Die Landesregierung hat deshalb zu jeder Zeit zum Ziel, Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes personell und sachlich so auszustatten, dass sie ihrer Pflicht zur umfassenden Aufklärung der materiellen Wahrheit im Strafverfahren nachkommen und so das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit verwirklichen können.
In unserem Rechtsstaat sind Wahrheit und Gerechtigkeit aber nicht um jeden Preis zu erlangen. Das Rechtsstaatsprinzip erfordert ein Verfahren, in dem die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten geachtet werden. Dazu gehört insbesondere die Menschenwürde, aber auch die allgemeine Handlungsfreiheit. Diese Grundrechte werden nur in einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren gesichert.
Zu Frage 1: Am Sonntag, dem 9. Februar 2014, hat Ministerpräsident Stephan Weil Hinweise darauf erhalten, dass für die Mandatsniederlegung von Sebastian Edathy andere als die von ihm genannten gesundheitlichen Gründe maßgeblich gewesen sein können.
Über die konkreten Ermittlungsschritte der niedersächsischen Justiz ist Ministerpräsident Weil am Montag, dem 10. Februar 2014, unterrichtet worden. Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel hatte den Chef der Staatskanzlei, Dr. Jörg Mielke, an diesem Tag informiert. Dieser wiederum hat Ministerpräsident Weil über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt.
Ich selbst habe zum ersten Mal von einem Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Edathy im Zusammenhang mit Kinderpornografie durch Herrn Staatssekretär Scheibel am 29. Januar 2014 Kenntnis erlangt. Herr Staatssekretär Scheibel war am selben Tag seinerseits mündlich vom stellvertretenden Abteilungsleiter der Abteilung IV des Justizministeriums von einem Ermittlungsverfahren unterrichtet worden. Der stellvertretende Abteilungsleiter hatte die Information fernmündlich vom Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig empfangen, der der
Generalstaatsanwaltschaft Celle vorsteht. Einzelheiten zum Verfahren wurden bei dieser Gelegenheit nicht berichtet.
Am 10. Februar 2014 habe ich Details zum Tatvorwurf und Stand des Ermittlungsverfahrens einem schriftlichen Bericht der Generalstaatsanwaltschaft Celle entnommen, der am selben Tag beim Justizministerium eingegangen war.
Herr Minister Pistorius wurde in der zweiten Oktoberhälfte vom Polizeipräsidenten Kruse über ein bundesweites Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert, in das möglicherweise auch das niedersächsische Bundestagsmitglied Sebastian Edathy involviert sei. Einzelheiten wurden ihm dabei nicht mitgeteilt.
Sämtliche weitere Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung haben erstmals in der Folge des 10. Februar 2014 von den Vorgängen, die zur Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy führten, aus Medienberichten erfahren. Herr Minister Wenzel hat von den Vorgängen erstmals aus der Presse erfahren. Herr Minister Schneider hat - aus der Erinnerung heraus - von dem Vorgang erstmals am 11. Februar aus den Medien erfahren. Frau Ministerin Rundt hat - aus der Erinnerung heraus - von den Vorgängen erstmals am 10. oder 11. Februar aus der Presse erfahren. Frau Ministerin Heinen-Kljajić hat von den Vorgängen erstmals mit Beginn der Berichterstattung in den öffentlichen Medien erfahren. Frau Ministerin Heiligenstadt hat - aus ihrer Erinnerung heraus - von den Vorgängen erstmals am 11. Februar aus der Presse erfahren. Herr Minister Lies hat von den Vorgängen erstmals am 11. Februar 2014 aus der Presse erfahren. Herr Minister Meyer hat von den Vorgängen erstmals am 11. Februar 2014 aus der Presse erfahren
Zu Frage 2: In Kanada wurde seit 2010 von den dortigen Behörden unter der Bezeichnung „Operation Spade“ ein Ermittlungsverfahren gegen ein Unternehmen geführt, das Filmmaterial von nackten oder weitgehend unbekleideten vorpubertären Kindern in fast 100 Staaten verkauft hatte. Hieraus erhielt das Bundeskriminalamt umfangreiches Datenmaterial, das über 800 deutsche Kunden betraf.
