Protokoll der Sitzung vom 01.11.2013

Danke, Herr Minister. - Ebenfalls seine zweite Zusatzfrage stellt jetzt der Kollege Jörg Bode, FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Wenzel, vor dem Hintergrund, dass Sie hier gerade ausgeführt haben, dass Sie es bedauern, dass aufgrund der Änderungen bei den Bundesförderprogrammen der Hochwasserschutz in Niedersachsen in den kommenden Haushaltsplanungen mit wesentlich weniger Mitteln ausgestattet sein wird, dass die Landesregierung in ihrem Haushaltsplanentwurf diesen Rückgang nicht durch andere Mittel ausgeglichen hat, Sie aber trotzdem sagen, dass man sich darum bemühen muss, dass diese Situation nicht so eintritt, frage ich die Landesregierung: Wäre es nicht sinnvoll gewesen, anstatt durch die Klimaschutzagentur etc. in Ihrem Hause neue Bürokratie aufzubauen - Sie könnten das ja zumindest um ein Jahr verschieben -, die Mittel, die dafür aufgewendet werden, im kommenden Jahr bereits zur Kompensation des Wegfalls der Deichbaumittel zu verwenden, um so sicherzustellen - solange Sie nicht wissen, ob alle Ihre Initiativen erfolgreich sind -, dass der Hochwasserschutz in Niedersachsen zumindest nicht schlechter gestellt ist als vorher?

Warum schaffen Sie also mehr Bürokratie, anstatt den Ausfall der Mittel für den Hochwasserschutz zu kompensieren?

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Bode. - Das Wort hat Herr Umweltminister Wenzel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Abgeordneter Bode, wir sind mitten in den Haushaltsberatungen. Welches Ergebnis erzielt wird, werden wir Mitte Dezember wissen. Ich hoffe, dass bis dahin auch die Entscheidungen, die der Bund in diesem Bereich zu treffen hat, absehbar sind und dass wir wissen, wie viele Fördermittel aus dem ELER kommen. Wir haben aber deutlich mehr angemeldet, als es in der Vergangenheit der Fall war. Jetzt muss es gelingen, die anderen davon zu überzeugen. Das können Vertreter aller Fraktionen, die auch hier im Landtag vertreten sind, unterstützen. Im Bundestag kann die FDP das ja jetzt nicht mehr unterstützen. Aber wenn Sie das in den Ländern, in denen Sie noch vertreten sind, mit unterstützen würden, würde mich das sehr freuen.

Vielen Dank, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen zu Nachfragen liegen nicht vor. Damit ist die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die heute nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden, wie Sie wissen, nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Meine Damen und Herren, den Tagesordnungspunkt 27 haben wir bereits gestern abgehandelt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Wenn es bei Ihnen jetzt zu räumlichen Veränderungen kommen sollte, dann machen Sie das bitte möglichst geräuschlos! Denn wir behandeln jetzt einen Tagesordnungspunkt, der auch die Aufmerksamkeit des Plenums verdient hat.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung:

Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 43, die nicht in der 21. Sitzung des Landtages am 01.11.2013 behandelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in der Drucksache 17/881 abgedruckt)

Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen für eine wohnortnahe, leistungsfähige und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/828

Zur Einbringung des Antrags erteile ich dem Kollegen Uwe Schwarz, SPD-Fraktion, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel einer fortschrittlichen Gesundheitspolitik muss eine leistungsfähige, sichere und flächendeckende medizinische Versorgung sein. Grundlage dafür ist und bleibt für uns die paritätisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung. Gesundheitsvorsorge für alle ist ein Kernbereich der allgemeinen Daseinsvorsorge und ein Kernversprechen unseres Sozialstaates. Das schließt deren Erreichbarkeit für nicht individuell mobile Menschen ausdrücklich mit ein. Fast 400 Milliarden Euro werden jährlich in Deutschland in die Gesundheitsversorgung investiert, davon rund die Hälfte aus der gesetzlichen Krankenversicherung.

