Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

und zwar qua Geburt, gemäß § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Ich denke, darüber sind wir uns doch auch einig. Sonst schlagen Sie es bitte noch einmal nach.

Frau Jahns, Sie haben den Koalitionsvertrag angesprochen, und ich vermute, dass Sie als Opposition ihn auch relativ gut studiert haben. Da heißt es klar und deutlich, dass wir uns dafür einsetzen werden, dass der Optionszwang abgeschafft wird. Und dazu stehen wir auch, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die SPD dafür kritisiert, dass das Ergebnis so ist, wie es im Koalitionsvertrag der Großen Koalition steht. Das kann man machen. Herr Boris Pistorius war in den Koalitionsverhandlungen dabei. Ich bin mir sicher, dass er dort sehr gut verhandelt hat, dass er gekämpft hat wie ein Löwe. Wir haben ihn hier nicht anders erlebt.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD: Bravo! - Lachen bei der CDU)

Aber unterschätzen Sie in dieser Frage bitte nicht die Borniertheit und Engstirnigkeit der CDU, meine sehr geehrten Damen und Herren. Daran kann man sich echt die Zähne ausbeißen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Das ist eine Beleidigung! Das nimmt er sofort zu- rück!)

Nun mal ganz ruhig! Sie müssen das Präsidium nicht zum Handeln auffordern. Das machen wir schon selbst.

Herr Kollege Onay, wir stehen hier hart an der Grenze zu einem Ordnungsruf. Es war kein Begriff, der in unserer Liste enthalten ist. Aber ich bitte Sie, sich in Zukunft parlamentarisch besserer Begriffe zu bedienen. Einer Fraktion Borniertheit vorzuwerfen, ist, glaube ich, nicht der richtige Umgang untereinander. Darauf möchte ich hinweisen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist ei- ne Tatsachenbeschreibung! - Unruhe)

Es gibt jetzt eine weitere Wortmeldung zu einer Kurzintervention, und zwar von dem Kollegen Watermann, SPD-Fraktion. Sie haben für 90 Sekunden das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Jahns, wir stehen zu dem, was wir verhandelt haben. Aber wir stehen nicht zu dem, was jetzt vom Bundesinnenminister vorgelegt worden ist - weil es nämlich nicht dem entspricht, was wir verhandelt haben. Wir haben verhandelt, dass der Optionszwang aufgehoben wird, und zwar ohne, dass irgendwelche Bedingungen erfüllt sein müssen. Und das haben wir auf Bundesebene auch klar und deutlich gesagt: dass wir das, was jetzt vorgelegt wurde, nicht mittragen können.

Frau Jahns, Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden, wie Sie das mit der Staatsbürgerschaft handhaben wollen. Geht es Ihnen darum, noch einmal zu selektieren, so wie es in Ihrem Redebeitrag anklang? Oder geht es Ihnen darum, dass die, die hier geboren sind und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, auch die türkische Staatsbürgerschaft behalten können? - Das ist übrigens das, was wir wollen, weil wir nicht zwischen den Guten und den Schlechten differenzieren möchten.

(Zuruf von Angelika Jahns [CDU])

Wir wollen, dass die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit bestehen bleibt. Das gehört für uns zur Willkommenskultur, und deshalb wollen wir den Optionszwang streichen. Aber das Ganze ist schlecht gemacht, und was schlecht gemacht wird, muss hier auch benannt werden dürfen. - Im Übrigen sollten Sie sich gelegentlich auch einmal an Ihre eigenen Kollegen wenden, etwa dann, wenn sie beim Mindestlohn oder bei der Rente mit 63 abbiegen.

Wir stehen zu dem Koalitionsvertrag, aber wir wollen, dass er gut umgesetzt wird. Wir sagen: Weg mit der Diskriminierung und hin zu einer Situation,

die fair und für alle gleich ist! Wir wissen, dass der Innenminister in den Verhandlungen, die jetzt anstehen, genau diese Zielsetzung weiter nach vorne bringen will.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bevor die CDU-Fraktion die Möglichkeit zur Erwiderung bekommt, möchte ich darauf hinweisen, dass dem Sitzungsvorstand zugetragen wurde - deshalb müssen wir das auch entsprechend würdigen -, dass zwei Kollegen hier im Hause, nämlich Herr Schminke und Frau Staudte, meinen Hinweis in Richtung des Kollegen Onay, dass die Verwendung des Begriffs „Borniertheit“ wohl nicht einem angemessenen Umgang miteinander entspricht, mit den Worten kommentiert haben „Darf man hier nicht einmal die Wahrheit sagen?“

Meine Damen und Herren, das ist Kritik am Präsidium. Sie sollten sich solcher Zwischenrufe enthalten. Machen Sie es nicht noch schlimmer! Wenn hier solche Begriffe gebraucht werden, müssen wir darauf eingehen. Kommentieren Sie so etwas bitte nicht, wenn Sie nicht selbst einen Ordnungsruf bekommen wollen. - Darauf wollte ich zumindest hinweisen.

So, meine Damen und Herren, jetzt hat Frau Jahns von der CDU-Fraktion die Möglichkeit, auf die beiden Kurzinterventionen zu erwidern. Sie hat für 90 Sekunden das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Onay, hier die CDU zu beschimpfen, ist völlig fehl am Platze,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und das auch noch in einer Art und Weise, die diesem Parlament überhaupt nicht gerecht wird.

