Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

Deswegen fühlen die Menschen sich auch zu Recht von Ihnen betrogen und belogen. Wenn sie dann ihren Frust, ihren Unmut, ihr blankes Entsetzen, ihre Enttäuschung und ihre Wut zum Ausdruck bringen, indem 10 000 Lehrer auf die Straße gehen, indem überall in Niedersachsen Schüler demonstrieren - hier in Hannover waren es 6 000 an der Zahl -, werden sie in einer Art und Weise vom Ministerpräsidenten und von der Kultusministerin abgekanzelt und gemaßregelt, wie es noch nie eine Regierung mit Lehrkräften und Schülern getan hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aus dem von Ihnen angekündigten Dialog und Ihrer angekündigten Transparenz ist das Diktat der

Mehrheit geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das hat mit Ihren Ankündigungen vor der Wahl überhaupt nichts mehr zu tun. Sie behaupten sogar, die Schüler seien instrumentalisiert worden. Ich war bei der Schüler-Demo und habe die Schüler gefragt, ob sie sich von den Lehrkräften haben instrumentalisieren lassen.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nein, die haben das als Unverschämtheit zurückgewiesen. Sie kämpfen für eine bessere Bildungsqualität und wollen nicht, dass Unterricht ausfällt, weil die Lehrer immer mehr belastet und krank werden. Sie wollen auch nicht, dass ihr Klassenlehrer zum nächsten Schuljahr an eine andere Schule abgeordnet wird, weil Sie keine neuen Lehrkräfte einstellen oder an die Gymnasien abordnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wollen die Schüler zu Recht nicht. Die Schüler haben deshalb auch ein Recht darauf, zu demonstrieren. Auch die Lehrer haben ein Recht darauf, für vernünftige Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.

Wenn die dann in ihrer Not, gewissermaßen als Notwehr, keine andere Möglichkeit mehr sehen, als auf Klassenfahrten zu verzichten - dieses Mittel wiegt bei Weitem nicht die Mehrbelastung auf, meine sehr geehrten Damen und Herren -, dann wird ihnen auch noch vorgeworfen, sie würden nicht neutral berichten, Schüler instrumentalisieren und ihren Protest auf dem Rücken der Schüler austragen.

Dabei wird genau das deutlich, Herr Poppe, was Sie entlarvt: Ihnen geht es überhaupt nicht um die Belastung der Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen. Wenn es Ihnen wirklich darum geht, dann machen Sie doch einmal einen konkreten Vorschlag, in welchem Punkt bzw. in welcher außerunterrichtlichen Zeit gekürzt werden soll! Was sollen die Lehrer nicht mehr machen? Sollen sie weniger Unterrichtsvorbereitung oder eine schlechte Unterrichtsvorbereitung machen? Wollen Sie, dass Gespräche mit Schülern und Eltern nicht mehr stattfinden? Wollen Sie keine Qualitätsentwicklung mehr an den Schulen?

(Anja Piel [GRÜNE]: Sie haben zehn Jahre Zeit gehabt, darüber nachzu- denken!)

Sie müssen doch endlich einmal den Lehrkräften sagen, wo sie die Mehrbelastung kompensieren sollen. Wenn Sie das nicht tun, argumentieren Sie unehrlich, und das ist falsch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn Sie die Unterrichtsverpflichtung erhöhen, müssen Sie auch sagen, wo im außerunterrichtlichen Bereich gekürzt werden soll. Sie dürfen dann nicht sagen: Dies geht nicht, und das geht nicht. - Sie wollen doch am Ende nur Ihre Reform bzw. Ihre „Zukunftsoffensive Bildung“ dadurch finanzieren, indem Sie sozusagen den Rücken der Lehrkräfte dafür nutzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie wollen sich für eine „Zukunftsoffensive Bildung“ feiern lassen, die nichts anderes ist als eine Belastungsoffensive für die Lehrkräfte in Niedersachsen.

Nach den Äußerungen der Kultusministerin auf dem Philologentag könnte man zu Recht die Frage stellen: Wo ist eigentlich der Mensch Heiligenstadt, der am 29. Januar 2009 in einer Pressemitteilung geschrieben hat, das Kultusministerium sei deshalb dringend aufgefordert, die Arbeitsbedingungen von Lehrkräfte so zu verbessern, dass die Aufgaben in der Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden zu schaffen sind?

