Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

90/Die Grünen - Drs. 17/1113 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung - Drs. 17/1321 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/1342 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1382

Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU hat eine Annahme des Antrags in einer geänderten Fassung zum Ziel.

Der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom heutigen Tag hat eine Annahme des Antrags in einer anderweitig geänderten Fassung zum Ziel.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Um das Wort hat Herr Wirtschaftsminister Lies für die Landesregierung gebeten. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Entschuldigung, dass ich zu Beginn der parlamentarischen Debatte das Wort ergreife. Das soll keine Missachtung des Parlaments sein. Ich möchte vielmehr an dieser Stelle auf die Bedeutung dieses Tagesordnungspunktes und auf die Bedeutung der Entscheidung, die wir heute treffen, hinweisen.

Die aktuelle Situation, in der wir uns befinden, ist an Dramatik wohl kaum zu überbieten. Ich weiß nicht, wie viele - wohl unzählige - Gespräche wahrscheinlich wir alle - aber insbesondere auch die Landesregierung - in den letzten Wochen und Monaten - vor allen Dingen in den letzten Tagen und Stunden - zu der Frage geführt haben, wie es mit dem EEG-Beihilfeverfahren und damit mit den Arbeitsplätzen in unserem Land weitergeht.

Dabei sind unsere zwei Kernziele immer die Kernziele deutscher Politik für Europa gewesen, nämlich die Industrialisierung voranzutreiben und die CO2-Reduzierung dabei im Blick zu behalten. Ich glaube, diese Ziele werden wir auch weiterhin nicht aus den Augen verlieren.

Aber gerade das Beihilfeverfahren macht im Hinblick auf die Sicherheit der Unternehmen deutlich, dass etwas passieren muss. Die 240 Unternehmen in Niedersachsen, die an der teilweisen oder völligen Befreiung partizipieren, sind in großer Sorge und haben sich natürlich an uns gewandt. Sie hoffen auf eine Lösung, und sie brauchen eine zeitnahe Lösung. Deswegen unterstützt die Niedersächsische Landesregierung die Bundesregierung ausdrücklich bei dem Vorhaben, die Besondere Ausgleichsregelung kurzfristig im Dialog mit der EU-Kommission weiterzuentwickeln und die größtmögliche Kohärenz zu erzielen, damit die zukünftigen Beihilfevorschriften und unsere bestehenden Regelungen Planungssicherheit für die Unternehmen gewährleisten.

An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank allen Handelnden, auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der derzeit in großer Intensität für die Belange der deutschen Wirtschaft und der deutschen Unternehmen unterwegs ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Niedersächsische Landesregierung gilt weiterhin, dass die Ausgleichsregelung eigentlich gar keine Beihilferegelung darstellt, sondern nur den Ausgleich von Mehrbelastungen für die Unternehmen aus dem EEG sicherstellt. Aber es macht wohl nur wenig Sinn, lange zu verhandeln und auf Kompromisse zu hoffen, die womöglich nicht kommen. Jetzt brauchen wir Lösungen, jetzt brauchen wir Sicherheit, jetzt brauchen wir Gewissheit für die Unternehmen in unserem Land.

Die uns vorliegenden Informationen und das uns vorliegende Papier zeigen, dass die Forderung nach höherem Vertrauensschutz eindeutige Fortschritte erkennen lässt. Die Dynamik im gesamten Verfahren ist allerdings immer noch riesengroß, womit noch immer eine große Unsicherheit hinsichtlich der Ergebnisse für unsere Unternehmen in Niedersachsen besteht.

Deswegen ein paar Punkte zu dem Papier, das uns aktuell vorliegt: In Niedersachsen sind 240 Unternehmen zurzeit ganz oder teilweise von der EEG-Umlage befreit. Diese haben wir angeschrieben und über die Eckpunkte des momentan aktuellen Entwurfs informiert. Natürlich wollten wir von ihnen auch hören, welche Auswirkungen sie von den sich abzeichnenden Änderungen bezüglich der Stromkosten und hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit erwarten.

Inzwischen liegt uns eine Sektorenliste vor - in diesem Bereich erleben wir derzeit Veränderungen -, in der Branchen benannt werden, die auch zukünftig begünstigt sind. Aber es soll auch unternehmensspezifische Kriterien geben, nämlich die Stromintensität - mindestens 25 % - und eine entsprechend hohe Außenhandelsintensität. Auch diese Kriterien sollen eine Grundlage für eine Begünstigung sein, und zwar unabhängig von den Branchen, die in der Sektorenliste angegeben sind.

(Unruhe)

Moment bitte, Herr Minister! - Ich darf um etwas Ruhe bitten! Gespräche, die noch geführt werden müssen, können ja außerhalb des Plenarsaals geführt werden. - Sie können jetzt fortfahren.

Danke, Frau Präsidentin.

Aber auch das vorliegende Ergebnis schafft noch keine Ruhe. Die Begünstigung wird auf 20 % der EEG-Umlage begrenzt, nach heutigem Stand rund 1,2 Cent pro Kilowattstunde. Ich will daran erinnern, dass die meisten Unternehmen in der Vergangenheit nicht ganz befreit waren, sondern 0,05 Cent je Kilowattstunde bezahlt haben. Dort ergibt sich also eine erhebliche Auswirkung.

