Protokoll der Sitzung vom 13.03.2013

Ganz aktuell sprechen wir über Vorkommnisse - so will ich das zurückhaltend formulieren - im Bereich Pferdefleisch, im Bereich der Überbelegung von

Legehennenställen und im Bereich des Schimmelpilzgiftes Aflatoxin.

Nun mag es Leute geben - diesen Eindruck haben wir in der letzten Agrarausschusssitzung gewonnen -, die diese Vorkommnisse für Normalität halten, die es für normal halten, dass Pferdefleisch in der Lasagne verarbeitet wird, die glauben, dass eine gewisse Überbelegung bei Legehennen kaum zu vermeiden sei, und die vielleicht auch denken, dass sich Schimmelpilzgifte durchaus in Maislieferungen finden lassen dürfen.

Wir, meine Damen und Herren, sehen das anders. Wir werden in der Tat zwar - wie in anderen Bereichen des Lebens - keine totale Sicherheit garantieren können, aber trotzdem ist und bleibt es unsere Aufgabe, alles dafür zu unternehmen, um die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.

Dazu zählt aus unserer Sicht auch, dass Vergehen in diesem Bereich öffentlich gemacht werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Verbraucher haben ein Recht darauf zu erfahren, wenn die Lebensmittel, die sie zu sich nehmen, verunreinigt und falsch deklariert sind oder Ähnliches.

Ein Recht auf Transparenz haben auch die unzähligen Erzeuger, die sich an Recht und Gesetz halten und zu solchen Vorkommnissen gerade nicht beitragen, sondern sich bemühen, nach Kräften wirtschaftlich am Markt bestehen zu können, meine Damen und Herren.

Deshalb wollen wir im Interesse dieser Gruppen auch in Zukunft in diesem Bereich alles das öffentlich machen, was öffentlich gemacht werden kann.

Wir sind sicher, dass das als Zeichen an die Verbraucher, die neues Vertrauen schöpfen können, an die ehrlichen Erzeuger - ich habe sie gerade genannt - und auch an die Gruppe derer, die gelegentlich mit dem Gedanken spielen, ein paar Legehennen zu viel aufzustallen und vielleicht eine andere Fleischsorte zu verarbeiten als die, die eigentlich deklariert ist, um so Kosten einzusparen und Gewinne zu maximieren, verstanden werden wird.

Das ist die Absicht der neuen Landesregierung, meine Damen und Herren. Ich bin sicher, dass dieses Zeichen verstanden werden wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bisher gab es ganz offenkundig eine andere Schwerpunktsetzung. Ich will in diesem Zusammenhang nur eine Frage formulieren, warum die Öffentlichkeit in Sachen Legehennen nicht bereits im Herbst des letzten Jahres über die Überbelegung informiert worden ist. Man könnte fast annehmen - Sie müssen diese Frage vielleicht für sich selbst beantworten -, dass es einen gewissen Zusammenhang mit einer bevorstehenden Landtagswahl gegeben haben könnte, meine Damen und Herren.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Es sind auch Biobetriebe dabei!)

- Die Leier mit den Biobetrieben kommt ja immer wieder. Sie versuchen sofort wieder, eine bestimmte Gruppe sozusagen herauszupicken und diese dann öffentlich zu brandmarken.

(Gabriela König [FDP]: Das muss man doch mal sagen! Das ist doch die Wahrheit!)

Wir wollen die gleichen Voraussetzungen für alle, und wir wollen sichere Lebensmittel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das wollen wir auch!)

Ich bin sicher, dass wir, wenn wir durch bessere und stärkere Kontrollen das Misserfolgsrisiko derer, die sich eben nicht regelkonform verhalten wollen, steigern, auch das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher steigern und am Ende den Agrarstandort Niedersachsen stärken, meine Damen und Herren. Das ist das Zeichen, das wir setzen wollen.

Ich bin auf bessere Kontrollen eingegangen. Aus unserer Sicht gehört aber noch etwas dazu, wenn man eine größere Lebensmittelsicherheit erreichen will, meine Damen und Herren. Es bedeutet auch, Anreize für regional erzeugte Produkte zu schaffen. Das hat den Vorteil, dass es keine Warenströme um die halbe Welt mehr gibt und Maislieferungen nicht mehr aus Serbien kommen müssen, wenn genauso gut - jedenfalls in Teilen - hier produziert werden könnte.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: In Tei- len!)

