Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

politisch so gewollt haben, dann stehen Sie auch dazu,

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das gilt doch für Sie! Sie müssen doch dazu stehen!)

statt im Nachhinein zu sagen: Damit haben wir nichts zu tun. Das war ein individuelles Versagen. - Das ist das, was Sie machen: Sie schieben es auf die einzelnen Mitarbeiter. Sie geben die große Linie vor, die Mitarbeiter sind verunsichert und wissen nicht, wie sie es richtig machen sollen,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es hat sich kein Mensch verunsichert ge- fühlt! Kein einziger Mensch!)

und am Ende sagt der Minister: Das war ein individuelles Versagen; damit habe ich nichts zu tun. - Und die SPD-Fraktion assistiert und sagt: Strukturelle Fehler konnten wir nicht feststellen. - Aber es war natürlich Ihre Politik, die dazu geführt hat. Aus der Verantwortung dafür können Sie sich nicht stehlen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein weiteres Beispiel ist der Fall Safia. Bei Safia war es auch eine politische Vorgabe, die dazu geführt hat, dass eine Standardmaßnahme - zumindest eine ernsthaft zu überlegende Maßnahme -, nämlich die Speicherung von Daten einer Minderjährigen, nicht angewendet worden ist. Weil es im Koalitionsvertrag ja heißt, der Verfassungsschutz soll künftig keine Daten über Minderjährige mehr speichern.

Aber genau diesen Fall hatte man hier: Eine Minderjährige hat versucht auszureisen und ist zurückgekommen. Es gab Radikalisierungshinweise. Wenn man genauer hingeguckt hätte, hätte man noch mehr gefunden. - Was aber sagt der Verfassungsschutz? - Die speichern wir nicht. - Aus den Vermerken ergibt sich: weil sie unter 16 war, nicht aber, weil im Einzelnen eine sachliche Abwägung vorgenommen worden ist.

(Glocke der Präsidentin)

Schließlich noch die Wolfsburger Geschichte, als ein Wolfsburger Polizeibeamter genau in dieser Zeit, in der Sie diese Signale ausgesandt haben, sagte: Ermittlungen in Moscheen sind ein Politikum.

Ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen. Ich verstehe ja Ihre Intention. Sie wollten verhindern, dass Vorurteile gegenüber dem Islam verallgemeinert werden. Aber Sie haben es nicht geschafft,

eine Grenze zu ziehen. Sie haben es versäumt, den Islamismus konsequent zu bekämpfen. Damit haben Sie Sicherheitsrisiken in Kauf genommen, und dafür tragen Sie die Verantwortung.

Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Das ist das Ergebnis des Untersuchungsausschusses. Aus dem Bericht ergeben sich noch konkrete Schlussfolgerungen. Dass die Sicherheitsbehörden gestärkt werden müssen, ist die eine. Entscheidend aber ist, die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit machen zu lassen

(Johanne Modder [SPD]: Ja, eben, Herr Dr. Birkner!)

und sie nicht mit ideologischen Vorgaben zu konfrontieren, die am Ende zu einer Verunsicherung führen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Es gibt auf Sie nun eine Kurzintervention der Kollegin Polat, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Frau Kollegin!

Herr Birkner, ich möchte Sie gern auf einen Artikel von Karl Doeleke und Michael B. Berger in der HAZ vom 29. Januar 2010 hinweisen. Er trägt die Überschrift „Wulff will keine Routinekontrollen vor Moscheen“. Anlass war, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Innenausschuss als rechtlich nicht zulässig bezeichnet hat.

Ich will nur eine Passage zitieren, die eindrücklich aufzeigt, welche Position Sie damals dazu eingenommen haben. Aber es lohnt sich, diesen Artikel ganz zu lesen.

„Die Oppositionsfraktionen und auch der Koalitionspartner FDP forderten am Donnerstag erneut, die Kontrollen sofort einzustellen. Die FDP erwarte, ‚dass Innenministerium und Polizei sich verfassungskonform verhalten und verdachtslose Kontrollen im Umfeld von Moscheen bleiben lassen‘, er

klärte der innenpolitische Sprecher JanChristoph Oetjen. Die FDP habe Schünemann zu einem Gespräch in die Fraktion eingeladen.“

Das ist die Wahrheit!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Polat. - Herr Dr. Birkner antwortet Ihnen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin, herzlichen Dank für Ihre Darstellung der FDP-Position. Sie ist auch weiterhin so.

Wir hatten es in Hildesheim mit einem konkreten Verdacht zu tun. Gucken Sie sich die Unterlagen an! Dort steht, dass es in Hildesheim einen konkreten Verdacht auf terroristische Aktivitäten gab. Selbstverständlich muss in einem solchen Umfeld - - -

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

- Sie haben das so in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Insofern ist das keine Unterstellung.