Trotzdem ist es gelungen, eine Grenze einzuführen, sodass die EEG-Umlage maximal 5 % der Bruttowertschöpfung betragen darf. Bei besonders stromintensiven Betrieben liegt die Grenze bei nur 2,5 % der Bruttowertschöpfung.

Das ist eigentlich ein Weg, auf dem wir Verbesserungen erreichen. Trotzdem ist es nur ein kleiner Fortschritt. Ich möchte an einem Beispiel festmachen, warum wir die Diskussion noch nicht abgeschlossen haben.

Uns liegt zwar eine Sektorenliste mit Branchen vor. Demnach können bestimmte Branchen von der neuen Regelung profitieren, während artverwandte Branche nicht in die Liste aufgenommen worden sind. Das gilt z. B. für den Agrarbereich. So kann die Kartoffelstärkeproduktion begünstigt werden, während die Kartoffelverarbeitung nicht begünstigt werden kann. Die Obstverarbeitung wiederum kann begünstigt werden.

Die Zuckerindustrie steht im Wettbewerb mit der Stärkeproduktion, kann aber nicht begünstigt werden - im Gegensatz zur Stärkeproduktionsindustrie. Auch das zeigt, dass wir noch einigen Regelungsbedarf haben und gemeinsam mit großem Nachdruck dafür sorgen sollten, dass die Branchen, die für Niedersachsen von großer Bedeutung sind, in die Liste aufgenommen werden, damit für diese Branchen auch weiterhin eine Begünstigung möglich ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es nicht nur um Einzellösungen. Diese werden wir heute nicht herbeiführen. Heute geht es darum - das ist mein Appell an die Fraktionen; ein gemeinsamer Antrag liegt schon vor -: Lassen Sie uns für ein gemeinsames, ein geschlossenes Signal sorgen! Das stärkt der Niedersächsischen Landesregierung in den Verhandlungen mit Berlin den Rücken. Aber das stärkt auch der Bundesregierung in den Verhandlungen mit Brüssel klar und deutlich den Rücken. Wir brauchen eine Lösung. Es geht uns um das Wohl der Unternehmen in Niedersachsen. Es geht uns aber auch um das Wohl der vielen Zehntausend Beschäftigten, die in diesen Branchen in Niedersachsen arbeiten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Für die SPDFraktion hat nun Frau Kollegin Emmerich-Kopatsch das Wort.

Vielen herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ihnen liegt ein ganz druckfrischer Antrag vor. Mein besonderer Dank geht an Herrn Bajus von den Grünen und Herrn Miesner von der CDU, die sich vorhin noch bemüht haben

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Wir waren nicht eingeladen!)

- bitte? -, einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen hinzubekommen. Das ist gelungen. Ich finde, das ist auch im Hinblick auf das wichtig, was Herr McAllister heute Morgen gesagt hat. Wenn es um Europa geht,

dann macht es schon Sinn, geschlossen aufzutreten, um unsere niedersächsischen Interessen zu vertreten. Auch wenn es der Bevölkerung vielleicht nicht so bewusst ist, hat dieses Beihilfeverfahren eine ähnlich hohe Bedeutung für Niedersachsen wie das Verfahren gegen das VW-Gesetz. Es stehen sehr viele industrielle Arbeitsplätze, je nachdem, wie entschieden wird, auf der Kippe. Insofern danke ich allen, die sich konstruktiv bemüht haben, etwas Gemeinsames hinzubekommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, offenbar geht die EU-Kommission auf die besonderen Belange Deutschlands in Bezug auf das EU-Beihilfeverfahren etwas mehr als bisher ein. Herr Kommissar Almunia hat die Bedeutung der Industrie für unsere Volkswirtschaft anerkannt und fordert nunmehr, in Anlehnung - das ist eigentlich bedenklich - an den noch nicht verabschiedeten Umwelt- und Energiebeihilferahmen die europarechtskonforme Novelle des EEG durchzuführen. Man müsste noch einmal genauer überlegen, ob etwas, was noch nicht verabschiedet ist, Grundlage sein kann.

Bemerkenswert ist - das hat Herr Lies schon gesagt -, dass es eine Liste mit denjenigen Branchen gibt, die auch zukünftig unter die Ausnahmeregelung fallen könnten. Gut finden wir, dass die Handelsintensität, also der Anteil, mit dem die Branchen ihre Waren außerhalb Europas handeln, mit in die Berechnungen einfließen wird. Alle anderen Parameter sind leider noch nicht genau fixiert, auch nicht, ob es zu Rückzahlungen für einige Unternehmen kommen wird. Das ist eigentlich ein unhaltbarer Zustand. Man kann sagen: Die Kommission bewegt sich, aber es gibt immer noch keine Lösung.