Nach Auswertung und Individualisierung der Besteller wurden am 15. Oktober 2013 alle 16 Landeskriminalämter um Mitteilung personenbezogener Erkenntnisse zu 136 Personen gebeten. Das Landeskriminalamt Niedersachsen leitete die ihm zugegangenen und Personen in Niedersachsen
Darunter befand sich erstmalig auch eine Erkenntnisanfrage bezüglich des damaligen Bundestagsabgeordneten Edathy, die an die Polizeiinspektion Nienburg weitergeleitet wurde. Diese unterrichtete sogleich telefonisch die ihr vorgesetzte Polizeidirektion Göttingen über das vorliegende Ermittlungsersuchen. Diese wiederum informierte zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt in der zweiten Oktoberhälfte den niedersächsischen Innenminister.
Am 21. Oktober 2013 erhielt die Generalstaatsanwaltschaft Celle per E-Mail von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität - eine Mitteilung über das von dem BKA bearbeitete Verfahren sowie den Hinweis, dass einer der Beschuldigten der damalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy sei.
Die diesen betreffenden Akten gingen bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle am 31. Oktober 2013 ein. Noch am selben Tag unterrichtete der Generalstaatsanwalt den leitenden Oberstaatsanwalt in Hannover, zu dessen Behörde auch die niedersächsische Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften gehört, über den Verdachtsfall.
Die Akten, bestehend aus einem Hauptband und einem Sonderheft, erreichten die Staatsanwaltschaft in Hannover am folgenden Dienstag. Am 29. Januar 2014 berichtete der Generalstaatsanwalt telefonisch dem zuständigen Referatsleiter und stellvertretenden Abteilungsleiter im Niedersächsischen Justizministerium von dem Verfahren und der Absicht, den Präsidenten des Deutschen Bundestages über das Verfahren zu informieren sowie Durchsuchungsbeschlüsse zu erwirken. Dieser informierte noch am selben Tag den Staatssekretär im Justizministerium.
Am 10. Februar 2014 unterrichtete das Landeskriminalamt Niedersachsen erstmals das zuständige Referat im Innenministerium, das seinerseits den Landespolizeidirektor und den Landespolizeipräsidenten informierte.
An diesem Tag fanden auch Durchsuchungsmaßnahmen statt, wobei sich ein Reporter, der aus bislang ungeklärter Quelle von dem Durchsuchungstermin erfahren hatte, Zutritt zu dem betreffenden Grundstück verschafft und unerlaubt foto
grafische Aufnahmen gefertigt hatte. Wegen dieses Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 12. Februar 2014 auf eine Strafanzeige des Verteidigers des Beschuldigten Edathy vom Vortag hin das Verfahren 1141 UJs 11665/14 eingeleitet.
Am 12. Februar 2014 ging beim Präsidenten des Deutschen Bundestages die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Hannover über die beabsichtigte Einleitung von Ermittlungen gegen Herrn Edathy vom 6. Februar 2014 ein. Wegen der ungewöhnlichen Laufzeit, des Umstandes, dass sich das Schreiben in einem geöffneten Umschlag der Citipost befand, der seinerseits im Umschlag eines anderen Dienstleisters steckte, und des daraus resultierenden Verdachts, dass daraus Informationen weitergeleitet worden sein könnten, führt die Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 1141 UJs 13155/14 ein Ermittlungsverfahren, das am 17. Februar 2014 von Amts wegen eingeleitet worden ist.
Am 13. Februar 2014 wurde der Staatsanwaltschaft aus Pressemeldungen bekannt, dass der damalige Innenminister Friedrich den SPD-Vorsitzenden Gabriel bereits im Oktober 2013 über mögliche Ermittlungen gegen Herrn Edathy informiert habe, woraufhin im Anschluss mehrere SPDSpitzenpolitiker den höchst vertraulichen Inhalt erfahren haben sollten. Wegen dieses Sachverhalts ist das am 19. Februar 2014 eingeleitete Ermittlungsverfahren 1141 UJs 14464/14 anhängig.
