Protokoll der Sitzung vom 24.01.2014

Schauen wir mal genauer hin, wer in Niedersachsen wirklich befreit ist! Darunter befinden sich Branchen, die eben nicht im internationalen Wettbewerb in der Form stehen. Die schon erwähnte Stahl- und Metallindustrie und die chemische Industrie tun das natürlich. Ein Drittel der Betriebe allerdings kommt aus der Fleischverarbeitung, der

Nahrungsmittelindustrie und der Futtermittelherstellung.

(Dr. Gero Hocker [FDP] meldet sich)

Meine Damen und Herren, stehen auch Schlachthöfe im internationalen Wettbewerb? Sind die stromintensiv? - Fleischverarbeitung lässt sich nicht nach China verlagern.

Herr Kollege Bajus, darf ich Sie unterbrechen?

Ich erläutere das, und wenn dann noch jemand eine Zwischenfrage hat, sehen wir weiter.

(Zuruf von Dr. Gero Hocker [FDP])

Das hat sich erledigt. Es gibt keine Zwischenfrage.

Hier handelt es sich eben nicht um einen internationalen, sondern um einen mitteleuropäischen Wettbewerb. Betriebe in Cloppenburg und im Emsland konkurrieren mit denen in den Niederlanden und in Dänemark. Und im europäischen Binnenmarkt brauchen wir natürlich faire Wettbewerbsbedingungen, faire Löhne und faire Energiepreise.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deswegen geht die Europäische Kommission gegen die Besondere Ausgleichsregelung vor. Das ist eine Reaktion auf Beschwerden aus unseren Nachbarländern. Niederländische Unternehmen haben sich über die Sonderbehandlung der deutschen Mitbewerber beschwert, die ihren Strom konkurrenzlos billig beziehen, und das ist doch wohl nachvollziehbar!

Für einige Industriebranchen allerdings ist diese Ausnahme die Regel geworden. Deswegen, meine Damen und Herren, tragen Sie von Schwarz-Gelb in der Bundesregierung die Verantwortung dafür, dass wir in Deutschland jetzt derartig unter Druck geraten sind, dass die Arbeitsplätze auch der industriellen Kernbranchen unter Druck geraten sind und dass sich diese Branchen Sorgen machen müssen, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Es gibt doch diese Unternehmen, die wirklich energieintensiv sind. Hier galt lange die von Jürgen Trittin vorgegebene Grenze von 10 GW jährlich. Das ist auch nach wie vor ein guter Orientierungswert und eben nicht nur 10 % davon, wie bei Ihnen.

Gleichzeitig muss doch klar definiert werden, welche Branchen durch die Energiekosten tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Vor allen Dingen muss der Missbrauch mit der Besonderen Ausgleichsregelung beendet werden. Es kann nicht sein, dass einzelne Unternehmen Festanstellungen kündigen und durch Werkverträge ersetzen, um durch diese arbeitnehmerfeindliche Trickserei die Kriterien der Ausnahmeregelung zu erfüllen. Das sind gerade die von mir angesprochenen Branchen, also die Lebensmittelverarbeitung und die Schlachtbetriebe.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die derzeitige Befreiungspraxis muss also zügig korrigiert werden, um wieder Rechtssicherheit zu schaffen und niedersächsische Unternehmen vor Nachzahlungsforderungen zu schützen. Wir werden die Industrieprivilegien reduzieren, und dies wird auch dämpfende Wirkung auf die EEG-Umlage haben. Diese Maßnahme ist am Ende deutlich strompreiswirksamer, als den Ausbau der Erneuerbaren gewaltsam abzuwürgen.

Meine Damen und Herren, Berlin braucht nicht zu warten. Es ist Zeit zum Handeln. - Wir sind dafür bereit.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Bajus. - Das Wort hat jetzt für die Landesregierung Herr Minister Lies.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich dachte, das wäre Energiepolitik!)

Bitte?

