(Anja Piel [GRÜNE]: Das ist ja span- nend! - Detlef Tanke [SPD]: Warum darf Herr Bode nicht sprechen?)
Herr Kollege Tanke, Ihre Fraktionsvorsitzende hat mich persönlich angesprochen. Also machen Sie sich da mal keine Sorgen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bedeutung, die die Automobilindustrie mit VW und allem, was dazugehört, für Niedersachsen hat, ist unbestritten. Sie ist der größte Wirtschaftssektor, den Niedersachsen hat, und somit für den Wohlstand in diesem Land von zentraler Bedeutung.
Frau Modder, es wird Sie nicht überraschen, dass Liberale im Grundsatz den Staat nicht als Unternehmer sehen. Wir sehen ihn als Regelgeber, als Schiedsrichter, aber eben nicht als Akteur.
Dort, wo dieses Prinzip durchmischt wird, gibt es Interessenkonflikte und Marktverzerrungen. Nichtsdestotrotz sagen wir als niedersächsische freie Demokraten klar und deutlich, dass eine Veräußerung von VW-Anteilen nicht zur Diskussion steht und dass auch das VW-Gesetz, wie wir es in der letzten Legislaturperiode selbst mitgestaltet haben, nicht zur Diskussion steht.
Sehr wohl müssen wir aber über das Verhältnis von Staat und Wirtschaft und über das Verhältnis der Politik zu VW diskutieren. Das liegt doch auch auf der Hand. Die Art und Weise, in der die Aufsichtsratsmandate in den letzten Monaten wahrgenommen wurden, das unglückliche Agieren des Ministerpräsidenten haben dieses Thema doch erst auf die Tagesordnung gehoben.
Da stellt sich natürlich die Frage, wie die Eigentümerrechte des Landes Niedersachsen beim VWKonzern wahrgenommen werden. Es stellt sich aber auch die Frage, welche Anforderungen man eigentlich an Aufsichtsratsmitglieder stellt. Der Corporate-Governance-Kodex formuliert zwar hohe Anforderungen an die persönliche Eignung und Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern, aber es ist ja nicht gottgegeben, dass Ministerpräsidenten und Minister diese Anforderungen auch erfüllen. Deshalb muss man darüber reden.
(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Ulf Thiele [CDU] - Anja Piel [GRÜNE]: Spricht er jetzt über Herrn Bode?)
Uns schwebt vor, dass man in der nächsten Legislaturperiode sehr genau und sehr konkret darüber spricht, wie man das verbessern kann, wie es gelingen kann, die Eigentümerrechte wahrzunehmen, aber gleichzeitig Interessenkonflikte und Marktverzerrungen zu vermeiden. Solche Marktverzerrungen sind faktisch manchmal übrigens gar nicht vorhanden, aber der Verdacht bleibt natürlich immer im Raum stehen, und damit ist das Ansehen der Politik gefährdet, damit steht die Unabhängigkeit der Politik infrage, mindestens für den Beobachter, der gerade aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtung keinen Einblick in die Geschehnisse bekommt. Wir müssen darüber sprechen, wie man das auseinanderdividieren und mehr Klarheit bekommen kann.
Wir brauchen eine Entpolitisierung bei der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandates. Man wird sehr genau darüber sprechen müssen, wer künftig für das Land dort sitzt. Es war früher übrigens nicht zwingend, dass der Ministerpräsident im Aufsichtsrat sitzt. Erst Gerhard Schröder hat diese Aufgabe wahrgenommen. Es gab auch einmal andere Grundentscheidungen; Ministerpräsidenten früherer Legislaturperioden haben sich da anders entschieden. - Also wird eine Entpolitisierung zu diskutieren sein.
Wir werden über eine Professionalisierung der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats sprechen müssen. Es kann doch nicht sein, dass Sie meinen, Sie könnten mit den geringen Ressourcen, mit den wenigen Referentenstellen, die Sie in der Staatskanzlei und im Wirtschaftsministerium haben, einen Weltkonzern kontrollieren, und dies auch noch angesichts der zeitlichen Belastung, die
Sie als Wirtschaftsminister und als Ministerpräsident haben. Das ist doch aberwitzig und nicht mehr zeitgemäß. Da müssen professionelle Strukturen hergestellt werden, um tatsächlich eine effektive Kontrolle zu gewährleisten.
Wir werden auch darüber reden müssen, wie man das Ganze stärker demokratisiert und am Ende einer parlamentarischen Kontrolle zugänglich macht. So, wie der Zustand bisher ist, ist das jedenfalls nicht möglich. Das Land ist Eigentümer, aber der Ministerpräsident kann seinen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zur Unterrichtung zugestandenermaßen zum Teil nicht nachkommen, weil er aktienrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Auch diesen Konflikt muss man versuchen aufzulösen, man muss aus den Schützengräben herauskommen und konstruktive Lösungen anstreben. Diese werden wir als freie Demokraten verfolgen.
