Protokoll der Sitzung vom 15.06.2017

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe bitten, damit wir fortfahren können.

Ich rufe erneut auf den

Tagesordnungspunkt 12: Aktuelle Stunde

Nachdem wir in der gestrigen Aktuellen Stunde den Antrag unter Tagesordnungspunkt 12 a zurückgestellt haben, rufe ich diesen jetzt vereinbarungsgemäß auf:

a) Sicherheitsrisiko rot-grün: Keine falsche politische Rücksichtnahme bei der Terrorbekämpfung! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/8264

Die Regularien setze ich als bekannt voraus.

Ich erteile dem Herrn Kollegen Dr. Birkner das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben vorhin etwas Richtiges gesagt. Sinngemäß sagten Sie nämlich: Man müsste die Sicherheitsbehörden einfach mal die Arbeit machen lassen.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] - Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Genau darum geht es. Genau in diesem Punkt kann ich Ihnen ausdrücklich zustimmen. Lassen Sie die Sicherheitsbehörden einfach die Arbeit machen, dann läuft das schon, und greifen Sie nicht durch politische Vorgaben in deren Handeln ein!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ausgangspunkt dafür, meine Damen und Herren, ist der Koalitionsvertrag. In dem Koalitionsvertrag hat Rot-Grün zum Verfassungsschutz ausgeführt, dass man einen Neustart des Verfassungsschutzes haben wolle. Dort heißt es: „Eine pauschale Diffamierung politischer und ethnischer Gruppen wird es unter einer rot-grünen Koalition nicht geben.“ Ferner heißt es dort: „ … die parteitaktisch motivierte Beobachtung der Gesamtpartei ‚Die Linke‘ ebenso beenden wie die Diskriminierungen der islamischen Gemeinden.“

Darüber hinaus haben Sie unter Bezugnahme auf § 12 Abs. 6 SOG ausgeführt: „Die Kontrolle von Moscheen wird keinesfalls zugelassen.“

Genau mit diesen politischen Vorgaben haben Sie das Wirken der Sicherheitsbehörden in Niedersachsen geprägt, weil diese sich natürlich genau angucken: Was will denn die politische Führung? Wo will sie denn hin? - Danach richtet man dann natürlich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auch das eigene Handeln in den Behörden aus.

Genau das wollten Sie. Das ist ja Ihre politische Vorgabe, Ihre politische Zielsetzung, die sich RotGrün in Niedersachsen gegeben hat.

Das war ja etwa im Februar 2013. Darauf folgte dann im August 2014 die Wolfsburger Ausreisewelle. In der Neuen Presse vom 1. September 2015 - das passt eindeutig in diese politischen Vorgaben, die Sie sich selbst gesetzt haben - haben wir dann in Bezug auf den Prozess beim Oberlandesgericht in Celle zu der Ausreisewelle und gegen die zwei Rückkehrer gelesen:

„‚Der Mann predigt monatelang in der Moschee, und das LKA weiß von nichts?‘, fragt H. B. den Beamten J. ‚Jede zweite Mutter in Wolfsburg hat der zum Weinen gebracht.‘ Vergangene Woche hatte B. bereits nachgebohrt, warum das LKA keine Ermittlungen in der Ditib-Moschee aufgenommen habe. Nur nach Hörensagen sei das schwierig, hatte einer der Beamten erklärt - und kleinlaut eingeräumt, dass Ermittlungen gegen einen Prediger oder eine Moschee immer ein ‚Politikum‘ seien. ‚Da lässt die Polizei lieber die Finger von‘, sagte er.“

Genau in dem, was hier zu Tage getreten ist, wird deutlich, dass die politische Vorgabe, die Sie in dem Koalitionsvertrag gemacht haben, in der polizeilichen Realität angekommen ist.

Das zweite Beispiel, bei dem die politischen Vorgaben die Sicherheitsbehörden zu einem nicht angemessenen, nicht sachgerechten und der Gefahr nicht angemessenen Verhalten brachten, ist der Umgang mit Safia S. im September 2015. Darauf bezieht sich der konkrete Vorgang. Safia S. hat ja im Frühjahr 2016 den Anschlag auf den Bundespolizisten begangen.

Da stand natürlich auch die Frage im Raum - im Dezember 2015 ist sie ja erstmals den Sicherheitsbehörden bekannt geworden - - -

(Ulrich Watermann [SPD]: Nein!)

- Natürlich, Herr Watermann! Im Dezember 2015 kamen die ersten Meldungen bei der Polizei an. Sie waren und sind im Ausschuss. Die Großmutter hat sich an die Sicherheitsbehörden gewandt - und nichts ist passiert! Es hat bis zum Frühjahr gedauert, bis diese Sache überhaupt weiterberaten wurde. Herr Watermann, setzen Sie sich einmal mit den Sachen auseinander!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das haben wir nun wiederholt auseinanderdividiert.

Aber darum geht es jetzt hier gar nicht. Es geht darum, dass innerhalb des Verfassungsschutzes auch wieder eine politische Vorgabe umgesetzt wurde - die am Ende jetzt ja wieder eingesammelt wurde -, die gegen die Arbeit der Sicherheitsbehörden und gegen eine effektive Bekämpfung dieser Gefahren war. Hier geht es konkret um die Speicherung der Daten Minderjähriger. Genau dieser Fall realisiert sich dann Ende des Jahres mit der Speicherung der Daten der Sechzehnjährigen, bei der man gesagt hat: Wir wollen die unter Sechzehnjährigen am Ende nicht speichern. - Auch das wurde umgesetzt. Dazu gibt es einen Vermerk vom Verfassungsschutz.

