Auf der anderen Seite gibt es die Diskussion, dass man für bessere Luft in den Orten sorgen will. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es hier ein Erkenntnisdefizit gäbe, würde ein solcher Modellversuch ja tatsächlich Sinn machen. Aber solche Versuche sind in anderen Städten schon durchgeführt worden. Jüngstes Beispiel: in Frankfurt. Im Ergebnis hat die Stadt Frankfurt gesagt, diesen Kram kann man sich schenken. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sollten wir auch tun!
Es ist nicht verständlich, warum der niedersächsische Steuerzahler mindestens 700 000 Euro für einen Modellversuch ausgeben soll, mit dem nichts Neues festgestellt würde. Man weiß doch, dass die
Emissionen bei Tempo 30 sogar noch steigen und der Ausstoß von NOX - gerade ein großes Thema - zunehmen wird.
Das heißt, Sie wollen die Situation in den Städten, die sich bewerben, noch verschlimmern - und sagen es den Kommunen noch nicht einmal. Das ist unehrlich, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das beste Angebot für die Anwohner und für die Städte, um den Ausstoß von schädlichen Gasen zu minimieren und die Lärmbelastung zu verringern, ist die Verstetigung des Verkehrs mit Tempo 50 und „grüner Welle“. Stop and Go bei Tempo 30 hingegen ist kontraproduktiv und führt dazu, dass die Menschen unter Ihrem Modellversuch leiden werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten wir nicht zulassen.
Nun hat es ja zärtliche Versuche des Wirtschaftsministeriums und von Minister Lies gegeben, diesen Modellversuch in der Mottenkiste verschwinden zu lassen. Aber die letzte Beratung hier im Plenum hat uns gezeigt, dass - - -
Herr Kollege Bode, herzlichen Dank, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. - Wie würden Sie es bewerten, dass der zuständige Fachminister an dieser Debatte nicht teilnimmt?
Ich sehe zwei mögliche Gründe. Entweder möchte er uns zu einer Mehrheit verhelfen. Aber dafür reicht sein Wegbleiben alleine noch nicht aus. Von uns müssten noch mehr hereinkommen, und bei Rot-Grün müsste noch ein Zweiter wegbleiben.
Nein, ich glaube, er hat ein großes Problem damit, dass die Grünen wieder einmal diese Regierung zwingen, etwas zu tun, was ihm total widerstrebt.
Meine Damen und Herren von den Grünen, Herr Minister Lies ist bei Verkehrsfragen nicht an Ihrer Seite. Er vertritt genau das Gegenteil Ihrer ideologischen Politik. Deshalb kriegt er ja auch meistens von uns Applaus und nicht von Ihnen. Das sollte Ihnen vielleicht auch einmal zu denken geben. Das war vor der Mittagspause ja auch schon der Fall. Von daher schämt er sich wahrscheinlich für das, was hier passiert.
Ich kann also verstehen, dass er dieser Debatte nicht folgen möchte, obwohl es sich für eine Regierung natürlich gehört, dass der zuständige Fachminister bei so einer Frage anwesend ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Möglichkeit, diesen Unsinn heute zu stoppen. Wir können dem Steuerzahler Geld sparen, und wir können den Anwohnern an den betroffenen Straßen einen Dienst erweisen, indem wir ihnen nicht noch mehr Ausstöße zumuten.
Deshalb: Machen wir keine ideologische Verkehrspolitik, wie sie die Grünen immer fordern, sondern lassen wir Vernunft walten! Lassen wir die „grüne Welle“ bei Tempo 50 in den Innenstädten!
Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Susanne Menge das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank, Herr Bode, dass ich im Anschluss an Ihre Rede noch einmal deutlich machen darf, warum das „Modellprojekt Tempo 30“ wichtig ist.
Dieses Angebot - ich betone: dieses Angebot, nicht dieser „Irrsinn“ oder „Wahn“ - bietet die Chance, mit Temporeduzierung Lärmschutz, weniger Emissionen und mehr Sicherheit zu erreichen.
Ich bedanke mich außerdem dafür, dass ich auf die immer wiederkehrenden und eigentlich gleichlautenden Argumente von Ihnen und auch von Ihrer Kollegin im Ausschuss eingehen kann.
Es ist wiederholt betont worden, wir bevormundeten die Kommunen. Das tun wir aber nicht. Es geht um ein Modellprojekt. Wer mitmachen will, der kann das tun, und wer es bleiben lassen will, der lässt es bleiben.