Stattdessen heißt es jetzt: Wir erhöhen die Unterrichtsverpflichtung. Frau Heiligenstadt, Sie scheitern an Ihren eigenen Ansprüchen. Menschsein endet nicht mit der Annahme der Ernennungsurkunde. Sorgen Sie bis Freitag dafür, dass diese Maßnahme nicht umgesetzt wird. Zeigen Sie mit den vielen Kollegen von SPD und Grünen, die in den Schulen sagen, dass sie diese Maßnahmen eigentlich gar nicht mittragen wollen, dass Sie lernfähig sind. Die Lernfähigkeit unterscheidet den Menschen von den Maschinen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Försterling. - Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat sich jetzt die Kultusministerin zu Wort gemeldet. Frau Ministerin Heiligenstadt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal muss ich feststellen: Es werden hier Behauptungen in den Raum gestellt, die schlicht und ergreifend nicht der Wahrheit entsprechen. Wir setzen nicht den Rotstift in der Bildung an, sondern wir erhöhen den Etat des Kul

tusministeriums in nie dagewesener Art und Weise, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie behaupten immer gerne, wir würden angeblich kürzen. Tatsächlich tun wir das nicht. Die „Zukunftsoffensive Bildung“ besteht, meine Damen und Herren, aus drei Bestandteilen.

Erstens: Wir bauen Krippenplätze aus, 5 000 mehr in den nächsten vier Jahren. Das ist nötig, weil Sie sich in der Vergangenheit nicht ausreichend darum gekümmert haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens: Wir statten die Ganztagsschulen deutlich besser aus, weil Sie sie mit so wenigen Mitteln ausgestattet haben, dass während Ihrer Regierungszeit sogar der Staatsanwalt bei Ihnen im Kultusministerium war.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Thiele zu?

Nein. - Danke. Weiter geht’s.

Drittens: Wir verbessern die Beratungs- und Unterstützungsleistungen an den Schulen, weil auch Sie z. B. die Situation der Schulpsychologie auf ein absolutes Minimum heruntergefahren und damit die Schulen vollständig alleingelassen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ja, die „Zukunftsoffensive Bildung“ wird in einem Dreiklang finanziert. Zu diesem Dreiklang gehören deutlich mehr Mittel für den Kultusetat, die Nutzung der Demografierendite - in vielen anderen Bundesländern müssen Lehrerstellen, die infolge zurückgehender Schülerzahlen frei werden, dem Gesamthaushalt zugeführt werden; wir in Niedersachsen können die Demografierendite behalten - und in der Tat auch belastende Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, ich habe Verständnis für die Proteste der Lehrkräfte. Ich kann auch nachvollziehbaren, dass Schülerinnen und Schüler oder auch Eltern sich solidarisieren. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Sie im Moment an deren Seite mitheulen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Bit- te?)

Denn Sie haben einen Großteil der Belastungen an den Schulen verursacht.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Natürlich hätten wir es uns leicht machen und keine belastenden Entscheidungen treffen können.

(Kai Seefried [CDU]: Die Möglichkeit haben Sie! - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Der finanzielle Spielraum ist da!)

Aber die Kleckerpolitik und Symbolpolitik der Vergangenheit, der letzten zehn Jahre, machen wir nicht. Wir stehen nämlich für Bildungsgerechtigkeit,

(Lachen bei der CDU)

z. B. für Alleinerziehende und für Familien, in denen beide Elternteile arbeiten müssen, weil sonst das Einkommen nicht reicht. Deshalb investieren wir in Ganztagsschulen. Das kommt im Übrigen allen Schulformen zugute.

Wir stehen für Bildungsgerechtigkeit für junge Menschen mit Handicap.

(Kai Seefried [CDU]: Das werden wir heute Nachmittag noch einmal darle- gen! Das ist ja nicht die Realität!)

Sie werden in der Schule stärker unterstützt. Wir erhöhen die Inklusionsmittel deutlich.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir stehen für Bildungsgerechtigkeit für die Familien, die sich nicht artikulieren können und die sich z. B. keine teure Nachhilfe leisten können. Sie sind auf gut ausgestattete Ganztagsschulen angewiesen, an denen die Schülerinnen und Schüler gefördert und gefordert werden können.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Kai Seefried [CDU]: Klassenkampf!)

Dafür setzen wir uns im Moment auch mit den Protesten auseinander.

Mir ist die Arbeit der Lehrkräfte sehr wichtig. Die Lehrkräfte leisten eine hervorragende Arbeit. Ich habe hohe Achtung. Sie sind wirklich jeden Tag in den Schulen und arbeiten seht gut mit unseren Kindern, mit den Schülerinnen und Schülern.

Deswegen werden wir in Gesprächen bleiben, wie Frau Korter und Herr Poppe angedeutet haben. Es geht nämlich um Entlastung am Gymnasium, auch für die Schülerinnen und Schüler, nicht nur für die Lehrkräfte.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)