Protokoll der Sitzung vom 15.06.2017

Die Sicherheitsbehörden treffen unter Ausschöpfung aller materiellen und personellen Ressourcen alle erforderlichen Maßnahmen, um eine nachhaltige Bekämpfung des islamistischen Terrorismus zu gewährleisten. Welche Maßnahmen dabei getroffen werden, orientiert sich eben an einer differenzierten Einzelfallbetrachtung und richtet sich natürlich nach geltendem Recht. Gegen alle sich in Deutschland aufhaltenden, niedersächsischen, islamistischen Gefährdern sind Haftbefehle vollstreckt worden, sofern diese vorlagen. Gleichwohl bestehen gegen islamistische Gefährder, die sich nach vorliegenden Erkenntnissen im Ausland aufhalten oder vermutlich verstorben sind, nicht vollstreckte Haftbefehle. Die Anzahl dieser Personen bewegt sich aktuell im einstelligen Bereich.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, nun zu den ebenfalls von Ihnen angesprochenen verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen im Sinne des § 12 Abs. 6 Nds. SOG.

Diese Befugnisnorm ermöglicht es der Polizei auf der Grundlage polizeilicher Lageerkenntnisse zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug, jede im öffentlichen Verkehrsraum angetroffene Person u. a. kurzzeitig anzuhalten, zu befragen und zu verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden. Diese Maßnahme kommt nach geltender Rechtslage somit auch heute im Umfeld von Moscheen in Betracht.

Um unverhältnismäßige Kontrollen von vornherein auszuschließen, hat das niedersächsische Innenministerium bereits im Jahre 2010 - also vernünftigerweise bereits unter der Vorgängerregierung - per Erlass erhebliche Einschränkungen beschrieben, die wir schlicht übernommen haben, meine Damen und Herren. Es gibt also keine neue Rechts- oder Erlasslage zu diesem Punkt.

Auch unter der Vorgängerregierung sind deshalb derartige Kontrollen seit 2010 nicht mehr durchgeführt worden. Ich halte diese Entscheidung der Vorgängerregierung auch für richtig, weil auch

schon 2010 nach meinem Wissen die fachliche Überzeugung herrschte, dass derartige Kontrollen eher dazu führen können, dass sich unbescholtene Besucher stigmatisiert fühlen und die Gefahr besteht, dass sich gerade diese Personen dann radikalisieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Diejenigen Personen, meine Damen und Herren, auf die wir es absehen müssen, verhalten sich derartig konspirativ, dass wir sie durch diese plakativen und offenen Kontrollen gemeinhin eben nicht erreichen. Damit würde das Ziel nicht erreicht. Sollten allerdings durch derartige Maßnahmen - das ist die Regelung von damals, die bis heute gilt - im Einzelfall - ich zitiere - unverzichtbare Erkenntnisse erlangt werden, können nach Genehmigung durch den Behördenleiter auch weiterhin Kontrollen stattfinden. In einem solchen Fall würde das Landespolizeipräsidium die Maßnahme auch genehmigen. Insgesamt ist aus polizeifachlicher Sicht jedoch davon auszugehen, dass verdeckte Maßnahmen deutlich effektiver sind.

Im Zusammenhang mit der durch das Landeskriminalamt Niedersachsen angedachten Kontrolle im Umfeld der DIK-Moschee in Hildesheim und einem dem Innenministerium am 8. Oktober 2015 vorgelegten Entwurf eines Antrags zur Genehmigung dieser Maßnahme ist dies der entscheidende Punkt: Nach den Ausführungen des LKA war eben nicht erkennbar, welche neuen Erkenntnisse durch die Kontrolle erlangt werden sollten. Damit konnte auch nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die Maßnahme unverzichtbar sein sollte. Daher wurde dem Landeskriminalamt aus polizeifachlichen Gründen - ich wiederhole: aus polizeifachlichen Gründen - mitgeteilt, dass ein entsprechender Antrag auf der Grundlage des vorgelegten Entwurfs auf der Grundlage der alten Kriterien von 2010, die unverändert fortgelten, nicht genehmigungsfähig wäre.