Das, was Sie wollen, Frau Piel, ist hingegen das Gegenteil. Sie und in Teilen auch die SPD argumentieren ja immer in einer bestimmten Weise. Sie wollen eine zusätzliche Politisierung. Sie wollen sich nicht auf die Grundsatzfunktion eines Aufsichtsrates beschränken - nämlich die Geschäftsführung zu überwachen -, sondern Sie wollen konkret Unternehmenspolitik betreiben. Aber das ist, wie gesagt, das komplette Gegenteil von dem, was wir tatsächlich benötigen.
(Christian Grascha [FDP]: So ist es! - Anja Piel [GRÜNE]: Nach all den Jah- ren der Skandale sagen Sie das er- hobenen Hauptes?)
Wir müssen die Politik herausziehen und nicht auch noch versuchen, über den Aufsichtsrat Technologieentscheidungen durchzusetzen.
Wir stehen für eine Entpolitisierung, eine Demokratisierung und eine Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit. Und wir stehen für Technologieoffenheit. Es ist doch vermessen zu glauben, dass wir, die wir heute hier in diesem Raum sitzen, wissen, was in 10 bis 20 Jahren die richtigen Antriebstechnologien sind. Die Politik muss den Rahmen setzen und Anforderungen an Umwelt, an Verkehrseffizienz und Ähnliches formulieren. Aber die Politik kann doch nicht sagen: Diese eine Technologie ist es. Wohin das führt, haben wir ja in vielen
Bereichen gesehen, z. B. in der Energiepolitik, wo wir jedes Jahr 27 Milliarden Euro für am Ende ineffektive Technologien verbrennen.
Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Darüber werden wir dann sicherlich auch im Wahlkampf die eine oder andere Diskussion führen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Weil das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dieser Debatte mit großer Aufmerksamkeit zugehört und habe dabei eine Stimme vermisst, nämlich die unseres Kollegen Jörg Bode. Deswegen möchte ich sie hier, wenn Sie gestatten, nachreichen und aus der Welt vom 4. April 2011 zitieren. Dort heißt es:
„‚Martin Winterkorn ist das Beste, was Volkswagen passieren konnte‘, sagt Jörg Bode (FDP), Wirtschaftsminister Niedersachsens und Mitglied des Aufsichtsrates bei Volkswagen. ‚Es ist angenehm, mit ihm zu tun zu haben, er ist weder trocken noch langweilig. Es gab allerdings auch Gelegenheiten, bei denen ich anderer Meinung war als Martin Winterkorn. Seither weiß ich, dass es besser ist, ihn an meiner Seite als gegen mich zu haben‘, sagt Bode. ‚Denn meistens hat er am Ende recht.‘“
Wenn das die Haltung früherer Mitglieder des Aufsichtsrates war, dann kann ich in der Tat manche kritischen Aussagen hier sehr gut verstehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Sie können einem ja richtig leidtun, Herr Ministerpräsident! - Christian Grascha [FDP]: Sagt der Pressespre- cher von Volkswagen!)
Was haben Dieselgate, die Struktur der Mangergehälter und Absprachen zwischen Unternehmen eigentlich gemeinsam?
(Christian Dürr [FDP]: Die Abfindung von Frau Hohmann-Dennhardt! Das ist eine Entscheidung, die Sie getrof- fen haben!)
Ich sage es Ihnen: Das sind über Jahre hinweg gewachsene Systeme. Wir müssen aufräumen, was Sie uns hinterlassen haben. Das ist die Wahrheit.
Das tun wir, Olaf Lies und ich, in großem Verantwortungsbewusstsein, insbesondere gegenüber den über 100 000 Menschen, die direkt bei Volkswagen in Niedersachsen beschäftigt sind, und gegenüber den wahrscheinlich einer Viertel Millionen Menschen, die indirekt von diesem Unternehmen ihre Existenz ableiten. Wir tun das in großer Verantwortung gerade für die Menschen - und nicht für das Schaufenster! Das ist die Arbeit, die wir leisten.
Ich nenne Ihnen noch einen entscheidenden Punkt, an dem ich eine Übereinstimmung zwischen dem Landesinteresse und dem wohlverstandenen - dem wohlverstandenen! - Unternehmensinteresse sehe: Volkswagen muss sauber sein. Volkswagen muss sauber sein, damit es erfolgreich ist. Volkswagen muss nicht nur sauber sein, was seine Schadstoffwerte angeht, sondern auch, was die innere Verfasstheit angeht. Das ist seit vielen Jahren die Leitlinie unserer Arbeit,
und diese Arbeit, die weiß Gott nicht immer vergnügungssteuerpflichtig ist, leisten wir beharrlich und kritisch nach innen und verantwortungsbewusst und kritisch nach außen.
Wir tun das, weil wir wissen, wie notwendig sie ist. Und ehrlich gesagt halte ich dieses Engagement innerhalb des Unternehmens auch für unverzichtbar.
Ich will eine letzte Bemerkung machen. Derzeit kreist an den Standorten von Volkswagen bei uns in Niedersachsen eine Unterschriftenliste. Dort unterschreiben Tausende von Beschäftigten eine herzliche Bitte an die Politik. Das gilt für den Bundestagswahlkampf, aber ich nehme an, auch für den Landtagswahlkampf. Sie bitten darum: „Macht unsere Arbeitsplätze nicht zum Spielball des Wahlkampfes!“ - Da haben sie recht. So müssen wir uns auch verhalten.