Trotzdem, meine Damen und Herren, nehmen in Deutschland die Probleme in der medizinischen und pflegerischen Versorgung vor allem im ländlichen Bereich zu. Die Gründe dafür sind teilweise seit Jahrzehnten bekannt:

In einigen Bereichen der sozialen Sicherungssysteme gibt es eine deutliche bis dramatische Unterfinanzierung. Dies gilt insbesondere in der Pflegeversicherung, aber auch bei den Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen. Die unzeitgemäße künstliche Trennung zwischen medizinischer ambulanter und stationärer sowie pflegerischer Versorgung hat sich lange überlebt. Dieses Nebeneinander führt zu Über-, Unter- und Fehlversorgungen.

Es gibt darüber hinaus einen historischen Höchststand bei der Zahl der niedergelassenen Ärzte. Das gilt auch für Niedersachsen mit zurzeit rund 10 760 niedergelassenen Ärzten. Das sind erneut 300 Ärzte mehr als noch vor fünf Jahren.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wo sitzen die denn?)

Allerdings - sehr richtig, Norbert Böhlke - sitzen sie nicht in den ländlichen Bereichen, wo wir sie benötigen. Das früher ausgewogene Verhältnis zwischen ländlichen und städtischen Gebieten hat sich verschoben. Der 24-Stunden-Job des Landarztes ist nicht mehr besonders attraktiv.

Es gibt ferner eine deutliche Verschiebung in der Gewichtung zwischen Fach- und Hausärzten. So ist die Zahl der Fachärzte um 520 gestiegen, während gleichzeitig die Zahl der Hausärzte um 220 gesunken ist. In einigen ländlichen Bereichen gelingt es nicht mehr, Nachfolgerinnen und Nachfolger für Hausarztpraxen zu finden. Auch die Gründe dafür sind vielfältig: Es droht teilweise Überalterung, es besteht eine Scheu vor dem Risiko der Selbstständigkeit, und über 60 % der Medizinstudierenden sind Frauen. Hier spielt natürlich die Vereinbarkeit bzw. in vielen Fällen noch vorhandene Unvereinbarkeit von Familie und Beruf eine gewichtige Rolle.

Der gesetzliche Sicherstellungsauftrag für eine lückenlose Versorgung im ambulanten Bereich liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Er liegt nicht bei den Ländern.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Wenn die Kassenärztliche Vereinigung diesen Auftrag nicht mehr erfüllen kann, dann ist der Bundesgesetzgeber gefordert, die Zuständigkeiten neu zu regeln. Der Sicherstellungsauftrag für die Krankenhausversorgung hingegen liegt bei den Landkreisen und kreisfreien Städten.

Meine Damen und Herren, alleine diese unzeitgemäße Zerteilung des Sicherstellungsauftrags verursacht erhebliche Schnittstellenprobleme zwischen den Akteuren. Die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen - allerdings nicht nur in Niedersachsen - wandelt sich radikal. Auch dafür gibt es Gründe. Medizinischer und technischer Fortschritt haben die Verweildauer in den Kliniken deutlich gesenkt. Viele Eingriffe, die früher lange Krankenhausaufenthalte vonnöten machten, werden heute ambulant vorgenommen. Die Krankenhausfinanzierung wurde auf ein Fallpauschalensystem umgestellt. Zahlreiche vor allem kleinere Krankenhäuser im Land arbeiten unter schwierigsten wirtschaftlichen Bedingungen. Mehr als zwei Drittel von ihnen sind zwischenzeitlich von Insolvenz bedroht.

Auch die Folgen und Konsequenzen daraus sind schon lange bekannt und erkennbar: ein starker Trend zu spezialisierten größeren Häusern und ein noch stärkerer Trend zur Privatisierung. Auch hier, meine Damen und Herren, liegt die Zuständigkeit beim Bundesgesetzgeber.