(Gabriela König [FDP]: Das war keine Kritik, sondern nur der Ausdruck von Verwunderung!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist es dank seiner international wettbewerbsfähigen Industrie besser gelungen, durch die Krise zu kommen, als vielen anderen Ländern. - Deshalb ist es also auch Wirtschafts- und Industriepolitik.

Das hat übrigens auch die EU-Kommission erkannt. Wir haben das gerade schon gehört. Deswegen hat die EU-Kommission im Herbst 2012 festgelegt, dass der Industrieanteil in Europa von 16 wieder auf 20 % steigen soll. Ich glaube, das ist ein Beleg dafür, dass Deutschland an der Stelle nicht nur auf dem richtigen Weg ist, sondern auch Vorreiter ist.

Dieses Ziel begrüßt die Landesregierung ausdrücklich. Daher haben wir mit noch größerem Unverständnis wahrgenommen, dass die EU-Kommission ein Prüfverfahren eingeleitet hat; denn dieses Verfahren und mögliche Auswirkungen wären eine ernste Bedrohung für den Erhalt der Industrie und damit auch für die Ziele, die die Kommission ja sozusagen in den Mittelpunkt ihres Ansinnens gestellt hat.

Darüber hinaus - das will ich betonen - ist die Privilegierung nach unserer Auffassung überhaupt keine Beihilfe, sondern sie ist ein Ausgleich einer Mehrbelastung, nämlich der EEG-Umlage. Vergleichbare Belastungen anderer Marktteilnehmer innerhalb und außerhalb Europas liegen damit im Vergleich deutlich niedriger.

Wir werden also zusammen mit der Bundesregierung alles tun, damit dieses Beihilfeverfahren möglichst schnell eingestellt wird - insbesondere natürlich auch, um größeren Schaden von Unternehmen abzuwenden und damit auch möglichst unverzüglich die Investitionssicherheit wiederherzustellen. Das ist, glaube ich, das, was wir alle in Gesprächen erfahren. Internationale Investitionsentscheidungen werden ja nicht mehr vor Ort getroffen, sondern in vielen Fällen in anderen Ländern. Deswegen ist der Blick auf Deutschland und auf die Auswirkungen besonders intensiv. Das Vertrauen der Unternehmen in langfristig belastbare politische Entscheidungen ist eben eine wesentliche Voraussetzung für Investitionen, gerade in Deutschland.

Auch wenn wir das EEG und die Besondere Ausgleichsregelung nicht für eine Beihilfe halten, so wollen wir doch die Verständigung mit der EUKommission suchen, um diesen Konflikt heute und auch zukünftig zu vermeiden.

Ich glaube, an der Stelle kann man sagen, dass wir Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel dafür sehr dankbar sind, dass er diesen Weg geht. Das werden wir mit ihm gemeinsam machen. Wir brauchen eine Lösung bis zum Sommer, weil wir nicht mehr ewig Zeit haben. Wir brauchen eine Lösung für die Unternehmen in unserem Land. Darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Hocker, Sie sagen: Naja, deswegen ist das EEG ja gänzlich aufzulösen, und deswegen will Herr Sigmar Gabriel es ja völlig verändern. - Nein, der Kern des EEG ist und bleibt der Ausbau der Erneuerbaren.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Aber das ist ja gerade das Problem!)

Und dies ist ein guter und ein erfolgreicher Kern. Das ist übrigens ein Beleg für rot-grüne Zukunftspolitik, die schon vor Jahrzehnten gemacht wurde und die wir fortsetzen. Das ist, glaube ich, das klare und richtige Signal.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Stefan Birkner [FDP] meldet sich)

Herr Minister, darf ich Sie unterbrechen? - Herr Dr. Birkner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Ja, klar.

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Was würden Sie denn nach Ihrem Verständnis als Kern des EEG beschreiben? Was sind die wesentlichen Merkmale, die unverändert bleiben müssten?

