Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Als Drittes möchte ich noch die verfahrensrechtlichen Sicherungen anführen. Dazu gehört für den Betroffenen eine rechtzeitige Ankündigung, sodass noch Rechtsschutz geltend gemacht werden kann, und sobald die Behandlung angeordnet worden ist, muss sie von einer neutralen Stelle geprüft und bestätigt werden.

Dazu möchte ich im Ausschuss noch gern darüber sprechen, ob wir den Richtervorbehalt wieder einfügen, und ein weiteres Thema wäre noch die Beratung durch die externe Stelle.

Uns allen muss nur klar sein: Das Gesetz lässt einen massiven Grundrechtseingriff zu. Zum Schutz der Betroffenen müssen wir alle genau festlegen, wann wir den Eingriff zulassen. Und noch einmal: Der Eingriff muss Ultima Ratio sein.

Zum Schluss möchte ich mich noch meinen Vorrednern anschließen: Ich halte eine Anhörung im Ausschuss ebenfalls für zwingend notwendig, damit wir das Gesetz gut und für die Betroffenen sicher auf den Weg bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von Filiz Polat [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Kollegin. Sie haben mich nicht einmal gezwungen, die letzte Minute einzuläuten. Vielen Dank für den Beitrag zur Zeiteinsparung.

Wenn Frau Ministerin uns nicht zurückwerfen will, dann hält sie sich an die Redezeit von vier Minuten, die der Landesregierung vorgegeben ist. Frau Ministerin Rundt, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich nicht erinnern, dass Ministerinnen und Minister dieses Parlament jemals zurückgeworfen hätten.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und der FDP - Björn Thümler [CDU]: Ständig! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das war vor Ihrer Zeit!)

- Natürlich nicht seit 2013. - Damit sind wir schon bei den Jahreszahlen. Im März 2011 gab es, wie eben erwähnt, das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Notwendigkeit zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes beinhaltete. Als wir im Februar 2013 die Regierung übernahmen, habe ich etwas spärliche und widerwillige Vorbereitungen zu einer solchen Gesetzesänderung vorgefunden. Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes vorgelegt.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie haben ein Jahr gebraucht und ein Jahr lang nichts getan!)

Wir haben bei den Diskussionen insbesondere nicht aus dem Auge verloren, dass es um die Grundrechte von erkrankten Menschen geht und dass in den Einrichtung in die Grundrechte von erkrankten Menschen deutlich zu ihrem Wohle eingegriffen werden soll. Regierungsverantwortung bedeutet auch, dass den Bediensteten in den Einrichtungen, die eine sehr schwere Arbeit mit psychisch Erkrankten leisten, Handlungssicherheit gegeben und ihnen auch der Rücken gestärkt werden muss.

Zukünftig wird bei den Entscheidungen über eine Zwangsbehandlung zwischen dem Recht der freien Selbstbestimmung und einer mangelnden Einsichtsfähigkeit der Betroffen abzuwägen sein. Zwangsbehandlungen sollen unter sehr engen Voraussetzungen zulässig sein.

Außerdem wollen wir das Gesetz an die Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Patientenverfügung anpassen. Ziel ist es immer, zu verhindern, dass Menschen, die nicht einsichtsfähig oder einwilligungsfähig sind, sich oder andere gefährden.

Gleichzeitig wollen wir dieses Gesetz, das noch in der Fassung von 1982 vorliegt, redaktionell an die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Rechtssprache durch Verwendung von geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen anpassen.

Wir werden Unstimmigkeiten des Wortlautes beseitigen und die Bezüge zu anderen Rechtsvorschriften aktualisieren.

Was die Kosten betrifft, so können wir diese nach der Änderung des Gesetzes im Jahr 2014 aus dem Haushalt erwirtschaften. Denn es geht zumindest überwiegend um Sachverständigenkosten. Ab dem Haushaltsjahr 2015 werden wir die erforderlichen Haushaltsmittel separat einsetzen.

Ich freue mich, dass alle Fraktionen den Gesetzentwurf für wichtig halten. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss und gehe davon aus, dass sie konsensorientiert sein werden. Ich denke, dass sowohl die betroffenen Menschen als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen dies verdient haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben wahrgemacht, was Sie in Ihrem Einleitungssatz angekündigt haben. Sie haben die Zeit unterschritten.

Meine Damen und Herren, damit beenden wir die erste Beratung zu diesem Gesetzentwurf und kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll, so empfiehlt es Ihnen der Ältestenrat, der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - so heißt er noch - befasst werden, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen.

Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Es war nicht ganz klar, aber die Zahl von mindestens 30 Stimmen wurde erreicht, die für eine Ausschussüberweisung benötigt wird. Diese Zahl wurde sogar deutlich überschritten.

Tagesordnungspunkt 4 ist damit abgeschlossen, und ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Änderung der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/1337

Zur Einbringung erteile ich Herrn Jens Nacke von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Wodurch erfolgt die tatsächliche Überwachung der exekutiven Gewalt? Die Regierungsfraktionen haben immer ein Interesse daran, ihre Regierung zu stützen und mögliche Kritik hinter verschlossenen Türen zu halten. Die Oppositionsabgeordneten haben genau das Gegenteil im Blick.“

Diese Sätze stammen nicht von mir, sondern von Professor Rolf Wernstedt, dem ehemaligen niedersächsischen Kultusminister und Präsidenten des Niedersächsischen Landtages, also einem Mann, der sowohl das Parlament als auch die Regierungsseite intensiv kennengelernt hat. Sie stam

men aus dem Aufsatz „Macht und Ohnmacht der Länderparlamente“, den er vor der Leibnizgesellschaft und der Juristischen Studiengesellschaft der Leibnizbibliothek Hannover am 27. Februar 2007 gehalten hat.