Aufgrund der zersplitterten Zuständigkeiten und nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Interessen arbeiten die Akteure im Gesundheitswesen nicht so

zusammen, wie es im Interesse der Patientinnen und Patienten sein könnte und auch sein müsste. Bisher waren Akteure in der Regel nur dann zur Zusammenarbeit bereit, wenn sie sich daraus wirtschaftliche Vorteile versprachen und wenn es ihnen selber wirtschaftlich nicht so gut ging.

Dieser Sachverhalt ist einer der größten Kostentreiber im Gesundheitswesen - nicht die demografische Entwicklung. Unabhängig davon muss klar sein, dass angesichts der demografischen Entwicklung der Bedarf an medizinischen und pflegerischen Leistungen auch in den nächsten Jahren stark steigen wird. Der Wandel im Aufbau der Bevölkerung, die strukturellen Veränderungen im ambulanten und stationären Sektor sowie wachsende regionale Unterschiede verlangen künftig neue Wege in der Gesundheitsvorsorge. Wir brauchen dringend eine sektorenübergreifende Verzahnung von ambulanten, stationären und pflegerischen Angeboten, und zwar nicht in erster Linie aus Kostengründen, sondern insbesondere zur Sicherung der medizinischen Versorgung vor allem in ländlichen Bereichen.

Um diese Herausforderung, meine Damen und Herren, wird sich eine neue Bundesregierung - wie immer sie sich zukünftig gestaltet - nicht weiter herumdrücken können.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In unserer Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen hier in Niedersachsen haben wir festgelegt, dass die Erprobung unterschiedlichster Formen der Zusammenarbeit und Kooperation durch den Auf- und Ausbau von Gesundheitsregionen unterstützt werden soll. Die ersten drei Modellregionen Emsland, Heidekreis und Wolfenbüttel haben ihre Ergebnisse am 18. September vorgelegt. Diese Ergebnisse waren aufgrund der bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen zwar nicht euphorisch, aber sie waren vielversprechend.

Für uns geht es zunächst beispielhaft um den Aus- und Aufbau weiterer Modelle, die später hoffentlich flächendeckend genutzt werden können. Der regionalen Kreativität sind dabei zunächst bei den Vorschlägen keine Grenzen gesetzt, z. B. Kooperationen von Krankenhäusern mit niedergelassenen Ärzten, Ausweitung der Verlagerung nichtärztlicher Tätigkeiten auf nichtärztliches Pflegepersonal - und zwar einschließlich ambulanter Pflegedienste; das betone ich ausdrücklich -, Vernetzung von ambulanten und ärztlichen Bereitschaftsdiensten und den Rettungsdiensten der Städte und Ge

meinden, Reha- und Pflegemodelle zur Verhinderung von Heimaufenthalten, neue Möglichkeiten der Telemedizin usw.