Das habe ich gerade versucht zu sagen. Der Kern des EEG ist der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, d. h. es muss auch weiterhin Kern des EEG sein, dass das Stauchungsmodell, wie wir es fordern, für die Offshorewindindustrie verlängert wird, und dass wir dafür sorgen, dass der Ausbau der Windenergie an Land weiter vollzogen wird.

Das ist der Kern des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Das ist erfolgreiche rot-grüne Energienpolitik, die wir seit Jahrzehnten machen und fortsetzen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber natürlich ist das EEG reformbedürftig. Jetzt will ich daran erinnern, wer einen großen Teil der Verantwortung dafür trägt, dass wir genau diese Debatte in der EU-Kommission haben. Ein wesentlicher Bestandteil ist nämlich die erhebliche Ausweitung der Befreiung. Es hat keine geringe, sondern eine überproportionale Ausweitung stattgefunden. Sie hat in Zeiten der schwarz-gelben Bundesregierung stattgefunden. Das ist ein wesentlicher Teil der Verantwortung und Grund, warum wir uns heute Sorgen um den Bestand der Industrie in unserem Land machen müssen. Das ist, glaube ich, eine klare Botschaft, die Sie auch annehmen sollten. Das verantworten die, die die letzen vier Jahre dieses Land regiert haben und die das in erheblicher Weise ausgeweitet haben.

Deswegen brauchen wir die Reform - mit Augenmaß, weil wir nicht die gesamte Befreiung kippen dürfen und kippen wollen, sondern weil wir dafür sorgen müssen, dass vor allem die energieintensiven Betriebe weiterhin die Chance haben, zu investieren und hier Bestand zu haben. Das ist die Politik, die wir uns vorstellen.

Gleichzeitig soll aber auch der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien - das ist sozusagen der Kern - geschehen. Deswegen bleibt unsere Forderung - ich will sie wiederholen -, dass das Stauchungsmodell für den Ausbau der Offshorewindindustrie genauso in das Eckpunktepapier bzw. in die Umsetzung kommt, wie es in der Koalitionsvereinbarung verhandelt wurde.

Wir brauchen die Sicherheit für Investitionen. Wir brauchen die Verlängerung des Stauchungsmodells für die nächsten beiden Jahre. Das schafft Sicherheit, das schafft Investitionen, das schafft Arbeitsplätze, und das schafft den Weg in ein Erneuerbare-Energien-Zeitalter in Deutschland. Deshalb ist das so wichtig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zur Windenergie an Land: Kaum eine Energieform trägt mit geringeren Kosten dazu bei, dass wir genau diesen Umstieg finden.

Sie nennen immer wieder die Zahlen. Spannend ist doch der Blick nach England. Dort wird noch - warum auch immer - Kernenergie ausgebaut, mit einer garantierten Einspeisevergütung von 12 Cent übrigens. Wir schaffen es, Onshorewindenergie für unter 8 Cent zu produzieren. Wir werden es schaffen, Offshorewindenergie für unter 11 Cent zu produzieren. Das - und das will ich an dieser Stelle betonen - ist der Beleg dafür, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz in einer vernünftigen Form im Einklang mit der industriellen Entwicklung in Deutschland steht.

Nur wenn wir es schaffen, auf Dauer bezahlbare Energie in unserem Land zu haben, werden wir den Industriestandort Deutschland sichern. Das werden wir nicht schaffen, wenn wir am Ende immer abhängig von Rohstoffen sind, die wir einkaufen müssen, also von Erdgas, von Erdöl. Das schaffen wir dann, wenn wir grenzkostenfreie Energie haben. Die haben wir vor allem über die Windenergie. Deswegen setzt diese Landesregierung im Einklang mit dem Bundesenergieminister darauf, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz behutsam verändert wird, dass der Ausbau der Erneuerbaren weiter voranschreitet und dass wir den Industriestandort Deutschland sichern. Das gehört zusammen, das passt zusammen, und das ist rot-grüne Wirtschafts- und Energiepolitik.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)