Einen Tag später kommt dann der niedersächsische Ministerpräsident und steht dem Bundesvorsitzenden der SPD bei. Das wiederum findet der grüne Umweltminister in Niedersachsen überhaupt nicht gut. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, wer hat in Ihrem Laden
eigentlich das Sagen? - Wenn ich von „Laden“ spreche, meine ich nicht die SPD - das ist im Zweifel Ihr Problem -, sondern die Landesregierung. Also: Wer hat in dieser Landesregierung eigentlich das Sagen, Herr Ministerpräsident? - Diese Frage müssen Sie den Menschen da draußen, die Sie mit einer knappen Mehrheit in dieses Haus gewählt haben, beantworten.
Ich habe das Gefühl, dass in Niedersachsen gerade so ziemlich jeder gegen jeden kämpft. Die Risse gehen ganz tief durch Ihre Partei, Herr Ministerpräsident, sie gehen durch diese Landesregierung, und sie spalten die Mehrheitsfraktionen in diesem Hause. Die Landesregierung Niedersachsen gegen die Landesregierung Schleswig-Holstein, der Niedersächsischer Ministerpräsident gegen den niedersächsischen Umweltminister!
Die Mehrheitsfraktionen in diesem Hause haben für den kommenden Freitag einen Antrag angekündigt, in dem sie das Gegenteil von dem fordern, Herr Ministerpräsident, was Sie zur Unterstützung von Sigmar Gabriel zu Papier gebracht haben. Diese tiefen Risse innerhalb der Fraktion und innerhalb dieser Landesregierung werden Sie zu kitten haben! Ich bin gespannt, wie Sie sich da einlassen.
Ich hätte im Übrigen nicht gedacht, dass ich - verehrte Frau Piel, Sie haben das eben angesprochen - Sigmar Gabriel in diesem Hause jemals würde verteidigen müssen gegenüber Angriffen aus seiner eigenen Partei, gegenüber Angriffen des grünen Koalitionspartners. Aber heute tue ich das ausdrücklich, sehr geehrte Frau Piel.
Wir hätten uns vielleicht gewünscht, dass in diesem Papier von Sigmar Gabriel mehr Markt, weniger Planwirtschaft und ein schnellerer Einstieg in den Wettbewerb auftauchen,
damit sich die erneuerbaren Energien tatsächlich dem Wettbewerb stellen müssen. Aber im Kern hat Sigmar Gabriel recht, und meine Fraktion wird den Diskussionsprozess, den er angestoßen hat, konstruktiv begleiten, meine Damen und Herren.
Denn - und das ist meine tiefe Überzeugung - dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz ist das unsozialste Gesetz, das die Bundesrepublik Deutschland seit 1949 gesehen hat. Es ist das unsozialste Gesetz, das es in Niedersachsen und in Deutschland jemals gegeben hat.
Diejenigen, die es sich leisten können, schrauben sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach. Sie nehmen 10 000 oder 20 000 Euro vom Festgeldkonto, investieren sie in eine Photovoltaikanlage, lehnen sich zurück und freuen sich über zweistellige Renditen - staatlich garantiert! Und diejenigen, die es sich nicht leisten können, zahlen die Zeche.
Da muss endlich nachgebessert werden, da muss es endlich eine Veränderung geben, meine Damen und Herren.
Der SPD-Wirtschaftsminister möchte gerne die Direktvermarktung stärken, er möchte, dass sich die erneuerbaren Energien dem Wettbewerb stellen, er möchte, dass die festen Vergütungssätze für die Einspeisung einem Ende entgegengeführt werden, und er möchte ab 2017 noch weitergehende Schritte Richtung Wettbewerb. Ich hätte mir gewünscht, dass das schon eher geht.
Ich weiß nicht, warum das erst in drei Jahren möglich sein soll. Aber das ändert nichts daran, dass die Richtung richtig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das bisherige EEG beinhaltet das Risiko, dass Politik zum Spielball von Lobbyinteressen wird. Deswegen ist es richtig, dass die Preisfindung für eine Kilowattstunde Strom endlich von der Politik losgelöst wird, meine Damen und Herren.
Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Landesregierung schon einmal weniger geschlossen aufgetreten wäre, als es Rot-Grün in Niedersachsen in diesen Tagen tut. Der Ministerpräsident bzw. der Umweltminister - je nachdem, wer im Rahmen dieser Debatte heute noch sprechen wird - wird bekennen müssen, wohin die Reise in dieser Landesregierung geht und wer am Ende recht hat: Ist es Sigmar Gabriel? Ist es Torsten Albig? Ist es Anton Hofreiter? Oder sind es vielleicht sogar die eigenen Fraktionen in diesem Niedersächsischen Landtag, die in ihrem Antrag, den wir am Freitag beraten werden, formulieren, dass sich im Kern gar nichts ändern müsse?
Aber so wie ich Sie einschätze und wie ich Sie in den letzten Monaten kennengelernt habe, Herr Ministerpräsident, habe ich die Vermutung, dass Sie es allen ein bisschen recht machen wollen. Aber ich sage Ihnen eines: Wenn man den Weg des kleinsten Übels geht, dann versucht man zwar, es allen recht zu machen, aber so richtig macht man es damit keinem recht, sondern man sitzt am Ende zwischen allen Stühlen. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich hier gleich einlassen werden.
Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Als nächster Redner hat nun Herr Becker, SPD-Fraktion, das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines schon vorweg: Die erneuerbaren Energien werden nicht ausgebremst, jedenfalls nicht hier in Niedersachsen.
Herr Dr. Hocker, ich kann Ihre Irritation über die Debatte, die um das Eckpunktepapier von Bundeswirtschaftsminister Gabriel entbrannt ist, durchaus nachvollziehen. Sie sind das schlicht nicht gewohnt, und zwar deswegen nicht, weil Ihr Minister Rösler es über drei Jahre vermieden hat, an dieser wichtigen Stellschraube auch nur irgendwie zu drehen.
Es hat weder eine zielführende Debatte über die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland und Niedersachsen noch wirklich produktive Vorschläge gegeben. Dass es Sie irritiert, dass sich das ändert, verstehe ich.
Insofern ist es richtig: Es tut sich endlich etwas bei der Steuerung der Energiewende. Das ist für sich genommen schon mal eine gute Nachricht. Nach drei Jahren Stillstand unter einer schwarz-gelben Bundesregierung fühlt sich die jetzige Bundesregierung, fühlt sich ein Bundeswirtschaftsminister
erkennbar zuständig. Das ist auch gut für Niedersachsen, meine Damen und Herren. Denn drei Jahre Verunsicherung in diesem wichtigen Zukunftsbereich haben dazu geführt, dass die Dynamik des Ausbaus u. a. der Offshorewindenergie an der norddeutschen Küste nachhaltig gebremst worden ist.
In Niedersachsen und Bremen, meine Damen und Herren, gab es in der Offshorebranche noch vor rund einem Jahr 5 000 Arbeitsplätze. Mittlerweile ist die Anzahl dieser Beschäftigten auf knapp 3 500 zurückgegangen. Darum sind die Vereinbarungen zur Energiewende, die die Koalitionäre in Berlin ausverhandelt haben und die sich in den jetzt von Bundeswirtschaftsminister Gabriel vorgestellten Eckpunkten zur Reform des EEG wiederfinden, wichtig für Niedersachsen. Das Eckpunktepapier benennt nämlich ausdrücklich für die Offshorewindenergie in Norddeutschland das vereinbarte Ausbauziel von 6,5 GW bis 2020 und von 15 GW bis 2030. Darüber hinaus sieht es die Verlängerung des Stauchungsmodells mit einer Vergütung des Offshorewindstroms in Höhe von 19 Cent bis 2019 vor.
Meine Damen und Herren, das sind gute Voraussetzungen dafür, dass die ca. 5 Milliarden Euro Investitionskosten, die in die norddeutschen Offshorewindparks fließen werden, auch tatsächlich abgerufen werden, dass die Arbeitsplätze in dieser Branche erhalten bleiben, die damit verbundene Wertschöpfung vor Ort verbleibt und zum Ausgleich der Strukturschwäche der norddeutschen Küstenregion beiträgt.
