Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mittel für die Grundsicherung werden den Ländern zur Weitergabe an die Kommunen vom Bund in drei Tranchen zur Verfügung gestellt. Wir haben die erste Tranche vollständig weitergeleitet. Wir haben die zweite Tranche vollständig weitergeleitet. Was die dritte Tranche anbelangt, befanden wir uns in Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden. Sie haben gesagt: Sie leiten diese Grundsicherungsmittel nicht vollständig weiter. - 107 Millionen werden von Ihnen nicht weitergeleitet. - Das ist das eine.

Zum anderen sprachen Sie gerade davon, dass Sie das umsetzen würden, was Sie vor den Wahlen gesagt hätten. Nein, genau das tun Sie nicht! Vor der Wahl haben Sie uns immer wieder dafür kritisiert, dass wir kommunale Mittel irgendwelcher Art nicht weitergereicht hätten. Sie machen nach

der Wahl aber genau das Gleiche. Das ist das, was Sie tun.

(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: 107 Millionen!)

Ihre Lippenbekenntnisse sind nichts anderes als das Bemühen, hier etwas darzustellen, was Sie letztendlich aber nicht umsetzen. Dafür kritisiere ich Sie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Ross-Luttmann. - Jetzt liegt mir eine Wortmeldung von der SPD-Fraktion vor. Herr Kollege Krogmann, Sie haben das Wort.

(Ulrich Watermann [SPD]: Guter Mann!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Ross-Luttmann, ich bin noch ganz beeindruckt und ergriffen von Ihren Redebeiträgen. Leider gehen sie völlig am Thema vorbei. Ich frage mich, ehrlich gesagt, auch ein bisschen, wer Ihnen diese Beiträge geschrieben hat. Das möchte ich an dieser Stelle aber nicht vertiefen.

Meine Damen und Herren, die rot-grüne Koalition hier in diesem Hause ist mit dem Anspruch und dem Ziel angetreten, mehr Demokratie in unseren Gemeinden, Städten und Landkreisen zu erreichen. Die Wiedereinführung der Stichwahl war der erste Schritt. Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen gehen wir heute den zweiten Schritt. Ich kündige schon jetzt an: Das wird sicherlich nicht der letzte sein.

(Zustimmung bei der SPD - Jörg Hill- mer [CDU]: Um Gottes Willen!)

Die sogenannte Eingleisigkeit in unseren Kommunen, also die Zusammenlegung des Amtes des ehrenamtlichen politischen Bürgermeisters oder Landrates mit dem der hauptamtlichen Verwaltungsspitze, wurde 1996 - der Minister hat es gesagt - eingeführt. Damals betrug die Amtszeit fünf Jahre. Sie war synchron mit der Amtszeit der Ehrenamtlichen. Diese Regelung wurde in Niedersachsen fast ein Jahrzehnt lang ohne jedes Problem praktiziert. Deshalb kommen wir heute wieder zu dieser geübten und bewährten Praxis zurück.

(Beifall bei der SPD)

Wir tun das, weil wir einer Entwicklung entgegenwirken wollen, die wir alle - dazu habe ich auch von meinen Kollegen aus der CDU-Fraktion viele Rückmeldungen bekommen - nicht wollen. Denn die Verlängerung der Amtszeiten hat zu einer Unwucht im Verhältnis zwischen den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen in der Kommunalpolitik geführt. Das gibt es in anderen Bundesländern ja in noch extremerer Form, wo die Verfassungsregelungen andere sind. In Baden-Württemberg z. B. spricht man bei den Bürgermeistern vom kleinen Herrgöttle. Das ist ein schöner Begriff. So schlimm ist es bei uns noch nicht. Aber trotzdem: Auch bei uns hat der Hauptverwaltungsbeamte - - -

(Jens Nacke [CDU]: In Oldenburg schon!)

- In Oldenburg ist das sicherlich nicht mehr lange so.

(Lachen bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Sie dürfen den Ball nicht auf den Elfmeterpunkt legen, Herr Nacke. Dann kann es passieren, dass ihn einer reinmacht.

Auch bei uns hat der Hauptverwaltungsbeamte weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten, und die Ehrenamtlichen - das können doch wir alle in den Räten beobachten - haben aufgrund der herausgehobenen Stellung einfach an Einfluss verloren - ich sehe gerade auch das Nicken von Herrn Koch; danke -; sie werden von den Bürgerinnen und Bürgern in der Berichterstattung - auch das ist leider so - kaum noch wahrgenommen. Dafür ist zugegebenermaßen nicht allein die Amtszeit verantwortlich, sondern dafür gibt es viele Gründe. Aber diese hat den Trend noch verstärkt. Deshalb müssen wir als Gesetzgeber gegensteuern.

Der Befund ist übrigens nicht neu, Frau RossLuttmann. Auch Ihre schwarz-gelbe Koalition hatte in den Diskussionen über die Kommunalverfassung ja gesagt: Das kommunalpolitische Ehrenamt muss gestärkt werden. - Da waren wir uns im Ziel auch einig. 2010/2011 ist aber leider überhaupt nichts passiert. Deshalb heben wir das jetzt wieder auf die Tagesordnung und bringen die Gewichte in den Kommunen wieder ins Lot.

Warum tun wir das? - Das erste Argument - - -

(Zuruf von Angelika Jahns [CDU])

- Es ist klar, dass Sie, Frau Jahns, das anders sehen. Schon Herr Watermann hatte das gesagt.

(Zurufe von der CDU: Die Kommunen sehen das anders!)