Der letzte Fall, bei dem das deutlich wird, sind die Zwölf-Sechser-Kontrollen. Wir haben in der Dringlichen Anfrage das entsprechende Zitat gebracht. Und es war nicht nur ein Referat, sondern es waren zwei Referate - auch das Rechtsreferat -, die sich dem angeschlossen haben. Das heißt, in diesem Haus besteht eindeutig die Haltung: Wir setzen diesen politischen Koalitionsvertrag genau so um, wie die politische Führung das wollte.

Damit arbeitet man gegen die Sicherheitsbehörden. Das LKA wollte eine Kontrolle bei einer Moschee durchführen, nämlich beim DIK Hildesheim, was am Ende verboten wurde, wo Abu Walaa und Amri waren, die zentralen Figuren, von denen einer sogar ein Attentat begangen hat. Da wollte das LKA eine solche Umfeldkontrolle bei einer Moschee machen. Aber dazu hat das Ministerium am Ende Nein gesagt. Das ist durch zwei Vermerke eindeutig belegt. Und am Ende sagen Sie, Herr Minister, mit all dem hätten Sie nichts zu tun. Das ist doch ein Witz! Das kann doch nicht ihr Ernst sein!

(Glocke der Präsidentin)

Sie machen die politischen Vorgaben; das haben Sie im Koalitionsvertrag gemacht. Der Ministerpräsident hat das in einer Rede als Landesvorsitzender 2016 auf einem Landesparteitag noch einmal gesagt: Wir wollen keine Kontrollen bei Moscheen. - Ihren Leuten untersagen Sie das, und die tun das, was Sie wollen. Und am Ende lassen Sie die im Regen stehen und sagen -

Letzter Satz!

- ich komme zum Ende, Frau Präsidentin -, das sind einzelne Beamten, die einen Fehler gemacht haben.

Nein, das sind nicht die einzelnen Beamten, das sind Ihre politischen Vorgaben, das ist Ihre politische Verantwortung. Sie behindern die Sicherheitsbehörden bei ihrer effektiven Arbeit. Lassen Sie sie ihre Arbeit tun, so wie Sie es vorhin gesagt haben! Halten Sie sich mit Ihren politischen Vorgaben zurück!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Nacke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, Sie haben hier gerade einmal ausgerufen: Warum vertrauen die Menschen in Niedersachsen den Sicherheitsbehörden nicht? Warum lassen sie sie nicht einfach ihre Arbeit machen? Warum ist das in allen anderen Ländern anders als hier?

Ich möchte Ihnen daher ausdrücklich sagen: Die Menschen im Lande vertrauen den Sicherheitsbehörden. Wem sie nicht vertrauen, ist die Sicherheitspolitik von Rot-Grün. Und das ist der Grund, warum Rot-Grün in den Bundesländern abgewählt wird: weil Sie keine zeitgemäßen Antworten auf die Sicherheitslage im Land geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Problem, meine Damen und Herren, ist nicht, dass die Sicherheitsbehörden nicht wollen. Das

Problem ist, dass die Sicherheitsbehörden nicht dürfen. Ihnen fehlt der politische Rückhalt, und sie haben einen Minister, der zwar immer flott bei Ankündigungen ist, aber beim Umsetzen, beim Machen zurückbleibt.

Ich gebe Ihnen Beispiele.

Sie haben angekündigt, dass die Videoüberwachung ausgeweitet werden soll. - Das ist bis heute nicht passiert.

Sie haben angekündigt, dass die Abschiebung der Gefährdern, die in Göttingen von der Polizei festgenommen wurden, bis Ostern erfolgt. - Die staunende Öffentlichkeit hat am Rande der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts dann erfahren, dass das nicht der Fall gewesen ist. Einer ist nach wie vor hier.

Sie haben sich dafür feiern lassen, dass Sie nach § 58 a des Aufenthaltsgesetzes Abschiebungen vornehmen. Da haben sich die Grünen bestimmt sehr gefreut.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Genau! Gut gemacht!)

Der Gefährder, den Sie nicht abgeschoben haben, sitzt in Abschiebehaft - eine Maßnahme, die Sie gegen diesen Ausländer anwenden. Für Deutsche haben Sie das als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet.

Ereignisunabhängige Kontrollen nach § 12 Abs. 6 Nds. SOG sollten abgeschafft werden. So steht es im Koalitionsvertrag. Moscheekontrollen sollen auf jeden Fall ausgeschlossen werden; so heißt es sinngemäß im Koalitionsvertrag. Aber eben nicht nur da! Auch in der Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Polizeigesetzes, den Sie Jahre später eingebracht haben, heißt es - ich kann das gerne wörtlich zitieren -:

„Mit diesen Änderungen wurde das Ziel verfolgt, die sogenannten Moscheekontrollen nicht mehr zuzulassen. An diesem Ziel wird auch weiterhin festgehalten.“

So heißt es in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs.

Apropos Abschiebungen: Sie haben mit großem Buhei die Abschiebung vom Flughafen in Hannover angekündigt und dort ein Flugzeug starten lassen. Es ist bei diesem einen Flugzeug geblieben.