Ein weiterer Punkt ist Ihre Wortwahl, Tempo 30 sei „Irrsinn“ und „Wahn“. Nein, Irrsinn und Wahn ist es, den Sicherheitsaspekt nicht anzuerkennen. Ein Beispiel: Ich bin in Lengede gewesen. Dort wurde von vielen Bürgerinnen und Bürgern seit Jahren gefordert, auf der Hauptverkehrsstraße Tempo 30 einzuführen, weil das auch der Schulweg ihrer Kinder ist. Ich betone: Das wurde seit mehreren Jahren gefordert. Aber als dann ein Kind aufgrund eines Verkehrsunfalls zu Tode kam, stand wenige Tage später ein 30-km/h-Schild an der Hauptverkehrsstraße. Das ist ein makabres Beispiel dafür, dass etwas erst dann möglich ist, wenn etwas passiert, was vorher offenbar nicht möglich war.
Herr Bode, Sie haben auch wieder gesagt, dass das Beispiel Frankfurt deutlich mache, dass Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen zu nichts führe. In Frankfurt wurden aber, anders als in RheinlandPfalz, keine verkehrslenkenden Maßnahmen versuchsbegleitend durchgeführt, sondern es wurde einfach Tempo 30 angeordnet. Rheinland-Pfalz hat dagegen verkehrslenkende Maßnahmen umgesetzt, um einen fließenden Verkehr herbeizuführen. Dort wurde das Ergebnis, dass eine Reduzierung der Emissionen erreicht wird, valide abgebildet.
Meine Damen und Herren, Autofahrer mit Hang zum rasanten Fahren leben nicht allein auf dieser Welt. In der Regel sind Autofahrerinnen und Autofahrer auch Eltern, Großeltern, Anwohner, Fußgänger und immer mehr auch Radfahrer.
Wechseln wir doch einfach mal die Perspektive! Betrachten wir die Dinge z. B. aus der Perspektive der kleinsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer! Es ist nicht richtig, Herr Bode,
dass die jetzige Änderung der Straßenverkehrsordnung in diesem Bereich völlig ausreichend wäre. Wenn Sie genau hingucken, dann sehen Sie, dass vor sensiblen Einrichtungen streckenbezogen, nämlich bis 300 m Länge, Tempo 30 angeordnet werden kann. Wie sinnvoll das ist, darf man ja vielleicht auch einmal zur Diskussion stellen. Das reicht nämlich überhaupt nicht aus. Denn die Kinder fliegen ja nicht zur Schule, sondern sie gehen einen Schulweg. Und dieser Schulweg ist in der Regel deutlich länger als diese 300 m. Er beginnt nicht vor der Tür zur Schule.
Den Kommunen muss es deshalb ermöglicht werden, diese Lücke zu schließen. Ich finde, dass wir mit diesem Modellprojekt zur Temporeduzierung ein gutes Angebot gefunden haben, um das gesamte Paket der Verkehrsplanung und Verkehrsgestaltung anzupacken und in diesem Bereich etwas umzugestalten.
Wer Unfallrisiken senken möchte, der kann nicht mit der „grünen Welle“ argumentieren. Wenn Sie 50 km/h fahren, beträgt der Anhalteweg 28 m.
In London ist über 20 Jahre ein Versuch durchgeführt worden, bei dem Tempo-30-Maßnahmen im Hinblick darauf untersucht worden sind, ob dadurch mehr Verkehrssicherheit hergestellt werden kann. Ergebnis: Die Zahl der Verkehrstoten ist um 42 % gesunken. Vor diesem Hintergrund teilen wir die Behauptung, dass diese 700 000 Euro rausgeschmissenes Steuergeld seien, überhaupt nicht. Ich finde, dass Untersuchungen und Maßnahmen, die nachweislich Menschenleben retten, jeden Euro wert sind.
Es sollten endlich kreative Ideen möglich werden. Dahinter stehen Fragen wie: Wie reduziere ich Lärm und Lkw-Fahrten in den Ortschaften Pattensen und Winsen? Wie gestalte ich Verkehrsräume, damit Radfahren, Zu-Fuß-Gehen und Busfahren in einem fairen und gleichberechtigten Miteinander mit dem Autofahren gelingt? Wie entwickeln sich unsere Städte? Und welche Chancen liegen in dem eigentlich doch so simplen Angebot, auf unseren Straßen das Tempo zu reduzieren, für die vierrädrigen und mehrrädrigen Gefährte?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt also viele gute Gründe, Tempo 30 voranzubringen. Mit dieser Ansicht stehen wir auch nicht alleine da. Mit dem Antrag, Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen zu testen, haben wir von Rot-Grün offenbar einen Nerv getroffen. Denn anders als Sie, Herr Bode, rennen uns die Bürgermeister geradezu die Türen ein, um endlich diese Temporeduzierung realisieren zu können. Das Angebot, das sie brauchen, werden wir ihnen mit diesem Modellprojekt machen.
Und diese Bürgermeister kommen nicht nur aus den Reihen von SPD und Grünen, sie kommen auch aus den Reihen der FDP und der CDU - wobei ich natürlich dazusagen muss, dass die FDPBürgermeister in der Minderheit sind.