründen, warum man das kritisiert und wie man es denn anders und besser machen will. In der Güterabwägung zwischen dem Anspruch auf Transparenz der einen und den verbürgten Schutzrechten der anderen darf man vor allem eines nicht tun: Man darf nicht leichtfertig sein. Man kann nicht das eine Recht stärken und dabei ein anderes verletzen. Dann schadet man dem Recht in Summe.

Kurzum: Wir machen mit diesem Gesetzentwurf einen Anfang für mehr Transparenz in Niedersachsen - mehr Transparenz da, wo sie nötig, aber eben auch möglich ist.

In den weiteren Beratungen werden wir uns eine Reihe von Details nochmals genau anschauen. Einige Beispiele will ich hier nennen: Wie sieht es mit dem Informationsregister aus? Bekommen wir es auf dieser Basis vielleicht hin, ein richtig gutes Open-Data-Portal für Niedersachsen zu starten? Ich persönlich halte das für notwendig.

Übrigens: Auch die Fragen von Bürokratie und Gebührenbemessung werden wir uns ganz genau anschauen müssen, ebenso die Ausnahmebereiche sowie insbesondere die Folgen für die Kommunen in Niedersachsen, die das Gesetz ja besonders betreffen wird. Wir wollen eben kein Bürokratiemonster, wie das manche nennen wollen, sondern ein Gesetz, das in der Ausführung handlich, praktisch und gut wird. Daran muss man eben arbeiten.

Deshalb darf ich zu guter Letzt auch ankündigen: Für dieses Gesetz gilt selbstredend auch das Strucksche Gesetz: Das Gesetz kommt in den Landtag rein, wir beraten es hier, und man kann

einigermaßen sicher sein, dass es dann noch besser wieder aus dem Landtag herauskommt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Richtig! Jawohl!)

Ich darf hinzufügen: Eine Regierung ist schlau, aber ein Parlament eben auch. Das ist übrigens das besonders Schöne am Parlamentarismus, den wir ja zu Beginn dieser Woche bereits gebührend gefeiert haben.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt, für das Selbstbewusstsein des Parlamentariers, was das Strucksche Gesetz angeht. - Das Wort hat jetzt Herr Dr. Genthe für die FDP-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Landesregierung war ja in den ersten Jahren der Legislaturperiode eher im Schlafwagen unterwegs. Aber jetzt bekommen wir eine ganze Menge Gesetzentwürfe auf die Tische des Niedersächsischen Landtages - so holterdiepolter.

(Helge Limburg [GRÜNE]: In die Mail- Postfächer, Herr Kollege!)

Genauso sieht das teilweise handwerklich dann auch aus.

(Björn Thümler [CDU]: Holterdiepolter!)

Da haben wir dieses Transparenzgesetz. Das war monatelang blockiert zwischen dem Justizministerium und dem Innenministerium. Das Justizministerium wollte die Kommunen unbedingt mit einbeziehen, das Innenministerium wollte dies aus sehr guten Gründen eben nicht. Nun gab es offensichtlich einen Deal zwischen Rot und Grün. Man hat sich auf diesen Gesetzentwurf geeinigt, und die Landesregierung hat sich ebenfalls geeinigt, und zwar zulasten der Kommunen.

(Jörg Bode [FDP]: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, es ist schon ein Stück weit ein Treppenwitz, dass ausgerechnet diese Landesregierung, die sich inzwischen sieben Mal vom Staatsgerichtshof in Bückeburg verurteilen lassen musste - eben wegen mangelnder Transparenz, wegen mangelnder Informationen an den

Niedersächsischen Landtag -, nun mit einem Transparenzgesetz um die Ecke kommt und sich dafür abfeiern lassen will. Das entbehrt schon nicht einer gewissen Komik.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber die Wähler wissen das inzwischen zu goutieren. Nordrhein-Westfalen hat es vorgemacht, wo eine rot-grüne Landesregierung am Ende dann mal landet.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Die haben aber kein Transparenzgesetz ge- macht!)

Meine Damen und Herren, Transparenz ist gerade in etwas unruhigen Zeiten, die wir zurzeit erleben, durchaus wichtig. Viele Bürger haben ein berechtigtes Interesse, sich im Vorfeld politischer Entscheidungen zu informieren, um sich am Ende eine qualifizierte Meinung bilden zu können. Die Verfasser des Grundgesetzes haben zu Recht in Artikel 5 formuliert, dass sich jeder aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert informieren lassen darf. Eine moderne Verwaltung sollte daher danach streben, die Zugänglichkeit von Informationen, die Transparenz und damit auch die Akzeptanz von Verwaltungshandeln zu erhöhen.

Auch die Politik sollte ein Interesse daran haben, dass die Entscheidungsprozesse verstanden und damit am Ende auch akzeptiert werden. Meine Damen und Herren, die Anforderungen an das Auskunftsersuchen eines Bürgers sollten bewusst niedrig gehalten werden. Für uns Liberale gilt der Grundsatz, dass sich nicht die Bürgerin oder der Bürger dafür rechtfertigen muss, wenn eine Auskunft verweigert wird, sondern der Staat sich dafür rechtfertigen muss.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Genau! - Zuruf von den GRÜNEN: Dann sollten Sie dem Gesetz zustimmen!)

Nur so, auf diese Art und Weise, stärkt man die Transparenz und damit auch die Akzeptanz von demokratischen Entscheidungsprozessen.

(Zustimmung bei der FDP)

Nun, meine Damen und Herren, stellt sich natürlich die Frage: Wird dieser Gesetzentwurf diesen Ansprüchen auch tatsächlich gerecht? - Diverse Verbände, u. a. der Journalisten-Verband, finden das nicht. Sie nennen diesen Gesetzentwurf eine Mogelpackung.

Es gibt eine nicht nachvollziehbare Liste von Ausnahmetatbeständen. Für diejenigen, die anfragen, entstehen Kosten, die nicht gedeckelt sind. Selbst bei einer Auskunftsverweigerung entstehenden dem Anfragenden Kosten. Und der Gesetzentwurf zwingt die Kommunen, noch mehr Bürokratie aufzubauen.

Ergo, meine Damen und Herren: Dieser Gesetzentwurf ist eine zum Bürokratiemonster mutierte Sinnlosigkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Das Wort hat jetzt der Kollege Belit Onay, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Jetzt kommt wieder Qualität!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wissen ist Macht, Macht ist Wissen.“ So lautet ein überliefertes Zitat des SPDGründervaters Wilhelm Liebknecht.

(Zustimmung bei der SPD)

Bis heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich das nicht geändert. Das hat Herr Genthe ja schon richtig dargestellt. Auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist davon abhängig, dass es Informationen erhält. So geht es auch Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb ist es nur konsequent, dass die Justizministerin heute ein Transparenzgesetz für Niedersachsen eingebracht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Nachdem diese Koalition und die Landesregierung schon im Bereich der Kommunen, nämlich mit dem NKomVG, die Bürgerbeteiligung verbessert und ausgeweitet haben und damit schon einen wichtigen Schritt hin zu mehr Demokratie gegangen sind, ist das Transparenzgesetz nun ein weiterer Meilenstein. Denn mehr Transparenz ist elementar - das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner betont -, entscheidend für die Meinungsbildung, für das Sich-Einbringen und die Teilhabe an politischen Prozessen. Nur ein Wissensgleichstand liefert eine Grundlage für Diskussionen, für einen politischen Austausch, unter Umständen auch für

Kontroversen und vor allem auch für die Kontrolle von Verwaltung, Politik und Staat.