So gibt es noch keine Lösung für den Eigenbehalt. Herr Wirtschaftsminister Lies sagte gerade, dass aus unserer Sicht 20 % in der derzeitigen Situation nicht akzeptabel sind. Offenbar ist man auf dem Weg zu einem Kompromiss bei der Freistellung der Eigenstromversorgung, was für unsere Großbetriebe von besonderer Wichtigkeit ist. Aber die Materie ist so komplex, dass man demnächst vor einem riesigen Scherbenhaufen stehen kann, wenn man heute an der falschen Schraube dreht. Das müssen wir alle gemeinsam verhindern.

(Zustimmung bei der SPD)

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist ausdrücklich zu loben. Er hat in zahlreichen Gesprächen mit der Kommission unmissverständlich deutlich gemacht, wie wichtig die deutsche Industrie auch für Europa ist. Vorsorglich hat die Bundesrepublik Deutschland Klage gegen das Beihilfeverfahren eingereicht, falls keine Einigung erzielt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind - das haben wir oft genug gesagt - besser durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen als andere Staaten und konnten somit auch mehr Hilfe in Europa leisten, weil wir - Gott sei Dank - eine grundsolide industrielle Basis mit ihrer gesamten Wertschöpfungskette bei uns haben. Schließlich stellt die Industrie bei uns jeden siebten Arbeitsplatz und macht einen Umsatz von 190 Milliarden Euro, 45 % davon im Ausland. Damit das in Niedersachsen auch so bleibt, hat sich der Landtag mit der Problemstellung der Industrieunternehmen ausgiebig beschäftigt. Im Kern sind sich alle Parteien darin einig, dass die von der EU geforderte Novelle des EEG nicht dazu führen darf, dass die energieintensive Industrie zusätzlich belastet wird. Aus unserer Sicht ist die Befreiung von der EEGUmlage eben keine Subvention, sondern ein Nachteilsausgleich im internationalen, aber auch im innereuropäischen Wettbewerb, um damit ein Abwandern ganzer Branchen zu verhindern. Es ist keine Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das EEG im Kern geändert werden muss.

Besonders die falsche Entscheidung der Novellierung im Jahr 2012 durch den damaligen Bundesminister Rösler, wodurch die extreme Ausweitung und Ausnahmen zugelassen worden sind, hat eigentlich dafür gesorgt, dass wir heute mit diesem Beihilfeverfahren zu kämpfen haben. Unsere Unternehmen brauchen aber Planungssicherheit, auch für Investitionen, die bereits für dieses Jahr geplant waren, aber jetzt bis zur endgültigen Entscheidung aus Brüssel zurückgestellt worden sind - wir hoffen, nicht für immer. Dies gilt ausdrücklich auch für die Windenergiebranche, die ebenso verunsichert ist wie die Grundstoffindustrie. Einzelne Branchen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Belastbare, nachvollziehbare Entscheidungen sind ein ganz wichtiger Standortfaktor. Dabei kommt es in Deutschland auch und besonders auf den Strompreis an. Die USA werben im Moment bei unseren Betrieben um Standortverlagerung mit einem Angebot von 2,5 Cent je Kilowattstunde, auf 15 Jahre festgeschrieben. Da braucht man als

Unternehmen schon sehr gute Argumente, besonders wenn die Konzernleitung in den USA sitzt.

Die Besondere Ausgleichsregelung, um die es hier geht, ist im Referentenentwurf der Bundesregierung noch nicht enthalten. Deshalb sollten wir heute bekräftigen, worum es uns geht, nämlich um die Sicherung der Arbeitsplätze und den Erhalt der Industrie in Niedersachsen und Deutschland. Die EU muss wie wir ein Interesse daran haben, dass keine Schäden auftreten, und sie sollte sich vor allem nicht zu sehr in nationale Kompetenzen wie die Art und Ausgestaltung der Energiegewinnung einmischen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Industriekommissar Tajani spricht von einem Wiedererstarken der europäischen Industrie. Wir wollen dafür sorgen, dass einer starken Industrie nicht geschadet wird, und wünschen unseren Verhandlungsführern, Ministerpräsident Weil und Olaf Lies, dass sie unsere Anliegen am 1. April im Gespräch mit der Kanzlerin wirkungsvoll vertreten, sodass wir geschlossen in Brüssel auftreten, um Schäden abzuwenden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Miesner das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen Emmerich-Kopatsch und Bajus, die Einigung hätten wir eigentlich schon viel eher haben können. Wir hatten damals im Ausschuss schon angekündigt, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Trotzdem: Vielen Dank, dass Sie unsere Position in dem gemeinsamen Antrag mit darstellen wollen!

Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat in der vergangenen Woche aus den Gesprächen in Brüssel mit Vertretern der Landesvertretung und dem EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger, mitgenommen, dass Deutschland seine Stabilität seinen intakten und breiten Wertschöpfungsketten verdankt. Ich beziehe mich dazu auf die Salzgitter AG, die uns die Bedeutung der Industrie in Deutschland und damit in Europa verdeutlich hat.

Wohl wahr, denn kein anderes Land in Europa ist so gut durch die Krise gekommen wie Deutsch