Vielleicht darf ich die verbliebene Zeit aber nutzen - - -

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Frau Kollegin Polat, Sie haben sich mit einer Kurzintervention an Herrn Birkner gewandt. Es wäre nett, wenn Sie ihm jetzt zuhören würden. - Bitte!

Vielen Dank.

Ich will mich noch einmal ganz ausdrücklich bei all den Beteiligten bedanken, die zum Gelingen dieses Untersuchungsausschusses beigetragen haben. Herr Dr. Wahl ist wiederholt genannt worden, auch von unserer Fraktion. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit! Sie haben uns großartig unterstützt. Ohne diese Unterstützung wäre die Arbeit nicht zu leisten gewesen.

Mein Dank gilt auch dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Ich denke, viele rechtliche Fragen, die erörtert worden sind, sind erstmalig so gestellt worden. Daraus kann man ein Stück weit sogar noch Nutzen für weitere Dinge ziehen. - Ich danke auch der Landtagsverwaltung.

In besonderem Maße danke ich aber der Vorsitzenden und den Kollegen in den Fraktionen sowie den Beauftragten der Landesregierung. Wir haben es uns gegenseitig nicht immer leicht gemacht. Wir wissen jedoch sehr wohl zu schätzen, dass Sie Ihre Arbeitskraft engagiert eingesetzt und somit zum Gelingen des Untersuchungsausschusses beigetragen haben. Dafür auch Ihnen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Wir setzen die Beratungen fort. Das Wort hat jetzt Herr Kollege Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab - so viel Zeit muss in der Tat sein - möchte ich gern einige Worte an die Kollegin Mechthild Ross-Luttmann richten.

Ich bin ja noch nicht so lange in diesem Hause wie Sie. Gleichwohl hatte ich das Vergnügen, Sie als Vorsitzende des Rechtsausschusses und als rechtspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion im Rechtsausschuss zu erleben. Ich muss sagen, in jeder dieser Konstellationen war die Zusammenarbeit mit Ihnen von Sachlichkeit, Respekt und Fairness geprägt. Ganz, ganz herzlichen Dank dafür, Frau Kollegin, und alles Gute für die Zukunft!

(Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Tonne hat bereits den großen personellen und auch finanziellen Aufwand angesprochen, den der Parlamentarische Untersuchungsausschuss verursacht hat. Um es gleich zu Beginn klarzustellen: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind in einer Demokratie absolut notwendig. Es ist gut und richtig, dass ihre Einsetzung ein Minderheitenrecht ist. Klar ist auch, dass die Wahrnehmung von Parlamentsrechten aufwendig ist und Geld kostet. Das aber sollte uns diese Demokratie auch jederzeit wert sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es ist auch normal und menschlich verständlich, dass diejenigen, deren Tätigkeit untersucht werden soll, im Regelfall nur wenig begeistert davon sind. Richtig ist aber auch, dass diejenigen, die einen Untersuchungsausschuss beantragen und einsetzen und dann all diesen Aufwand erzeugen, politisch darüber rechenschaftspflichtig sind, was Sinn und Zweck eines Untersuchungsausschusses ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. CDU und FDP müssen auch Rechenschaft darüber ablegen, ob Aufwand und Ertrag hier in einem angemessenen Verhältnis zueinander gestanden haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die umfangreichen Aktenvorlagen, die Kontrolle von Tagebüchern von Polizistinnen und Polizisten - Polizistinnen und Polizisten mussten ihre Diensttagebücher kontrollieren! -, all das ist doch nicht auf Initiative des Innenministers oder gar auf Initiative von SPD und Grünen hin geschehen, sondern weil CDU und FDP völlig uferlose Aktenvorlagebegehren gestellt haben und immer dann, wenn eine Aktenseite auch nur einen Tag zu spät oder angeblich eine Seite zu wenig kam, die große Keule der Verfassungswidrigkeit geschwungen haben. Herr Dr. Birkner, Herr Nacke, Sie wollten diese umfangreichen Aktenvorlagen. Aber dann sollten Sie auch dazu stehen. Dann müssen Sie vor der Öffentlichkeit verantworten, welchen Aufwand CDU und FDP den Polizistinnen und Polizisten hier in diesem Lande bereitet haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Überhaupt, Herr Nacke: Ihr Verhältnis zur Polizei! Es sind ja auch Kollegen von der Polizei im Ausschuss als Zeugen vernommen worden. Herr Tonne ist darauf eingegangen.

Sie haben gerade gesagt, Sie begreifen die Polizisten als Partner. Ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie mit Ihren Partnern so umgehen, wie Sie mit der niedersächsischen Polizei umgehen, dann ist für mich völlig klar, dass wir niemals in irgendeiner Konstellation partnerschaftlich zusammenkommen. Sich so behandeln lassen zu müssen, ist nach meinem Verständnis keine Partnerschaft. Ich nenne das Misstrauen und Sündenbockpolitik, Herr Nacke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)