Ich war in diese Entscheidung nicht eingebunden, genauso wie ich mich auch sonst nicht in die operative Arbeit der Polizei einmische.

Der in der Anfrage zitierte Vermerk wurde eigenständig von einem Referenten nach eigener persönlicher Überlegung gefertigt. Der dort befindliche Hinweis auf die geplante Normierung im künftigen Gefahrenabwehrgesetz stellte und stellt einen falschen Kontext her, der - das wiederhole ich - aus Sicht des Innenministeriums für die fachliche Notwendigkeit der durch das Landeskriminalamt Niedersachsen angedachten Maßnahme nicht dar

gelegt war. Der Vermerk wurde in dieser Form daher auch hausintern nicht zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

Dem LKA wurden in Bezug auf den vorgelegten Entwurf mündlich und schriftlich rechtliche Hinweise erteilt. Dabei haben mögliche Änderungen des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes keine Rolle gespielt. Insofern, meine Damen und Herren, ist es auch falsch, wenn es in den Vorbemerkungen zu dieser Anfrage heißt, dass der Antrag des Landeskriminalamtes Niedersachsen mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass es eine Abstimmung mit den Regierungsfraktionen im Hinblick auf zukünftige Konkretisierungen des § 12 Abs. 6 im künftigen Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz gegeben habe

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das steht in dem Vermerk!)

und sogenannte Moscheekontrollen verboten werden sollten. Im Ergebnis ist festzustellen, dass ein tatsächlicher Antrag durch das LKA Niedersachsen in diesem Zusammenhang nie gestellt worden ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Mit Stand vom 15. Juni 2017 halten sich nach den derzeitigen Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden rund die Hälfte der niedersächsischen Gefährder in der Bundesrepublik Deutschland auf. Diese in Deutschland aufhältigen Gefährder haben ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Niedersachsen. Alle anderen Gefährder halten sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand im Ausland auf oder sind vermutlich tot. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen.

Zu Frage 2: Grundsätzlich werden gegen alle niedersächsischen Gefährder am Einzelfall orientierte Maßnahmen getroffen. Entsprechend findet generell auch eine Überwachung niedersächsischer Gefährder statt, die sich natürlich in der Intensität unterscheidet.

Zu Frage 3: Im Zuge der geplanten Novellierung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgten diverse Gespräche, an denen Vertreterinnen und Vertreter des niedersächsischen Innenministeriums, insbesondere des Fachreferats Recht des Landespolizeipräsidiums, und der Regierungskoalition in unterschiedlichen Konstellationen beteiligt waren.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister, für die Beantwortung der Anfrage.

Meine Damen und Herren, es besteht jetzt die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen. Auch wenn es schon viele, viele Male von hier vorn so bedeutet wurde, komme ich noch einmal zu den Regularien: Jede Fraktion kann bis zu fünf Zusatzfragen stellen. Zusatzfragen dürfen nicht verlesen werden. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sagen, worüber Auskunft gewünscht wird. Anfragen, durch deren Inhalt der Tatbestand einer strafbaren Handlung begründet wird oder die Werturteile oder parlamentarisch unzulässige Wendungen enthalten, sind unzulässig. Auch Kurzinterventionen sind nicht zulässig.