Ich darf zur Erinnerung einmal vorlesen, was Sie am 9. November 2013 kommentiert haben: „Stell dir vor, Innenminister Friedrich labert rassistische Kackscheiße, und keiner regt sich auf.“

Ich denke, Sie sollten sich einmal über Ihre Wortwahl - - -

(Helge Limburg [GRÜNE]: Der ehe- malige Bundesinnenminister sollte über seine Wortwahl nachdenken! - Widerspruch bei der CDU)

- Das ist ja wohl eine Unverschämtheit! Wenn sich der damalige Bundesinnenminister so geäußert hätte, dann hätten Sie sofort interveniert, davon können wir ja wohl ausgehen. - Aber nun gut, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte jetzt noch auf die SPD eingehen. Was Sie hier durchziehen, ist nicht mehr als ein durchsichtiges Manöver, mit dem Sie davon ablenken wollen, dass Sie sich wieder einmal vor den grünen Karren spannen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich darf aus dem Tagesspiegel vom 24. März zitieren:

„Die SPD-Spitze fordert anders als drei von SPD und Grünen regierte Länder keine über den Koalitionsvertrag hinausgehende Reform der doppelten Staatsbürgerschaft. Die mit der Union vereinbarte Regelung sei ein wichtiger Meilenstein in der Integrationspolitik, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi.“

Ich glaube, damit ist alles gesagt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So weit die beiden Kurzinterventionen und die Erwiderung.

Meine Damen und Herren, ich weiß sehr wohl - und Sie können sicherlich nachvollziehen, dass ich das in besonderer Weise weiß -, wie emotional man eine solche Debatte führen kann. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen - das ist ganz normal -, und die werden hier im Parlament ausgetragen. Aber ich bitte Sie, die Debatte in aller Sachlichkeit und ruhig zu führen und sie nicht jedes Mal mit Zwischenrufen zu kommentieren, die den Sitzungsvorstand an den Rand der Erteilung von Ordnungsrufen zu bringen.

Sie haben es in der Hand. Wenn Sie sich Luft verschaffen wollen, dann nutzen Sie das Instrument der Kurzintervention. Dort haben Sie dann die Möglichkeit, Ihr Anliegen in aller Sachlichkeit vorzutragen.

Aber bitte ermöglichen Sie, dass die Debatte weiterhin sachlich verläuft. Das liegt doch in unser aller Interesse. Ich verweise nur noch einmal auf den Appell, den Herr Busemann zu Beginn dieser Plenarwoche an Sie alle gerichtet hat.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu den nächsten Wortmeldungen. Als Nächste ist die SPD-Fraktion dran. Sie möchte ihre Redezeit auf zwei Redner aufteilen, und hat darum gebeten, sie nacheinander aufzurufen. Dem folgen wir.

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Christos Pantazis für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege!

Vornweg: Ich finde es wirklich traurig, welches Niveau hier inzwischen erreicht worden ist. Das haben die Leute, die es betrifft, absolut nicht verdient.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will es jetzt sachlich machen. Deutschland ist ein Einwanderungsland - und das ist auch gut so. Unser Land Niedersachsen hat eine lange Einwanderungsgeschichte vorzuweisen, und es lebt von seiner Vielfalt, dem Engagement und den Ideen der Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. Genau aus diesem Grund haben wir uns in der Koalitionsvereinbarung „Erneuerung und Zusammenhalt“ darauf verständigt, uns für ein weltoffenes Niedersachsen einzusetzen und Vielfalt und Teilhabe zu stärken.

Zwingende Voraussetzung dieser Politik ist eine gelebte Willkommens- und Anerkennenskultur für zugewanderte Menschen und ihre hier geborenen Nachkommen. Die Einbürgerung, also der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch Verwaltungsakt, spielt in diesem Zusammenhang eine herausragende Rolle. Durch diese sind zugewanderte Menschen an bürgerliche Rechte und Pflichten gebunden, und es steht ihnen ferner das Recht zu, politische Mitwirkungsmöglichkeiten zu nutzen.

Langfristig gesehen kann diese Form der Einbindung in unsere Gesellschaft, in Bereiche des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens, nur im Interesse des Gesetzgebers sein. Das vorweggenommen, setzt ein Staatsbürgerschaftsrecht voraus, das vor allem der gesellschaftlichen Wirklichkeit entsprechen muss. Das ist in unserem Fall, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im aktuellen, im Jahr 2000 in Kraft getretenen reformierten Staatsbürgerschaftsrecht ist dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung getragen

worden. Erstmalig in der deutschen Rechtsgeschichte wurde das Abstammungsprinzip durch Elemente des Geburtsortsprinzips ergänzt. Hierfür gebührt der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder auch heute noch Respekt und Anerkennung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unter dem Eindruck einer bundesweit unsäglichen Unterschriftenkampagne „Ja zur Integration, Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft“, in der Roland Koch mit groben Argumenten an Überfremdungsängste in der deutschen Bevölkerung appellierte, war der Preis dieser Reform allerdings das hier zur Debatte stehende Optionsmodell bzw. der Optionszwang. Nach dem aktuellen Gesetz erhalten Kinder nichtdeutscher Eltern mit der Geburt neben der Staatsangehörigkeit der Eltern auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres werden diese Optionskinder dazu aufgefordert, sich innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern zu entscheiden.