Recht ähnlich hat er sich eingelassen, als wir Herrn Professor Wernstedt anlässlich des 70. Geburtstages von Jürgen Gansäuer zu Gast hatten. Damals hat er vor dem Parlament seine Auffassungen noch einmal Revue passieren lassen.

Man kann es möglicherweise sogar etwas schärfer formulieren:

„Das Wichtigste an einem Parlament sind nicht die Regierungsfraktionen, sondern ist das Vorhandensein der Opposition.“

Auch dieser Satz stammt nicht von mir, sondern er stammt von Ursula Helmhold, gesprochen hier im Parlament am 19. Februar 2010. Man merkt daran deutlich: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Denn es ist schwierig - das will ich gerne einräumen -, aus der gleichen Zeit entsprechende Äußerungen von CDU und FDP zu finden, die zu jener Zeit die die Regierung tragenden Fraktionen waren. Frau Helmhold zitiert anschließend aus der Rede des Bundestagspräsidenten Lammert anlässlich der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages. Dort hat er gesagt:

„Umso wichtiger ist die Einsicht, dass die demokratische Reife eines politischen Systems nicht an der Existenz einer Regierung zu erkennen ist, sondern am Parlament und dort vor allem am Vorhandensein einer Opposition und ihrer politischen Wirkungsmöglichkeiten.“

Weiter liest man:

„Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung.“

Das ist ein bekannter Satz von Norbert Lammert.

Es ist reiner Zufall, dass wir gerade gestern Gelegenheit hatten, Norbert Lammert hier im Hause vor vielen hundert Gästen zuhören zu dürfen. Wer gestern dabei war, der hat die Liebe zum Parlamentarismus, aber auch den Anspruch, den Norbert Lammert an den Parlamentarismus stellt, erfahren können. Ich habe ihn so verstanden, dass die demokratische Legitimation einer Regierung hier im Parlament stattfindet, und zwar nicht allein dadurch, dass das Parlament den Ministerpräsidenten wählt, der dann seine Minister bestimmt,

sondern dadurch, dass die Regierenden gezwungen werden, hier im Hause ihre Ideen einer Überprüfung standhalten zu lassen. Hier im Haus müssen sie eine Debatte durchstehen. Regierungshandeln wird hier im Haus kritisiert und öffentlich gemacht, wenn wir das für erforderlich erachten.

Dass sich die Regierung dabei nicht immer wohlfühlt, liegt in der Natur der Sache. Das kann auch nicht der Anspruch eines Parlaments sein. Sie wissen, dass es oft genug auch meine Aufgabe war, sehr kritische Worte an die Regierung zu richten. Insofern danke ich Bernd Busemann ausdrücklich noch einmal für die Reihe „Parlamentsleben“, die es uns ermöglicht hat, gestern Norbert Lammert und auch andere sehr interessante Vorträge in dieser Reihe zu hören.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bevor ich etwas intensiver auf den Antrag eingehe, will ich ein letztes Zitat bringen. Es lautet:

„Intakt gehaltene Oppositionsrechte und eine in der Sache harte, aber politisch geführte Auseinandersetzung sind … die Voraussetzung für ein lebendiges Parlament und ein wichtiger Baustein für eine intakte Demokratie.“

So veröffentlicht in Thema im Landtag in der Ausgabe März 2010, eine Veröffentlichung der SPDFraktion vom 27. Februar 2010. Der Beitrag bezog sich auf die Debatte, aus der ich Frau Helmhold zitiert habe.

Damit Parlamentarismus seiner Aufgabe also nachkommen kann, wie David McAllister es uns heute Morgen auch noch einmal gesagt hat, damit dies der zentrale Ort der politischen Willensbildung in Niedersachsen ist - so hat er es formuliert -, benötigen wir Zeit und Raum. Das bedeutet, dass wir die Zeit, die wir für Plenartage vorsehen, auch mit den parlamentarischen Debatten, die wir für erforderlich halten, ausfüllen sollten. Die Einschränkung, die die Geschäftsordnung vornimmt - das ist ohne Zweifel, gar keine Frage, eine zulässige Einschränkung -, dient dazu, das Zeitmanagement einhalten zu können.

Parlamentarische Debatten dürfen nicht aus dem Ruder laufen. Wir hatten seinerzeit, als dieses Haus auf fünf Fraktionen angewachsen war, ein wenig die Sorge, dass dies passieren könnte. Wir haben deshalb gesagt: Wir wollen die Obergrenze der Zahl beschränken oder zumindest eine Beschränkung ermöglichen.

Wir haben aber auch eine Mindestzahl in die Geschäftsordnung eingeführt, die seitens der Fraktionen in dieses Haus eingebracht wurde, nämlich die Mindestzahl zwei. Jede Fraktion in diesem Haus hat einen Anspruch darauf, dass mindestens zwei Anträge zur ersten Beratung, also unmittelbar und zeitnah - das ist ja häufig der entscheidende Punkt bei dieser Frage -, in diesem Haus diskutiert werden können.

Die Mindestzahl von zwei Anträgen ist aber in der faktischen Umsetzung inzwischen zu einer Höchstzahl geworden. Es fanden keine Plenarabschnitte mehr statt, in denen wir von dieser Mindestzahl abgewichen sind. Vielmehr haben wir gesagt: zwei - und damit ist Schluss. - So agiert der Ältestenrat.