Am 18. Februar 2014 erfuhrt die Staatsanwaltschaft Hannover aus einem Schreiben des Präsidenten der Bundespolizeidirektion Berlin, dass der Beschuldigte Edathy am 12. Februar beim Bundestag den ihm von dort zur Verfügung gestellten Laptop als gestohlen gemeldet hat. Wegen dieses Sachverhalts ermittelt die Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 3714 UJs 14319/14.
Zu Frage 3: Unabhängig von der Frage, ob das unter Ziffer 3 aufgeführte Zitat von Vizekanzler Gabriel vom Fragesteller zutreffend wiedergegeben wurde, ist es nicht Aufgabe der Niedersächsischen Landesregierung, die in der Angelegenheit Sebastian Edathy vertretenen Auffassungen von Mitgliedern des Bundeskabinetts oder von Parteivorsitzenden zu bewerten.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir kommen jetzt zu den Zusatzfragen. Ich gehe davon aus, dass sich bislang alle Meldungen zu einer Zusatzfrage auf Tagesordnungspunkt 13 a beziehen. Sie wissen, das gleich auch noch Tagesordnungspunkt 13 b ansteht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Niewisch-Lennartz, vor dem Hintergrund, dass Sie gestern in der Aktuellen Stunde gesagt haben, dass es keinen Anlass für ein Eingreifen gegen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover gebe, frage ich die Landesregierung: Wie bewerten Sie den Umstand, dass der Staatsanwaltschaft Hannover am 5. November 2013 die notwendigen Informationen vorlagen, um sofort das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Edathy einzuleiten, zu eröffnen und einen Antrag auf Durchsuchung zu stellen? So - so meldet es jedenfalls die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 23. Februar - haben es andere Staatsanwaltschaften gemacht. Wie bewerten Sie diesen Umstand?
Herr Nacke, es handelt sich dabei um Details aus dem Ermittlungsverfahren. Deswegen kann ich darauf nur in dem Umfang antworten, in dem auch der leitende Staatsanwalt Fröhlich in seiner Pressekonferenz geantwortet hat.
Es ging darum - ich hatte eigentlich gehofft, dass das durch meinen gestrigen Vortrag schon deutlich geworden ist -,
dass auch eine ganze Reihe anderer Verfahren - Niedersachsen betreffend - bei der Staatsanwaltschaft Hannover erwartet wurden. In der Staatsanwaltschaft Hannover wollte man das Verfahren Edathy erkennbar weder vor- noch nachziehen, sondern in diesem Verfahren wollte man einheit
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Die Frage ist nicht ansatzweise beantwor- tet worden! Sie kommen Ihrer Aus- kunftspflicht gegenüber dem Parla- ment nicht nach!)
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt, ebenfalls von der Fraktion der CDU, der Abgeordnete Ulf Thiele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Justizministerin uns gerade in einer chronologischen Abfolge erläutert hat, dass der Ministerpräsident am 9. Februar davon Kenntnis erlangt haben will, dass es andere als gesundheitliche Gründe geben könnte, dass Herr Edathy sein Mandat im Deutschen Bundestag niedergelegt hat, frage ich die Landesregierung, von wem und mit welchem genauen Inhalt der Ministerpräsident diese Kenntnis erlangt hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch Regierungssprecherin Pörksen auf Basis einer entsprechenden Presseanfrage.
Danke schön. - Die nächste Meldung für eine Zusatzfrage kommt von der Fraktion der CDU. Kollegin Ross-Luttmann, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bewertet die Landesregierung, dass der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover in der
„Aus unserer Sicht bestand kein Zeitdruck, keine Eile, weil das Verfahren aus unserer Sicht... niemandem außer der Strafverfolgungsbehörde bekannt war.“
War nach Ansicht der Landesregierung nicht spätestens dann Eile geboten, nachdem am 14. November 2013 die ersten Medien umfangreich über die Fahndungsergebnisse in Kanada berichteten und nachdem Ende November 2013 der Rechtsanwalt von Sebastian Edathy begann, Staatsanwaltschaften und LKA nach dem Verfahrenstand zu befragen?