Im Vordergrund muss eine wohnortnahe, leistungsfähige und vor allem sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Niedersachsen stehen. Dafür hat Rot-Grün im vorliegenden Haushaltsplanentwurf 600 000 Euro zur Verfügung gestellt. Weitere 400 000 Euro werden zur zusätzlichen Förderung von Hausarztpraxen auf dem Land zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus wollen wir mit dem Antrag dem Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern folgen, eine versorgungsepidemiologische Analyse für Niedersachsen zu erstellen. Was heißt das? - In Mecklenburg-Vorpommern hat die Universität Greifswald ein Kataster aller niedergelassenen Haus- und Fachärzte erstellt und unter Einbezug des Alters der Ärzte die Versorgungssituation im Land analysiert und prognostiziert. Die vorhandenen Krankenhäuser wurden ebenfalls darin einbezogen. Gleichzeitig wurde das medizinische Versorgungsnetz mit dem vorhandenen ÖPNV-Netz abgeglichen. Das war insbesondere unter dem Aspekt einer sich im Alter verschlechternden Mobilität sehr aufschlussreich. Im Ergebnis brauchte ein erschreckend hoher Prozentsatz von Bürgerinnen und Bürgern mit dem ÖPNV viele Stunden, um den nächsten Arzt zu erreichen, oder schaffte es innerhalb von 24 Stunden überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, vergleichbare Untersuchungen liegen in Niedersachsen nicht vor. Sie sind aber eine wichtige Grundlage, um die zentralen Fragen der Daseinsvorsorge wissenschaftlich belegt auch weiterentwickeln und aufbauen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Gesundheitsregionen - das betone ich ausdrücklich - sind kein Allheilmittel. Sie sind aber ein geeignetes Instrument, um die Akteure im Gesundheitswesen, die häufig auch in Konkurrenz stehen, erstmalig vor Ort überhaupt an einen Tisch zu bringen, um die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Region auszuloten. Der Landtag hat im Jahr 2010 die ersten Modellprojekte einmütig unterstützt. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam auf diesem Weg vorangehen können. Ich hoffe auf eine konstruktive Ausschussberatung und auf gute Ergebnisse.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Im Rahmen der Beratung hat jetzt für die CDU-Fraktion der Kollege Norbert Böhlke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heute von der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Antrag trägt die etwas sperrige Überschrift „Weiterentwicklung der Gesundheitsregionen für eine wohnortnahe, leistungsfähige und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Niedersachsen“. Dieser Antrag, der sich mit einer Weiterentwicklung befasst, muss natürlich auch auf einer Entwicklung, auf einem Fundament basieren. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass dieser Antrag auf Vorgängeranträgen der Fraktionen der CDU und der FDP im Niedersächsischen Landtag aufbaut, die sich in der letzten Wahlperiode sehr ausführlich mit dem Thema neuer Wege zur Sicherung der medizinischen Versorgung in der Fläche oder auch mit dem Thema der ärztlichen Versorgung auf dem Lande, die es auch in Zukunft sicherzustellen gilt, befassten. Diese Anträge wurden mit breiter Mehrheit hier im Parlament beschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Bei Lektüre des aktuellen Antrags wird sehr schnell deutlich, dass dieser wortreiche Antrag von RotGrün im Kern die Fortführung des von der CDUgeführten Landesregierung initiierten Modellprojekts „Zukunftsregionen Gesundheit“, im Jahre 2010 gestartet, darstellt. Mit dem auf drei Jahre angelegten Modellprojekt in den drei Landkreisen Emsland, Wolfenbüttel und Heidekreis wurde erprobt, wie die herkömmlichen Leistungsgrenzen zwischen niedergelassenen Ärzten, den Krankenhäusern und anderen Gesundheitsberufen überwunden werden können. Dadurch sollte ein großer Gestaltungsraum bei der medizinischen Versorgung in der Fläche geschaffen werden und vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der bereits von dem Kollegen Schwarz skizzierten Problemstellungen auch künftig gesichert werden.

Positive Zwischenergebnisse, die zum Ende bestätigt wurden, wie beispielsweise die Rolle der Arztpraxis im Landkreis Wolfenbüttel oder die beispielhafte Koordinierung der Vorgehensweise der medizinischen Versorgung im Emsland in den Alten- und Pflegeheimen, aber auch die Verwirklichung

eines Bürgerbusses in der Stadt Walsrode beweisen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb sind die in dem Antrag formulierten weiterzuentwickelnden Themen wie beispielsweise sektorenübergreifende Verzahnungen und Kooperationen ebenso zu begrüßen wie die Fortentwicklung des Mobilitätskonzepts. Dies gilt auch für die Ausweitung der Verlagerung nichtärztlicher Tätigkeiten mit nichtärztlichem Fachpersonal. Das ist allerdings keine neue Idee, sondern in Mecklenburg-Vorpommern schon sehr lange auf den Weg gebracht. Aber ich erinnere auch an das Delegationsmodell hier in Niedersachsen, das sogenannte MoNi.