Jetzt ist für die FDP-Fraktion Kollege Dr. Birkner mit der ersten Zusatzfrage dran.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, im Hinblick auf die von Ihnen in Niedersachsen vermuteten Gefährder frage ich die Landesregierung: Haben Sie über den tatsächlichen Aufenthaltsort dieser Personen Kenntnis? Oder wissen Sie lediglich, dass sie möglicherweise irgendwo in Niedersachsen gemeldet sind? Ich will also genau wissen: Wissen Sie tatsächlich, wo sich diese Personen aufhalten, oder vermuten Sie nur zu wissen, wo sie sind?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke. - Herr Minister, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Ich habe mich gerade noch einmal vergewissert: Wir kennen den jeweiligen Aufenthaltsort.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Jens Nacke, CDU-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie in Ihrer Antwort auf die Anfrage gerade davon gesprochen haben, dass es unterschiedliche Intensitäten gebe, in der die Gefährder kontrolliert werden, und Sie gerade auf die Zusatzfrage von Herrn Dr. Birkner geantwortet haben, Sie kennen den konkreten Aufenthaltsort - d. h. zu diesem Zeitpunkt wissen die Sicherheitsbehörden für jede einzelne Person, wo sich gerade jetzt aufhält, ob bei der Arbeit, ob in einem Laden, ob in einem Gespräch oder wo auch immer -, frage ich Sie: Bedeutet das, dass es auch Gefährder gibt, die in diesem Land 24 Stunden am Tag von Polizeibeamten begleitet werden? Wenn ja, wie viele sind das, und wie viele Polizeibeamte sind dafür eingesetzt?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Auskunft der Verantwortlichen gibt es in der Tat Gefährder, von denen wir in jeder Minute wissen, wo sie sind. Bei anderen kennen wir den grundsätzlichen Aufenthalt, aber wissen nicht zu jeder Stunde und Minute, wo sie gerade konkret sind. Das ist die „unterschiedliche Intensität“.

(Zustimmung bei der SPD - Jens Na- cke [CDU]: Ich habe nach 24-Stun- den-Kontrollen gefragt und wie viele Polizeibeamte dafür eingesetzt wer- den!)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage: Dr. Stefan Birkner!

(Zuruf von Jens Nacke [CDU] - Ge- genruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist doch normal! - Gegen- ruf von Jens Nacke [CDU]: Das ist doch keine Antwort! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Quatsch! - Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Herr Nacke hat das ganz eindeutig gefragt!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie sich in der Antwort auf eine Dringliche Anfrage der FDP-Fraktion am 2. Februar 2017 sehr wohl in der Lage gesehen haben, ganz konkrete Zahlen zu benennen, Sie heute aber nicht auf diese ganz konkreten Zahlen - wie viele Gefährder sich in Niedersachsen aufhalten, wie viele vermutlich ausgereist sind, wie viele vermutlich im Ausland verstorben sind - eingegangen sind, bitte ich Sie, diese Zahlen jetzt konkret zu benennen: Von wie vielen Gefährdern in Niedersachsen wissen Sie ganz konkret, wo sie sich tatsächlich aufhalten?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens ein Nachtrag: Es gibt einzelne Gefährder, die 24 Stunden - natürlich nicht permanent - beobachtet werden. Das ist die nachgeholte Auskunft.

Zweitens. Herr Dr. Birkner, die Auskunft, auf die Sie hingewiesen haben, erfolgte in vertraulicher Sitzung. Das ist zumindest mein Kenntnisstand.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nein! Das nennt sich „Plenarsitzung“!)

- Was habe ich da gesagt?

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das kann ich Ihnen gleich gerne vorlesen, Herr Minister, wenn Sie es nicht wissen!)

- Machen Sie mal! Ich kann jedenfalls nur die Zahlen nennen - auch nach den bundeseinheitlichen Absprachen -, die ich hier genannt habe. Mehr kann ich dem nicht hinzufügen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt noch einmal Kollege Nacke. Oder hat sich das erledigt?

(Jens Nacke [CDU]: Herr Birkner! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Direkt bitte, Herr Kollege Nacke zieht ja zurück!)

- Sie haben Ihre Frage zurückgezogen?

(Zuruf: Er kann ohnehin eine neue Frage anmelden! - Jens Nacke [CDU]: Der Minister hat gebeten, ein Zitat vorgetragen zu bekommen! Ich gehe davon aus, dass die SPD nicht dazwi- schenruft!)

Herr Kollege Birkner, Sie können ohnehin noch Fragen stellen. Ihre nächste Frage also! Verpacken Sie bitte das Zitat aus dem Protokoll in eine Frage.