Für die Erzeuger hat das den Vorteil, dass sie eine viel stärkere Bindung an die Kunden haben. Wir wissen, dass der Verbraucher den Erzeuger bei allen regionalen Produkten quasi kennt und der

Erzeuger deshalb einem stärkeren Druck ausgesetzt ist, sich regelkonform zu verhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb wollen wir diesen Bereich nachhaltig stärken. Wir sind sicher, meine Damen und Herren, dass wir damit den Agrarstandort Niedersachsen stärken können. Niedersachsen muss und soll Agrarland Nummer eins bleiben. Das gilt aber eben nicht nur für Größe und Menge, sondern, meine Damen und Herren, auch für Qualität. Deshalb sind Sie eingeladen, sich an dieser neuen Agrarpolitik zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die CDU hat das Wort Herr Oesterhelweg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So einfach kann die Welt sein, Herr Kollege Siebels: Alles klar; die alte konventionelle Agrarpolitik ist schuld an den Lebensmittelskandalen, und diese Skandale sind symptomatisch für das bestehende System - so interpretiere ich große Teile Ihrer Rede, lieber Herr Kollege -, und das ist völlig falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zustimmung bei der CDU)

Das, was wir hier an Skandalen und auch - ich sage das einmal ganz bewusst so - an Schweinereien - ich kann mir vorstellen, dass dieses Wort unparlamentarisch ist - zur Kenntnis nehmen müssen, ist nicht die Normalität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Gerd Held schreibt in der Welt vom 4. März - ich zitiere -:

„Die Herstellung unserer Lebensmittel muss besser kontrolliert werden. Aber das kann nur gelingen, wenn wir die verschiedenen Aspekte der jüngsten Skandale nicht vermengen.“

Ein anderer Kollege schreibt am 19. Februar - ich zitiere -:

„Für Wahlkampf- und Talkshow-Zwecke aber wird die Agrarkritik wie Hackfleisch zusammengerührt. Dann geht es leicht in einer

Satzgirlande um Käfighaltung, Pestizide, Afrika, Lasagne und die Mafia…“

Und hinter all dem Übel der Welt steht natürlich die Agrarindustrie.

Meine Damen und Herren, ich zitiere weiter:

„Der Anti-Agrar-Populismus ist aber selbst ein Grund für die Verunsicherung. Die teils hysterische Kritik und übertriebene Skandalisierung scheint“

- das habe ich eben wieder gehört -

„zum Selbstzweck zu werden.“

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben völlig unterschiedliche Sichtweisen auf die Agrarpolitik und diese Skandale, die man auch „Skandale“ nennen muss - da gibt es überhaupt keinen Zweifel -: Sie stellen die Systemfrage. Wir wollen konstruktiv am System arbeiten und das bewährte System verbessern, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Bei aller Kritik an diesen Skandalen ist eines klar: In Deutschland und in Niedersachsen gab es nie vielfältigere und bessere Lebensmittel als heute. Es gab sie nie reichhaltiger und preiswerter; manchmal sind sie sogar zu preiswert. Und - auch das sage ich -: Nie waren die Lebensmittel in Deutschland sicherer als heute, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Welche neue Agrarpolitik meinen Sie eigentlich mit Ihrem Programm? - Meinen Sie die HardcoreVersion der Grünen, den Systemwechsel 2.0, wie ihn der jetzige Minister einmal genannt hat, oder meinen Sie die sogenannte sanfte Agrarwende? Oder meinen Sie gar das, was wir in NordrheinWestfalen seit einiger Zeit beobachten, wo ja alles gut ist, komischerweise aber gleichwohl Aflatoxin in den Kreislauf gekommen ist. So einfach ist es nicht, meine Damen und Herren. Sie sind ja noch in der Selbstfindung! Was ist eigentlich die neue Agrarpolitik?

Angesichts der Zahlen, die ich hier gehört habe, bin ich sehr erstaunt. Wie definiert sich denn Ihre neue Agrarpolitik, die zu mehr Verbraucherschutz führen soll? - Ich bin sehr erstaunt über die 600 Milchkühe, über die der Minister hier sehr oft gesprochen hat. Wenn man das umrechnet, wären es

6 000 bis 7 000 Ziegen. Das habe ich früher noch ganz anders gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Ökolandbau an sich garantiert eben nicht bessere Lebensmittel. Björn Försterling hat vorhin gerade von Chips mit gewissen Rückständen gesprochen. Darauf möchte ich jetzt aber nicht weiter eingehen. Wir brauchen eine lückenlose Aufklärung. Auch wir wollen diese Vergehen öffentlich machen. Auch wir wollen eine vernünftige Produktkennzeichnung. Wir wollen wissen, woher Produkte kommen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ihr seid ja voll auf unserer Seite!)