- Die Kommunen? - Dann nehme ich das an der Stelle zurück.

Warum tun wir das? - Der Herr Innenminister hatte hierzu schon einige Argumente genannt. Ich will noch einmal auf einige eingehen. Das erste ist in der Demokratie so einleuchtend wie grundlegend. Die Kürzung der Amtszeiten stärkt die Macht des Souveräns, die Macht der Bürgerinnen und Bürger.

(Zustimmung bei der SPD)

Denn die können in deutlich kürzeren Abständen darüber entscheiden, ob sie mit dem, was die Hauptverwaltungsbeamtin bzw. der Hauptverwaltungsbeamte macht, einverstanden sind oder ob sie deren Mandat nicht erneuern wollen. Wir geben also den Menschen mehr Teilhabe und Macht in der Demokratie. Wer will denn dagegen sein? - Das kann man doch nur unterstützen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zugleich werden von der Zusammenlegung - und davon sind wir ganz fest überzeugt - auch die Ratswahlen, die Wahlen der ehrenamtlichen Kommunalvertretungen gewinnen, weil eine gewisse Personalisierung da ist, weil die Wahlen zusammengelegt werden. Das wird ein Synergieeffekt sein, von dem die Kommunalpolitik insgesamt profitieren wird.

Vielleicht auch noch folgender Gedanke: Wer sich den Wählerinnen und Wählern an einem gemeinsamen Termin stellen muss, ist vielleicht auch ein bisschen dazu verdammt, ein wenig zusammenzuarbeiten. Die Gefahr, sich gegenseitig zu blockieren - vielleicht auch dann, wenn parteipolitische Konstellationen gegeneinanderstehen -, ist dann eigentlich nicht mehr gegeben. Im Grunde genommen ist man dann dazu verurteilt zusammenzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, bei diesen Gesetzen geht es nicht nur um Paragrafen, sondern dahinter stehen auch Menschen, die in ihren Ämtern - das unterstützen wir und sehen es auch so - alles geben und sich engagieren. Deshalb versteht es sich von selbst, dass alles, was wir hier beschließen, auf die Lebensplanung der Betroffenen Rücksicht nimmt. Ich sage daher noch einmal ganz klar: Laufende Amtszeiten werden von dieser Gesetzesänderung nicht berührt. Niemand wird um seine Amtszeit gebracht.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das wä- re ja noch schöner!)

Um das zu gewährleisten, muss auf die Übergangsfristen besondere Sorgfalt gelegt werden. Das hatte der Minister ausgeführt. Es wäre natürlich schöner, eine solche Synchronisation schnell zu erreichen. Aber mit Rücksicht auf die Betroffenen, mit Rücksicht auf die Planung in den entsprechenden Kommunen wird hier ein Verfahren vorgeschlagen, das ein guter Kompromiss ist, wie ich finde. Wir werden so um das Jahr 2020/2021 weitgehend - nicht überall - wieder einheitliche Verhältnisse haben. Das ist ein guter Weg, und alle haben Zeit, sich darauf einzustellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte zum Thema der Altersgrenzen nicht mehr viel sagen, das hat der Minister ausgeführt. Das steht ja auch sehr deutlich im Gesetz. Ich denke, das ist für alle verständlich.

Nicht verschweigen will ich - das haben Sie zu Recht gesagt -, dass es aus dem kommunalen Lager Kritik gibt. Das sehen auch wir. Wir stehen im Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden. Ich gebe zu: Wir haben noch nicht alle überzeugen können. Das will ich gerne einräumen. Das werden wir in der Anhörung sicher auch entsprechend sehen.

Es gibt Sorgen bei den kleinen Gemeinden, insbesondere bei den kleinen Städten, ob es noch ausreichend genügend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber gibt. Diese Sorge teile ich. Aber ich glaube nicht, dass das etwas mit der Amtszeit zu tun hat. Denn ob man für fünf oder acht Jahre antritt, ist eigentlich nicht das Motiv für eine Kandidatur. Das hat der Oberbürgermeister, Entschuldigung, der Herr Innenminister, hier aus

(Heiterkeit bei der CDU)

eigener Anschauung sehr glaubhaft geschildert und betont, dass es eine besondere Motivation ist, ein solches Amt zu übernehmen. Das hängt weder am Geld noch an der Amtszeit. Das macht man, wenn man sich in irgendeiner Form dazu berufen fühlt. Deshalb müssen wir meiner Meinung nach dieses Argument nicht so werten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Völlig richtig!)

Im Übrigen, Demokratie ist Macht auf Zeit. Wer ein solches Amt antritt, muss wissen, dass es gegebenenfalls auch ein Abwahlamt sein kann.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! Genau!)

So sind die Spielregeln in der Politik. Daran können wir nichts ändern, und daran wollen wir auch gar nichts ändern, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte zwar als Fußnote trotzdem noch anfügen, dass wir uns natürlich bemühen, diese Ämter attraktiv zu halten. Ich kann nur darauf hinweisen, dass der Innenminister mit der Besoldungsverordnung jetzt auf den Weg gebracht hat, was Ihrer Regierung, trotz Versprechen, nicht gelungen ist.

(Zurufe von der CDU)

- Nein, das ist unzweifelhaft etwas, was das Amt gerade auch in den kleineren Kommunen attraktiver macht. Das ist doch ganz ohne Zweifel so. Das war Ihr Versprechen. Sie haben in dieser Richtung nichts gemacht. Wir mussten auch an dieser Stelle wieder all das aufräumen und abräumen, was bei Ihnen liegengeblieben ist.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das hat der Minister getan.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)