Aber dass die Energiewende kein Selbstläufer ist, meine Damen und Herren, ist auch klar. Der über die EEG-Umlage finanzierte Ausbau der Erneuerbaren belastet nicht nur die privaten Haushalte, sondern auch die Wirtschaft, und zwar längst nicht nur die Unternehmen, die von der EEG-Umlage befreit sind. Darüber hinaus führt die EU-Kommission ein Beihilfeverfahren gegen die reduzierte EEG-Umlage für energieintensive Unternehmen. Das sind eben gerade keine erfreulichen Aussichten, meine Damen und Herren. Wenn die EEG-Befreiung für die energieintensive Grundstoffproduktion nicht aufrechterhalten werden kann, dann sind in Deutschland unmittelbar 830 000 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe gefährdet und damit mittelbar auch der Industriestandort Deutschland.
Genau aus diesem Grunde geht es bei der Reform des EEG auch um mehr als eine bloße Anreizförderung zum Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien. Es geht auch um die Dämpfung der Dynamik des Kostenanstiegs für Energie, und es geht um den Industriestandort und die Arbeitsplätze in Deutschland und in Niedersachsen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die flankierenden energie- und klimapolitischen Entscheidungen der EU-Kommission sind in diesem Zusammenhang auch nicht eben hilfreich. Die EU-Kommission will sich nach 2020 offensichtlich darauf beschränken, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes als einzige Klimaschutzpflicht festzuschreiben und die Zielsetzungen in den Bereichen des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz aufzugeben. Wenn die EU-Mitgliedsländer nach 2020 dann frei entscheiden können, mit welchen Formen der Energieerzeugung sie ihre CO2-Reduktion erreichen wollen, kann sich das für Deutschland zu einer wirtschaftspolitisch ausgesprochen sportlichen Herausforderung auswachsen. Es ist jedenfalls keine erfreuliche Wettbewerbsperspektive, sich mit Stromerzeugern in Nachbarländern auseinandersetzen zu müssen, die ihre CO2-Ziele damit erreichen, dass sie ihre abgeschriebenen Atommeiler schlicht durchlaufen lassen.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Beihilfeverfahren gegen die reduzierte EEG-Umlage für energieintensive Unternehmen und dem faktischen Leerlaufen des CO2Emissionshandels wegen drastischer Unterbewertung der CO2-Zertifikate kann man das auch als einen Anschlag auf die Energiewende in Deutschland werten.
Es wird in den nächsten Jahren verstärkt darauf ankommen, Überförderung zu vermeiden und die Erneuerbaren in den Energiemarkt zu integrieren, und zwar ohne die Investitions- und Finanzierungsbereitschaft und damit die Ausbauziele zu gefährden. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sie gesteuert wird. Und es ist erfreulich, festzustellen, dass das jetzt beginnt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Becker, ich gebe Ihnen recht: Die Energiewende müsste man steuern. Aber wenn man das so müde tut, wie Sie und Ihre Kollegin Frau Piel hier heute Morgen vorgetragen haben, dann wird mir angst und bange. Wenn Sie steuern wollen, wenn Sie fahren wollen, dann machen Sie das im wachen Zustand und nicht so müde!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe heute Morgen das Gefühl, als säße ich hier im falschen Film. Ich frage mich, gegen wen oder was Sie eigentlich gerade gesprochen haben. Hier in Niedersachsen regieren SPD und Grüne, und in Berlin gibt es einen Wirtschaftsminister namens Sigmar Gabriel, der aus Niedersachsen kommt, Mitglied der SPD und für Energie zuständig ist. Wollen Sie dem auf die Füße treten? Wollen Sie dem Dampf machen? - Ich habe nicht verstanden, warum Sie diese Aktuelle Stunde angemeldet haben.
Und da wir das Gleiche schon im Dezember hatten, meine ich, man könnte diesen Film auch mit dem Titel „Und täglich grüßt das Murmeltier“ überschreiben.
Der Hauptdarsteller in diesem Film ist Ministerpräsident Stephan Weil; denn der hat gesagt: Die Richtung stimmt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Jahr 2013 ist für 162 Milliarden kWh Strom Braunkohle verfeuert worden. Das ist in der Tat der höchste Wert seit 1991. 1990 waren es sogar 170 Milliarden kWh. Das ist absolut zu viel.